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„Mohamed“: Provokante Analyse über einen Verkünder

Hamed abdel-Samad. Foto: Freud, Wikipedia, GNU-Lizenz

Hamed abdel-Samad. Foto: Freud, Wikipedia, GNU-Lizenz

Autor Abdel-Samad skizziert den Begründer des Islam als traumatisierten Kontrollfanatiker

Mit seiner Analyse „Mohamed“ macht sich der Politologe, Muslim und Autor Hamed Abdel-Samad garantiert keine Freunde unter den Muslimen – und schert sich offensichtlich auch nicht besonders darum. In seinem Buch skizziert er den Propheten des Islam als doppelzüngigen Narzissten, der wegen seiner Kindheits-Traumata und Demütigungen als junger Mann zu einem despotischen Kontrollfreak wurde. Den Worten dieses vor fast 1400 Jahren gestorbenen Menschen allzu sklavisch zu folgen, ist ein Grundproblem vieler heutiger Muslime – und ein Grund für die Anfälligkeit einiger davon für Radikalisierung, Isolation und Gewalttätigkeiten, meint Hamed Abdel-Samad.

Distanzierter Blick, angriffslustige Folgerungen

Dabei stützt sich der Autor einerseits auf eine nüchtern-distanzierte eigene Analyse des Korans, von dessen Überlieferungsgeschichte, aber auch der Hadithen (überlieferte Aussprüche des Propheten) und der Gelehrten-Theologie, die sich über die Jahrhunderte hinweg darum gerankt hat. Und er zieht medizinische und historische Einschätzungen anderer Autoren hinzu. Vieles davon stützt sich letztlich auf– nach den strengen Maßstäben des Historikers – wenig abgesicherte Überlieferung. Zudem arbeitet Hamed Abdel-Samad auch oft mit Plausibilitäts-Erwägungen, denen man folgen kann, aber nicht muss.

Gefangener der eigenen Biografie

Umso angriffslustiger sind seine Schlussfolgerungen: So vergleicht er den Siegeszug des Islam mit dem Aufstieg der Mafia, zeichnet das Bild eines Mohamed, der mit Epilepsie und Zwangsvorstellungen kämpfte. „Mohamed war ein Gefangener seiner eigenen Geschichte“, betont Hamed Abdel-Samad. „Vieles, was er getan oder gesagt hat, war das Ergebnis seiner ganz persönlichen Ängste, Stärken und Schwächen.“ Würde dies die Gemeinschaft der Muslime endlich beginnen zu akzeptieren, könne dies eine heilsame Wirkung auf den modernen Islam haben – statt Milliarden Menschen in Kreisläufe aus Schuldgefühlen, chronischem Beleidigtsein und Radikalisierung zu treiben.

Autor: Dogmatischer Blick auf Mohamed verhindert Reform des Islam

Dass Hamed Abdel-Samad derart polemisch argumentiert und offensichtlich heftige Reaktionen seiner Glaubensbrüder einkalkuliert, scheint mir System zu haben. Denn was dem modernen Islam eben auch fehle, so argumentiert er, sei die frühere gelassene Souveränität gegenüber Satire, Überspitzung und Übertreibung im Umgang mit dem Propheten und dem Menschen Mohamed, wie es islamische Herrscher auf dem Gipfelpunkt der muslimischen Expansion schon einmal hatten. Eben dieses seit der Aufklärung eher entkrampfte und durchaus kritische Verhältnis der Christen zu ihrer eigenen Religion gehe den Muslimen von heute leider größtenteils ab. Und dies, so Abdel-Samad , verhindere eine reinigende Reform von innen, die längst überfällig sei: „Denn nichts ist heiliger als ein Menschenleben, nichts wertvoller als Freiheit und Menschenrechte,“ schreibt er da. „Vielleicht braucht der Islam keinen Luther, sondern einen Erasmus (von Rotterdam, d. Red.), einen Voltaire und viele ,Charlie Hebdos’!“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Hamed Abdel-Samad: “Mohamed – Eine Abrechnung”, Sachbuch, Droemer-Knaur-Verlag, München 2016, 240 Seiten, ISBN: 978-3-426-43353-9, eBook: 18 Euro

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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