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Warschauer Aufstand polarisiert bis heute

Dr. Anna Artwinska ist Juniorprofessorin am Institut für Slavistik der Universität Leipzig. Foto: Christian Hüller für die Universität Leipzig

Dr. Anna Artwinska ist Juniorprofessorin am Institut für Slavistik der Universität Leipzig. Foto: Christian Hüller für die Universität Leipzig

War das erfolglose Anrennen gegen die gut bewaffneten deutschen Besatzer vor 75 Jahren wirklich sinnvoll, fragen sich auch viele Polen

Leipzig/Warschau, 27. Juli 2019. Der Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer im August 1944, den vor allem die SS blutig niederschlug, gehört fest zum heutigen Selbstverständnis und zum geschichtlichen Kanon des heutigen Polens. Gleichzeitig ist dieses Ereignis aber auch umstritten. Darauf hat Dr. Anna Artwinska hingewiesen – sie ist Juniorprofessorin für westslawische Literaturen und Kulturen an der Universität Leipzig.

„Nach dem Aufstand lag Warschau in Schutt und Asche“

„Der Warschauer Aufstand ist in Polen ein sehr wichtiges Thema, sowohl in der Geschichtsschreibung und in der Erinnerungskultur, als auch in den gesellschaftlichen Debatten“, betont Dr. Artwinska. „Er ist ein sehr umstrittenes Ereignis, das die Bevölkerung extrem polarisiert.“ Dass sich im August 1944 die Warschauer für einen Kampf mit dem Okkupanten entschieden, zeuge eindeutig von Heroismus, betont sie. „Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, ob der Kampfentschluss der Aufständischen nun richtig war. Denn nach dem Aufstand lag Warschau in Schutt und Asche, Tausende von Menschen sind ums Leben gekommen.“

Hilfe durch Rote Armee blieb aus – Polen fühlen sich bis heute verraten

Bis heute belastet auch das damalige Verhalten der Roten Armee das polnisch-russische Verhältnis: Die Warschauer hatten erwartet, dass die sowjetischen Truppen rasch in die Stadt einrücken und helfen würden. Dies geschah aber nicht. „Der Inhalt dieses Mythos ist somit nicht nur positiv: Es geht auch um das Gefühl des Verrats“, erklärt die Juniorprofessorin. Die sowjetische Seite hatte nach dem Krieg immer wieder erklärt, der Aufstand sei ihr nicht angekündigt worden.

Professorin: Warschauer schauten beim jüdischer Ghetto-Aufstand zu

Bemerkenswert sei aber auch, dass „in der polnischen Kultur vor allem an den Warschauer Aufstand von 1944 erinnert wird“, meint Anna Artwinska. „Dabei gab es in Warschau bereits ein Jahr früher einen Aufstand – den Aufstand im Warschauer Ghetto. Am 19. April 1943 erhoben sich die völlig unzureichend bewaffneten jüdischen Aufständischen als erste gegen die Besatzungsmacht. Die polnische Bevölkerung hat dabei – und das muss gesagt werden – zugeschaut, wie das Ghetto brannte.“

Autor: hw

Quelle: Auszug aus einem Interview der Uni Leipzig, Susann Huster

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt