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Alles nur Panikmache: Römische Schiffe waren besser als ihr Ruf

Odysseus widersteht (gefesselt) dem Gesang der Sirenen. Die Form des auf diesem antiken Mosaik gezeigten Schiffes ähnelt der Bauweise römischer Schiffe. Repro: Giorces, Wikipedia, Public Domain

Odysseus widersteht (gefesselt) dem Gesang der Sirenen. Die Form des auf diesem antiken Mosaik gezeigten Schiffes ähnelt der Bauweise römischer Schiffe. Repro: Giorces, Wikipedia, Public Domain

Computersimulationen der TU Berlin ergaben: Antike Handelsschiffe waren Top-Produkte

Berlin, 22. Mai 2019. Antike römische Schiffe waren besser als ihr Ruf. Zu diesem Fazit sind Historiker und Maritimsystem-Experten der Technischen Universität Berlin (TUB) in einer Untersuchung gekommen. Die vor 2000 Jahren gebauten Handelsschiffe „Made in Rom“ seien erstaunlich sicher gewesen, betonte der Technikhistoriker Dr. Thomas Kirstein. Sie seien ähnlich kentersicher und seesicher gewesen wie heutigen Schiffe. Auch sei ihre bauliche Qualität hoch gewesen. Von „Seelenverkäufern“, wie von antiken Autoren oft behauptet wurde, könne insofern keine Rede sein.

„Dem Tode willkommene Mittel“

Ausgangspunkt der Studie war ein offensichtlicher Widerspruch: Auf der einen Seite wimmelt die antike Literatur von schlechten Urteilen über die zivile Seefahrt. Lukrez zum Beispiel nannte die Seefahrt eine „verderbliche Kunst“. Und der römische Dichter Sextus Propertius schrieb seinerzeit, Schiffe seien „dem Tode willkommene Mittel“. „Wie glücklich man am Lande war, merkt man erst, wenn das Schiff untergeht“, barmte einst Seneca.

Sebastian Ritz (l.) und Thomas Kirstein untersuchten die Seegangseigenschaften römischer Handelsschiffe. Sebastian Ritz erstellte dazu ein computerbasiertes Schiffsmodell, das auf dem linken Bildschirm zu sehen ist. Foto: Dominic Simon für die TU Berlin, PR

Sebastian Ritz (l.) und Thomas Kirstein untersuchten die Seegangseigenschaften römischer Handelsschiffe. Sebastian Ritz erstellte dazu ein computerbasiertes Schiffsmodell, das auf dem linken Bildschirm zu sehen ist. Foto: Dominic Simon für die TU Berlin, PR

Doch auf der anderen Seite nutzten ganz offensichtlich sehr viele Kaufleute und Passagiere immer wieder den Seeweg, obwohl er doch angeblich so unsicher war. „Dieser Widerspruch machte uns stutzig“, erklärte Dr. Kirstein.

Computermodell aus Wrack von La Madrague geformt

Daher tat sich der Historiker mit Simulations- und Schifffahrtsexperten an der Uni zusammen und untersuchte das Wrack von La Madrague de Giens. Dieses römische Schiff war zwischen 60 und 50 v. u. Z. nahe der französischen Halbinsel La Madrague de Giens gesunken, war 1967 von Tauchern der französischen Marine gefunden worden „und gehört zu den bestdokumentierten römischen Wracks“, so die Berliner TU-Forscher. Anhand des Wracks erstellten sie ein Computermodell, dass sie dann durch ebenfalls virtuelle Stürme in einer Rechnersimulation schickten. Sie wollten damit ermitteln, unter welchen Bedingungen das Schiff kentern oder sinken würde.

„Antikes Schiff kentersicherer war als das moderne“

„Wir haben die Ergebnisse der Stabilitätsuntersuchungen des römischen Handelsschiffes mit einem vergleichbaren modernen Hochseeschiff, das uns als Referenz diente, verglichen und konnten feststellen, dass das antike Schiff kentersicherer war als das moderne, sich also durch eine gute Stabilität auszeichnete“, berichtete Sebastian Ritz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Entwurf & Betrieb Maritimer Systeme. Das Schiff von Madrague hätte demnach auch heutigen Anforderungen an die Schiffsstabilität, wie sie im „International Code on Intact Stability“ festgelegt sind, genügt.

Runder Rumpf förderte allerdings Seekrankheit – und die schürte Panik

Allerdings neigten die antiken Schiffe wegen ihres runden Rumpfes stärker als heutige Schiffe dazu, bei seitlichem Seegang zu rollen, „sodass mehr Personen an der Bewegungs-Krankheit litten und sich wahrscheinlich erbrochen haben oder, kurz gesagt, seekrank wurden“, betonte Ritz. Und dies wiederum könnte den Schlüssel zum schlechten Image der antiken römischen Seefahrt liefern: Da Seekrankheit das Wahrnehmungsvermögen beeinträchtigt, mit Angst- und Panikattacken einhergeht und die Fähigkeit mindert, eine Situation realistisch einzuschätzen, könnte sie die Ursache dafür gewesen sein, dass die Schifffahrt von den Autoren antiker Reiseberichte als direkter Weg ins „nasse Grab“ empfunden wurde, folgern die TUB-Wissenschaftler. Hinzu komme, dass die überlieferten Texte hauptsächlich von Laien und nicht von erfahrenen Seeleuten stammen. Auf die Seemänner wirkte heftiger Sturm und hoher Wellengang aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung vielleicht weniger dramatisch und wurde nicht sofort mit dem Einläuten des letzten Stündchens assoziiert.

Autor: Heiko Weckbrodt, Quelle: TUB

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt