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Berlin und Hanoi wollen Handel ausbauen

Vietnam gehört bis heute zu den armen Ländern der Welt - viele Familien leben von Kleinstunternehmungen im Straßenhandel. Foto: Heiko Weckbrodt

Vietnam gehört bis heute zu den armen Ländern der Welt – viele Familien leben von Kleinstunternehmungen im Straßenhandel. Foto: Heiko Weckbrodt

Premier Nguyen Xuan Phuc zum G20-Treffen in Hamburg

Berlin/Hamburg/Hanoi, 6. Juli 2017. Deutschland und Vietnam wollen wirtschaftlich künftig enger zusammenarbeiten. Diese Absicht hat die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) vor einem Treffen mit dem vietnamesischen Premier Nguyen Xuan Phuc (KP) formuliert. Näheres möchten die Partner heute bei einem Deutsch-Vietnamesische Wirtschaftsforum in Berlin erörtern.

Brigitte Zypries. Foto: Bundesregierung/ Bergmann

Brigitte Zypries. Foto: Bundesregierung/ Bergmann

Vietnam wichtiger Handelspartner in Asien-Pazifik-Region

„Vietnam ist für Deutschland ein sehr wichtiger Handelspartner in der Asien-Pazifik-Region“, betonte Zypries. „Wir wollen diese Partnerschaft mit dem heutigen Wirtschaftsforum weiter stärken.“ 2016 kam Vietnam auf ein Bruttoinlandprodukt von umgerechnet 177 Milliarden Euro. Das Land exportiert vor allem Öl, Textilien und Schuhe. Hauptimportgüter sind Maschinen, Kraftstoffe und Stahl.

Nguyen Xuan Phuc. Foto: Regierung von Vietnam

Nguyen Xuan Phuc. Foto: Regierung von Vietnam

Handel zwischen Deutschland und Vietnam verdreifacht

Das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und Vietnam hatte sich zuletzt bereits fast verdreifacht: von rund drei Milliarden Euro im Jahr 2009 auf über elf Milliarden Euro im Jahr 2016. Die Europäer und insbesondere die Deutschen wollen diesen Kurs gerne fortsetzen. Bausteine dafür sind ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam sowie eine bilaterale Auslandshandelskammer, die Deutsche und Vietnamesen gründen.

US-Präsident Donald trump. Foto: Weißes Haus

US-Präsident Donald Trump. Foto: Weißes Haus

Aufschwung unter Obama, Abkühlung unter Trump

All dies ist auch im Kontext der jüngeren amerikanisch-vietnamesischen Beziehungen zu sehen: Nachdem diese unter Barack Obama (Demokraten) einen Aufschwung erlebt haben, hat sich das Verhältnis unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump (Republikaner) deutlich abgekühlt. Washington hatte unter anderem das geplante transpazifische Freihandelhandels-Abkommen abgeblasen, von dem Vietnam voraussichtlich sehr profitiert hätte. Außerdem hatte Trump Signale ausgesandt, Obamas Annäherungskurs an den einstigen Kriegsfeind nicht fortsetzen zu wollen.

Vietnam auf Modernisierungskurs

Das kommunistisch beherrschte Vietnam hat sich bis heute nicht vom Krieg gegen die USA erholt. Auch der Zusammenbruch des Ostblocks hatte das Land schwer getroffen, war dieser doch der Haupthandelspartner, Entwicklungshilfe-Geber und Technologielieferant gewesen. Vietnam gehört bis heute zu den ärmsten Ländern der Erde. Allerdings hat das Land seit einigen Jahren einen Modernisierungskurs eingeschlagen, der an ähnliche Ansätze im China der 1980er erinnert. Auch ist die Bevölkerung in jüngster Zeit stark gewachsen – CIA-Analysten gehen inzwischen von rund 95 Millionen Menschen in Vietnam aus. All dies hat zeitweise für Wirtschaftswachstums-Raten zwischen sechs und neun Prozent gesorgt. Der Modernisierungskurs und das Bevölkerungswachstum verursachen zudem eine starke Nachfrage nach Maschinen, Transportinfrastruktur, Energieanlagen (und letztlich auch westlichen Konsumgüter), die auch die exportorientierte deutsche Wirtschaft sehr interessiert.

Im Kunsthanderk - hier eine Töpferei-Manufaktur vor den Toren von Hanoi - findet man in Vietnam auch sehr qualitätsorientierte Arbeiter und Spezialisten. Dieses Qualitätsbewusstsein zieht sich allerdings nicht durch alle Wirtschaftssegmente. Foto: Heiko Weckbrodt

Im Kunsthanderk – hier eine Töpferei-Manufaktur vor den Toren von Hanoi – findet man in Vietnam auch sehr qualitätsorientierte Arbeiter und Spezialisten. Dieses Qualitätsbewusstsein zieht sich allerdings nicht durch alle Wirtschaftssegmente. Foto: Heiko Weckbrodt

Korruption bremst Aufschwung aus

Derzeit agieren aber vor allem Chinesen, Japaner, Koreaner und Taiwanesen auf dem vietnamesischen Markt. Zudem sind hohe Korruption, investoren-unfreundliche Gesetze, uneinheitliches Qualitätsbewusstsein sowie Englisch-Sprachbildungsdefizite in der Bevölkerung bis heute Hindernisse für eine noch dynamischere Wirtschaftsentwicklung.

Seit Jahrzehnten besondere Beziehungen nach Deutschland Ost und West

Besondere Beziehungen zu Deutschland hat Vietnam nicht zuletzt durch die vielen Auslands-Vietnamesen, die hier leben. In Ostdeutschland handelt es sich dabei vor allem um frühere DDR-Vertragsarbeiter und deren nachgezogene Angehörige. Nach Westdeutschland waren dagegen viele Vietnamesen geflüchtet, die sich nach dem Fall Saigons und der Ausdehnung der kommunistischen Herrschaft auf Südvietnam nicht mit dem neuen Regime arrangieren konnten oder wollten. Dabei handelte es sich teilweise um chinesisch-stämmmige Vietnamesen, die von den Enteignungswellen durch die Kommunisten besonders betroffen waren. Sie verließen vor allem in den 1970er Jahren ihre Heimat auf Booten und wurden deshalb im Westen „Boat people“ genannt. Heute leben etwa 120.000 Menschen vietnamesischer Abstammung in Deutschland. Sie gelten als vergleichsweise hochintegriert, etwa ein Viertel hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.

Visafreie Reisen fallen nebenher mit ab – aber nur für Deutsche

Von den bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und Vietnam profitieren übrigens indirekt auch die deutschen Staatsbürger mit Urlaubsplänen, da bei den Verhandlungen „nebenher“ auch liberale (wenn auch einstige) Reisereglungen abfallen: Erst kürzlich hatten beide Staaten eine zunächst bis Ende Juni 2017 befristete Regelung um ein weiteres Jahr verlängert, laut der Deutsche visafrei nach Vietnam einreisen und dort bis zu 15 Tage bleiben dürfen. Die Regeln spiegeln aber auch die Machtverhältnisse zwischen beiden Staaten: Vietnamesen nämlich müssen weiter hart bei den deutschen Vertretungen um jedes Reise-Visum gen Bundesrepublik ringen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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