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Aus Wissen wird Macht

vSehenswert ist dieser "wahre" Lutherschrein, das bildliche Pendant zu seiner Schrift "Corpus Doctrinae Christianae", einer Lehr -und Bekenntnisschrift. Foto: Peter Weckbrodt

Sehenswert ist dieser „wahre“ Lutherschrein, das bildliche Pendant zu seiner Schrift „Corpus Doctrinae Christianae“, einer Lehr -und Bekenntnisschrift. Foto: Peter Weckbrodt

Die Ernestiner (Teil 5): Kunstliebhaber, Bücherwürmer und Alchimisten

Weimar/Gotha, 31. August 2016. Künste und Wissenschaften gehörten zum unverzichtbaren inszenatorischen Repertoire der Höfe in vergangenen Jahrhunderten. Auch die sächsischen Ernestiner-Fürsten hielten dies nicht anders. Das zweite Hauptmotiv lag in dem Bestreben, die Wissenschaft für die praktische Herrschaftsausübung verfügbar zu machen, aus Wissen Macht zu generieren.

Hoffnung auf den Stein der Weisen

So war zum Beispiel die für Sachsen-Weimar 1730 erlassene „Generalrevisionsinstruktion“ eine Pionierleistung auf dem Gebiet der Vermessungswesens. Sie schuf für die Herzöge über die jährliche Steuerschätzung ein Instrument, um das gesamte Steuerpotenzial ihres Territoriums zu prognostizieren. Eine ähnliche Rolle spielten die an den Höfen unterhaltenen Laboratorien. Die illusionäre Vorstellung, Finanzprobleme durch die alchemistische Goldproduktion zu lösen, machte vor den Stadttoren von Weimar und Gotha nicht Halt. Die Wissenschaft an den Höfen zählte zu den „arcana imperii“, den Geheimnissen der fürstlichen Herrschaft. Kunst, Kultur und Wissenschaft spielten insofern an den ernestinischen Höfen eine wichtige Rolle.

Besuch von Carl August in einer Apoldaer Gießerei als Ausdruck der unvermeidbaren Hinwendung des Großherzogtums zur Industrialisierung Foto: Peter Weckbrodt

Besuch von Carl August in einer Apoldaer Gießerei als Ausdruck der unvermeidbaren Hinwendung des Großherzogtums zur Industrialisierung. Foto: Peter Weckbrodt

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Das Oiger-Special: Die Ernestiner wiederentdeckt

Der weise Friedrich gründete die Uni Wittenberg

Als außerordentlich bedeutsam erwiesen sich die Universitätsgründungen der Ernestiner. Kurfürst Friedrich der Weise gründete 1502 die Universität Wittenberg als Landesuniversität des ernestinischen Kurfürstentums Sachsen. Historisch bemerkenswert ist, dass der hierzu unerlässliche Stifterbrief allein vom Kaiser Maximilian unterzeichnet wurde. Das war ein Novum. Bis dahin waren Universitätsstiftungen nur vom Papst allein oder vom Papst und dem Kaiser unterzeichnet worden.

Schutz des Landesherrn verhinderte Zugriff der Kirche

Die Universität Wittenberg zog junge Wissenschaftler an, auch Theologen, darunter den jungen Martin Luther. Sie genoss überregionalen Ruf. Ihr landesherrschaftlicher Schutz schloss einen Zugriff der Kirche aus.

iner der vier Erinnerungsräume für die Dichter Goethe, Schiller und Wieland und Herder im Residensschloss Weimar. Foto: Peter Weckbrodt

iner der vier Erinnerungsräume für die Dichter Goethe, Schiller und Wieland und Herder im Residensschloss Weimar. Foto: Peter Weckbrodt

Kaiser verweigerte Jena zunächst das Universitätsprivileg

Die Bedeutung der Wittenberger Universität für den ernestinischen Staat machte nach dem Verlust der Stadt an die Albertiner die Neugründung einer Universität im Thüringischen unabdingbar notwendig. Dies geschah 1548 mit der Gründung der „Hohen Schule“ in Jena durch Herzog Johann Friedrich. Er wollte der „reinen“ Lehre Luthers eine Heimstatt geben. Kaiser Karl V. verweigerte jedoch der Jena das Universitätsprivileg. Die Privilegierung erfolgte erst unter Kaiser Ferdinand I. im Jahre 1564.

Bedeutende kulturelle Strömungen, wie die Weimarer Klassik, das musikalische Wirken von Franz Liszt, die Theaterreformen von Herzog Georg II. bis hin zu den Ursprüngen des Bauhauses wären ohne diese Bemühungen der Ernestiner undenkbar gewesen.

Bildungsförderung fürs Bürgertum

Die Kunstsammlungen in den Residenzen von Weimar und Gotha sind ein Spiegel adliger Repräsentation und Sammelleidenschaft. Sie standen auch den Bürgern zur Besichtigung und zur Förderung ihrer Bildung offen. Die frühe Aufklärung in Deutschland erlebte in Gotha zu der Zeit der Herzogin Luise Dorotheas eine gewisse Blüte. Sie holte Voltaire an den Hof, sie korrespondierte mit den französischen Enzyklopädisten.

Anna Amalia verhalf Weimarer Bibliothek zu Rang und Namen

Als Luise Dorothea starb, griff die früh verwitwete junge Herzogin Anna Amalia (1739-1807) in Weimar diese Impulse auf. Anna Amalia kam aus dem von den Welfen regierten Braunschweig nach Weimar. Sie legte den Grundstein für die weltberühmte Herzogliche Anna-Amalia-Bibliothek, indem sie einer verstaubten Büchersammlung im Weimarer Grünen Schloss eine vom Hof unabhängige würdige Existenz gab. Das Haus erhielt im Obergeschoss einen repräsentativen Büchersaal im Stil des späten Rokoko. Die Bibliothek rückte in den Rang einer der bedeutendsten Bibliotheken in Deutschland auf. Sie besaß 1832 rund 80 000 Bände.

Die Besichtigung, besser noch der Besuch einer Aufführung des einzigartigen barocken Ekhof-Theaters ist unbedingt zu empfehlen. Foto: Peter Weckbrodt

Die Besichtigung, besser noch der Besuch einer Aufführung des einzigartigen barocken Ekhof-Theaters ist unbedingt zu empfehlen.
Foto: Peter Weckbrodt

Theater mit über 300 Jahre alter Bühnentechnik

Wer Gotha besucht, sollte übrigens eine Aufführung des Ekhof-Theaters im Schloss Friedensstein nicht verpassen: Das Theater wurde zwischen 1681 und 1687 im Westturm des Schlosses errichtet. Es ist das einzige Theater auf der Welt mit noch voll funktionierender Bühnentechnik aus dem 17. Jahrhundert. Diese Technik, beispielsweise die uralte Windmaschine, kommt bei den Aufführungen tatsächlich zum Einsatz. Beim Barockfest zwischen dem 25. und dem 30. August wurde barocker Glanz mit über 300 Mitwirkenden geboten.

Autor: Peter Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: Geschichte, zAufi

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[caption id="attachment_67607" align="alignleft" width="117"]Peter Weckbrodt. Foto: IW Peter Weckbrodt. Foto: IW[/caption] Peter Weckbrodt hat ursprünglich Verkehrswissenschaften studiert, wohnt in Dresden und ist seit dem Rentenantritt journalistisch als freier Mitarbeiter für den Oiger und die Dresdner Neuesten Nachrichten tätig.

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