EU-Austritt könnte Briten 10 % Wirtschaftsleistung kosten, auch Deutschland verliert
Dresden, 11. Mai 2016. Wenn Großbritannien aus der EU austritt, dann überwiegen für die Briten die Risiken deutlich die möglichen Gewinne. Das hat Professor Clemens Fuest, der neue Präsident des Wirtschaftsforschungs-Instituts „ifo“, heute bei einem Besuch in der ifo-Niederlassung Dresden eingeschätzt. „Großbritannien hat nur wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren“, sagte der 47-jährige Volkswirt. Laut jüngeren Studien könne ein „Brexit“ (Britischer Exit aus der EU) das vereinigte Königreich bis zu zehn Prozent Wirtschaftsleistung in den nächsten 15 Jahren kosten.
UK ist für Deutschland bisher noch drittgrößter Handelspartner
Speziell für Deutschland wäre solch ein Brexit auch nachteilig, sagte Clemens Fuest: Mit knapp 90 Milliarden Euro Export-Volumen sei Großbritannien (nach den USA und Frankreich) für die Bundesrepublik der drittwichtigste Handelspartner. Durch einen Brexit würden aber viele Handelserleichterungen in den EU-Raum für die Engländer wegfallen.
EU-Drift gen Protektionismus zu erwarten
Zudem können ein Austritt der Briten auch strategisch die EU verändern: Bisher gebe es eine starke Sperrminderheit aus Deutschen, Engländern, Holländern und anderen Ländern in der Gemeinschaft, die für Freihandel statt Protektionismus eintreten. Ein Brexit könne dieses Kräfteverhältnis dauerhaft zu Ungunsten der Freihändler verschieben und für eine weniger liberale EU sorgen, meint der neue ifo-Präsident.
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In einer Volksabstimmung am 23. Juni 2016 werden die Briten voraussichtlich über einen Verbleib in oder Austritt aus der EU entscheiden. Der Ausgang gilt immer noch als sehr ungewiss. Ökonom Fuest sieht zwar eine EU-freundliche Mehrheit in der britischen Bevölkerung. Doch diese Mehrheit rekrutiere sich vor allem aus jungen Stadtbewohnern, die schwer zu mobilisieren seien. Dagegen sei zu erwarten, dass die EU-skeptische Landbevölkerung eher bereit sei zu wählen.
Über Clemens Fuest und das ifo
Prof. Clemens Fuest hatte am 1. April 2016 die Nachfolge von Hans-Werner Sinn als ifo-Präsident angetreten. Der Volkswirt ist auch Wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Seine Forschungsschwerpunkte sieht er unter anderem in der Steuerpolitik und der europäischen Währungspolitik. Fuest ist 47 Jahre alt. Das ifo-Institut hat seinen Hauptsitz in München und beschäftigt rund 200 Mitarbeiter. Die ifo-Niederlassung Dresden ist vor allem auf die ostdeutsche Wirtschaft spezialisiert und hat rund 20 Mitarbeiter.
Autor: Heiko Weckbrodt
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