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Mit dem Leiterwagen durchs zerfallende Reich

Dieser Leiterwagen steht für viele Tausende seiner Art, mit denen Flüchtlinge aus Pommern und Schlesien das Land Sachsen erreichten. Foto: Peter Weckbrodt

Dieser Leiterwagen steht für viele Tausende seiner Art, mit denen Flüchtlinge aus Pommern und Schlesien das Land Sachsen erreichten.
Foto: Peter Weckbrodt

Verkehrsmuseum Dresden beleuchtet mit Sonderschau ab morgen „Migration“ über die Jahrhunderte hinweg

Dresden, 15. Juni 2016. Mit Blick auf die jüngste Flüchtlingskrise könnte das Thema „Migration“ (abgeleitet vom lateinischen „migrare“ = „wandern“) der neuen Sonderausstellung im Verkehrsmuseum Dresden kaum aktueller gewählt sein: Ab morgen beleuchtet die Exposition Wanderungsbewegungen in all ihren Facetten und über die Epochen hinweg. Dazu gehören beispielsweise die Blickwinkel Auswanderung, Flucht und Vertreibung in Geschichte und Gegenwart.

Erster Nachweis für eine Wanderbewegung nach Sachsen ist dieser aus Nahost stammende , 7 000 Jahre alter Kumpf. Foto: Peter Weckbrodt

Erster Nachweis für eine Wanderbewegung nach Sachsen ist dieser aus Nahost stammende , 7 000 Jahre alter Kumpf.
Foto: Peter Weckbrodt

Dabei ist Migration längst kein regionales, sondern ein globales Phänomen. Weltweit befinden sich heutzutage etwa 175 Millionen Menschen außerhalb ihres Herkunftsortes und rund 60 Millionen sind gar auf der Flucht. Ein besonderes Augenmerk legt die Ausstellung indes auf Frage, die uns ganz nahe sind: Wer kam wann , weshalb und wie nach Deutschland? Wer verließ wann, weshalb und wie Deutschland? Auf diese beiden Kernfragen versucht die Ausstellung dem Besucher eine Antwort zu geben. In 23 „Storyboxen“ werden persönliche Schicksale und Zeitzeugnisse zu den Facetten der Migrationsbewegungen aus deutscher Sicht vorgestellt.

Flüchtlings-Kolonnen aus Pommern

Da steht stellvertretend für viele Hundert seiner Art ein großer Leiterwagen, mit dem Flüchtlinge aus Schlesien und Pommern im Winter 1944/45 in Dresden ankamen in der Hoffnung, nun das Schlimmste hinter sich zu haben. Und dann kam ja der13. Februar!

Mit solch einem selbstgebastelten Flugzeug hatte der Dresdner Michael Schlosser versucht, in den Westen zu fliegen. Er wurde jedoch vorher geschnappt, das Original-Flugzeug ist seitdem verschollen. Schlosser hat es daher für die Ausstellung nochmal neu gebaut. Foto: Heiko Weckbrodt

Mit solch einem selbstgebastelten Flugzeug hatte der Dresdner Michael Schlosser versucht, in den Westen zu fliegen. Er wurde jedoch vorher geschnappt, das Original-Flugzeug ist seitdem verschollen. Schlosser hat es daher nochmal neu gebaut. Foto: Heiko Weckbrodt

Selbstgebautes Fluchtflugzeug mit Zweitakt-Motor

Da bewundern wir das Kleinflugzeug von Michael Schlosser. Er hatte es selbst konstruiert und unter Nutzung von Trabant-Baugruppen flugfähig gebaut. Er wollte damit „abhauen“, wie es so lapidar seinerzeit hieß.

In der Ulmer Schachtel zu einem besseren Leben

Wir sehen das Bild einer „Ulmer Schachtel“. Damit steuerten die auswandernden Schwaben im 19. Jh. südöstlichere Gefilde an. Das Holz des Schiffes diente am Zielort dem Hausbau.

Ozeandampfer wie die 1891 gebaute "Fürst Bismark", hier im Modell 1 : 100, ermöglichten eine massenhafte Auswanderung aus Deutschland. Foto: Peter Weckbrodt

Ozeandampfer wie die 1891 gebaute „Fürst Bismark“, hier im Modell 1 : 100, ermöglichten eine massenhafte Auswanderung aus Deutschland.
Foto: Peter Weckbrodt

Vietnamesische Gastarbeiter und Donauschwaben

Wir lernen Einzelschicksale kennen, wie die des vietnamesischen Gastarbeiters Dao Ngoc Hanh, der 1983 in die DDR kam, nach der Wende in Dresden blieb und jetzt wieder bei der Pentacon GmbH arbeitet. Ganz anders die Biografie von Hertha Breitenbücher. Ihre Eltern, Nachkommen von Donauschwaben, waren auf der Flucht vor der Sowjetarmee, als sie irgendwo zwischen Balkan und Deutschland geboren wurde.

Vom Heimatvertriebenen bis zum modernen Nomaden 2.0

Sehr persönliche Interviewaussagen machen die Beweggründe, Erlebnisse, Erfahrungen und Erlebnisse und Interessen der Migranten sichtbar und verstehbar. Heimatvertriebene sind darunter, aber auch Auswanderer, Arbeitsemigranten, aus politischen oder religiösen Gründen Verfolgte und moderne Wirtschafts- und Bildungsemigranten, dem modernen „Nomaden 2.0“ des grenzenlosen EU-Raums gewissermaßen.

Im überfüllten Schlauchboot übers Mittelmeer

Migrationsgeschichte ist auch Verkehrsgeschichte. Die Entwicklung von Eisenbahn und Dampfschifffahrt gaben der Auswanderungsbewegung einen kräftigen Auftrieb. Stellvertretend dafür sehen wir in der Ausstellung die Modelle von Ozeanriesen und von historischen Eisenbahnzügen. Zentrales Objekt aber ist ein acht Meter langes Schlauchboot aus dem Mittelmeer, das von Flüchtligen zur Überfahrt von der Türkei zur griechischen Insel Lesbos benutzt wurde. Statt der zugelassenen 15 Personen drängten sich 48 Männer, Frauen und Kinder hinein.

Vom Fußball bis zu Klopapier: Migration streute Erfindungen um die Welt

An einer Wand hängen Artikel, die dem Besucher zeigen, wie sehr die weltweiten Wanderbewegungen auch zu einer Bereicherung unseres täglichen Lebens beigetragen haben. So kam beispielsweise der Fußball ursprünglich aus China und das Toilettenpapier wurde in den USA erdacht.

Autor: Peter Weckbrodt

Besucherinformationen

Was?

Sonderausstellung „Migration“

Wo?

Verkehrsmuseum Dresden, Augustusstraße 1

Öffnungszeiten

vom 16. Juni bis 30. Dezember, jeweils Di bis So. 10 -18 Uhr

Mehr Infos:

Tel.: 0351/8644-0

Netzadresse:

www.verkehrsmuseum-dresden.de

-> Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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