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Rossendorfer arbeiten an Spinwellen-Chips

Dr. Helmut Schultheiß. Foto: HZDR

Dr. Helmut Schultheiß arbeitet an Spinwellen-Computerkonzepten. Foto: HZDR

Dresden-Rossendorf, 1. Februar 2016. Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) baut seine Forschungen an Spintronik und anderen Zukunftskonzepten für die Nanoelektronik weiter aus. So stellte Dr. Helmut Schultheiß vom HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung heute ein Konzept für zukünftige Spinwellen-Datenträger vor. Darin pflanzen sich die Informationen als Magnetimpuls-Störungen ähnlich wie Schallwellen zwischen den Elektronen fort. Sie müssen dann nicht mehr wie in heutigen Computerchips „huckepack auf Elektronen-Lastern“ physisch durch den Datenträger transportiert werden. Dieses Spinwellen-Konzept könnte in einigen Jahren zu Computerchips führen, die viel schneller und verbrauchsärmer als heutige Halbleiter sind.

Dazu muss man sich in Erinnerung rufen, dass heutige Elektronik darauf beruht, dass sich Elektronen zu Strömen formieren, die allerdings unterwegs mit Atomen am Wegesrand zusammenstoßen und dadurch das Chipmaterial erwärmen: Je feiner die Strukturen im Chip und je schneller er schaltet, umso heißer wird das Material. Dadurch wird es auch immer schwieriger, Chipstrukturen weiter zu miniaturisieren und Prozessoren höher zu takten.

Spin-Welle ist wie „Stille Post“ in der Elektronen-Welt

Statt die Elektronen als Informationsträger durch den Chip zu schicken, könnte man alternativ aber auch Spin-Wellen (Magnonen) verwenden, die sich von Elektron zu Elektron ähnlich wie eine Schallwelle fortpflanzen, ohne dass sich die Elektronen selbst bewegen müssen. Dies würde den Energieverbrauch bzw. die Abwärme-Verluste senken.

Vorstellen kann man sich eine Spin-Welle ähnlich wie das Spiel „Stille Post“: Wenn sich Elektronen wie eine Reihe aufeinander abgestimmter Tänzer um die eigene Achse drehen, dann wird das Material, in dem sie sich befinden, magnetisch. Stellen wir uns nun eine Reihe von Elektronen-Tänzern vor, die sich alle rechtsherum drehen. Dann dreht sich der erste Tänzer plötzlich für eine Runde linksherum – damit verursacht er eine kleine Störung im großen Magnetfeld. Und nicht nur das: Der erste Elektronen-Tänzer flüstert seinem Nachbarn zu, das auch mal auszuprobieren. Und der tut das und schlägt das wiederum dem nächsten Tänzer vor und so fort. Für einen äußeren Beobachter sieht das so aus, als ob sich die Flüsterbotschaft (in Form der kleinen Linksdreher zwischendurch) wie eine Welle vom Anfang der Tänzerkette bis zum Ende weiterbewegt hat. Das Beste daran: Um die Botschaft weiterzutragen, musste sich kein Elektronen-Tänzer auf Wanderschaft begeben.

Domänenwand wirkt wie Leitplanke für Spinwellen-Transport

Um die Funktionsfähigkeit ihrer Idee zu beweisen, konstruierten die HZDR-Forscher gemeinsam mit Kollegen von der TU Dresden eine Art Nano-Autobahn für Spinwellen aus einer Nickel-Eisen-Legierung. Umschlossen von fest magnetisierten Schichten strukturierten sie dazwischen sogenannte Domänen-Wände, in denen sich die Spinwellen fortpflanzen, aus denen sie aber nicht ausbrechen können. „Im übertragenen Sinn könnte man sagen, dass wir eine Straße mit Leitplanke konstruiert haben, auf der sich die Spinwellen kontrolliert ausbreiten“, erklärte Dr. Helmut Schultheiß. Die Spinwellen selbst lösten die Forscher durch Mikrowellen aus.

In der Domänenwand, die sich in der Mitte zwischen den unterschiedlich ausgerichteten Magnetisierungen bildet, bleibt die Spinwelle gefangen. Forscher des HZDR konnten auf diese Weise ihren Ausbreitungsweg gezielt kontrollieren. Quelle: HZDR / H. Schultheiß

In der Domänenwand, die sich in der Mitte zwischen den unterschiedlich ausgerichteten Magnetisierungen bildet, bleibt die Spinwelle gefangen. Forscher des HZDR konnten auf diese Weise ihren Ausbreitungsweg gezielt kontrollieren. Quelle: HZDR / H. Schultheiß

„Leitplanken“ durch Magnetfelder nachträglich formbar

Außerdem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sich der Verlauf dieser „Domänen-Wände“ durch schwache Magnetfelder umformen lässt. „Darauf könnte das Design rekonfigurierbarer Nano-Schaltkreise aufgebaut werden“, meint Schultheiß.

Das HZDR und die Nanoelektronik-Forschung

Das HZDR ging 1992 aus einem früheren DDR-Kernforschungszentrum hervor. Heute gehört das Zentrum zur Helmholtz-Gemeinschaft und beschäftigt rund 1100 Mitarbeiter. Schwerpunkte sind u. a. Krebstherapieforschung, neue Energiesysteme, Ressourcen-Wirtschaft und extreme Materie-Zustände. Seit einiger Zeit beschäftigt sich das HZDR aber eben auch damit, neue Ansätze für die Nanoelektronik der Zukunft zu finden. Beispielsweise leitet das Rossendorfer Zentrum seit diesem Monat ein europäisches Konsortium, das innovative Quantenpunkt-Chips entwickeln soll.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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