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Nach Bosch-Fab dreht sich IPCEI-Förderkarussell weiter

Foto: Bosch

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Eine Batteriezell-Fabrik in der Lausitz könnte das nächste Projekt von europäischem Rang sein

Dresden/Berlin/Brüssel, 31. Januar 2019. Die neue Chipfabrik von Bosch in Dresden ist bis jetzt das einzige „Wichtige Projekt von gemeinsamem europäischen Interesse“ („Important Project of Common European Interest“ = IPCEI), für das Deutschland besondere Subventionsregeln bei der EU-Kommission beantragt hat. Viele Branchenbeobachter sind allerdings überzeugt: Weitere Anträge werden folgen.

Zusatzförderung für KI?

„Bei IPCEI liegt der Fokus derzeit darauf, das erste Paket erfolgreich auf den Weg zu bringen und daraus zu lernen, wie wir dieses Instrument auch in Zukunft erfolgversprechend einsetzen können“, betonte „Silicon Saxony“-Vizepräsident Raik Brettschneider, der zugleich einer der beiden Geschäftsführer von Infineon Technologies Dresden ist. „Es ist gut möglich, dass Künstliche Intelligenz, Low-Power-Computing oder Konnektivität stärker im Fokus stehen, wenn es ein IPCEI 2 für die Mikroelektronik geben sollte.“ Konkrete Pläne dafür gebe es aber seines Wissens nach im Moment noch nicht. „Wir müssen den Entscheidern allerdings klarmachen, dass der Wirtschaftsstandort Sachsen nur dann erfolgreich bleiben kann, wenn er sich im internationalen Wettbewerb behaupten kann.“

Jurk: IPCEI hätten wir schon vor zehn Jahren gebraucht

Für den SPD-Bundestagsabgeordneten und früheren sächsischen Wirtschaftsminister Thomas Jurk sind die neueren Mikroelektronik-Programme von Bund und Land, vor allem aber das Förderinstrument IPCEI „ein Quantensprung“ für die sächsische Technologiewirtschaft. „Eigentlich kommt das zehn Jahre zu spät: So etwas hätten für schon damals für die Qimonda-Rettung gebraucht“, sagte er. Endlich habe man nun aber Instrumente, um mit den Subventionen und Ansiedlungs-Anreizen der USA, Taiwans, Chinas, Südkoreas und anderer Staaten mithalten zu können. Dass das IPCEI-Programm bisher nur langsam in Fahrt gekommen sei, liege auch an der europäischen Dimension: „Deutschland hat alles schon beizeiten vorbereitet“, erzählt er. Andere Staaten wie Frankreich, Italien und Großbritannien hätten zwar auch Interesse angemeldet, brauchen jedoch länger, um ihre Anträge vorzubereiten. Hintergrund dafür sei letztlich, dass die Mitgliedsländer auch erst einmal die dafür nötigen Eigenmittel aufbringen müssen.

Bosch als Blaupause für andere Branchen

Derweil rechnen allerdings einige Wirtschaftspolitiker damit, dass das nächste deutsche IPCEI-Projekt nur mittelbar auf die Mikroelektronik zielt, sondern womöglich erst einmal auf den Automobilsektor. Ganz konkret steht zur Debatte, eine neue Batteriezellen-Großfabrik in der Lausitz oder einen anderen Strukturwandel-Region zu unterstützen. „Was wir vermeiden wollen: Dass durch die Entwicklung hin zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren aus Deutschland Teile der automobilen Wertschöpfungskette wegkommen“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schon im Sommer, als zur Grundsteinlegung für die neue Autoelektronik-Chipfabrik von Bosch nach Dresden eintraf.

Ähnliches vermutet Thomas Jurk: „Das Bundeswirtschaftsministerium sieht in der besonderen Mikroelektronik-Förderung eine Blaupause für eine Batterie- und Batteriezell-Fabrik“, schätzte er auf Anfrage ein. „Diese Idee beschäftigt und schon seit über zwei Jahren“, bestätigt auch Peter Nothnagel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS). „Wir denken da an Großenhain, Kamenz oder einen anderen Standort in der Lausitz.“ Selbst die Hoffnung auf eine Tesla-Megafab habe die WFS noch nicht aufgegeben.

Solch eine Fabrik hätte strategische Bedeutung: Sie soll vor allem die Abhängigkeit deutscher Automobil-Konzerne von Zulieferungen aus Fernost oder den USA aushebeln: Nur wenige Anbieter wie Samsung, LG und Tesla decken derzeit in der Autobatterie-Fertigung nahezu die gesamte Wertschöpfungskette ab.

Chancen für Sachsens Energiesystem-Experten

Andererseits könnten viele Halbleiter- und andere Technologie-Unternehmen aus Sachsen an diesem Punkt der automobilen Wertschöpfungskette andocken: Wie gut eine Batterie ist, hängt nicht nur von Materialien, Fertigungsqualität und Know-how ab, sondern auch von ihrer Steuerelektronik, ihrem Lade- und Temperatur-Management.

Allerdings muss zunächst ein kapitalstarkes Unternehmen oder eine Gruppe gefunden werden, die solch eine Milliarden-Investition stemmen kann und dies auch in der Bundesrepublik tun will. Das US-Unternehmen „Tesla“ liebäugelt zwar bereits seit geraumer Zeit damit, eine Batterie-Megafab in Europa zu bauen. Laut jüngsten Bekundungen denkt Elon Musk aber eher an einen Standort nahe der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, um beide große Märkte gleichermaßen abzudecken. Und Bosch selbst hat bereits ausgeschlossen, solch eine Fabrik zu bauen. Daimler war zwar bereits einmal an einer hochwertigen Batteriezell-Produktion in Kamenz beteiligt, hat diese Fertigung dann aber zu Gunsten einer reinen Batteriefabrik auf Eis gelegt.

 

Digital Hubs:

Ein Vernetzungsprogramm, für das nur kleinere Summen für organisatorische Aufgaben fließen. Dahinter steht die Idee des Digitalwirtschaftsverbandes „Bitkom“ und des Bundeswirtschaftsministeriums, an bestimmten Orten in Deutschland Kompetenz-Konglomerate für ausgewählte Schlüsseltechnologien im Digitalzeitalter zu formen. Eine Jury hat 2017 zwölf Hubs ausgewählt. Darunter ist auch ein Doppel-Hub in Sachsen: Leipzig spezialisiert sich auf „Smart Infrastructure“, Dresden auf „Smart Systems“. Inwieweit hier greifbare Ergebnisse zustande kommen, hängt wesentlich vom Engagement der lokalen Akteure ab.

Mehr Informationen: de-hub.de/

Projektförderung:

Hinzu kommen auf verschiedene Ressorts verteilte Projektförderungen u. a. des Bundesforschungsministeriums, des Freistaats Sachsen und Drittmittelgebern, die teilweise auch über Universitäten oder außeruniversitäre Institute abgewickelt werden.

Mehr Informationen: elektronikforschung.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt