Dresden-Lokales, Geschichte
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Kalkbergwerk Miltitz: Konzertsaal, Taucherparadies und Fledermausdomizil

Nein, hier wird nichts mitr rotem Licht angestrahlt, wie man meinen könnte: Die Farbenpracht der Abbaupfeiler im Kalkwerk Miltitz ist beeindruckend. Foto: Peter Weckbrodt

Nein, hier wird nichts mitr rotem Licht angestrahlt, wie man meinen könnte: Die Farbenpracht der Abbaupfeiler im Kalkwerk Miltitz ist beeindruckend. Foto: Peter Weckbrodt

Oigers Wochenendtipp führt untertage ins Triebischtal

Dresden/Miltitz, 30. Oktober 2015. Was aus scheinbar Wenigem mit Ideenreichtum und ungezählten freiwilligen Arbeitsstunden geschaffen werden kann, dafür ist unser Wochenendziel ein beredtes Beispiel. Wir besuchen das „Alte Kalkbergwerk Miltitz“, im schönen Triebischtal zwischen Meißen und Nossen gelegen. Da wir von diesem Objekt bisher nur wenig oder auch gar nichts gehört hatten, ist unsere Erwartungshaltung eher bescheiden. Das wird sich im Verlaufe der etwa 90 Minuten dauernden Führung deutlich ändern.

Plan des Bergwerks mit den rot gekennzeichneten Besucher-Strecken. Foto: Peter Weckbrodt

Plan des Bergwerks mit den rot gekennzeichneten Besucher-Strecken. Foto: Peter Weckbrodt

Hufeisennase drückt sich in der Grube statt auf Waldschlößchenbrücke herum

Jahreszeitgemäß sind wir bereits etwas wärmer gekleidet, so dass uns die +8 Grad Celsius, die ganzjährlich im Bergwerksmuseum herrschen, wenig anhaben können. Der Zugang zum Stolleneingang ist recht unauffällig hinter dem Bahndamm verborgen. Nach einem „Glückauf!“-Willkommensgruß durch unseren Führer passen wir den obligatorischen Schutzhelm unserer Kopfgröße an. Noch vor dem Mundloch entdecken wir an der ehemaligen Waschkaue der Grube mehrere Schlafkästen. Die gehören der – für alle Dresdner legendären, weil an der Waldschlößchenbrücke nie gesichteten – nur 5 cm großen Kleinen Hufeisennase. Die fühlt sich im stockdunklen Bergwerk fledermauswohl, sie braucht ja auch keine Grubenlampe. An die 40 Exemplare dürften, so unser Führer, hier sesshaft sein.

In der ehemaligen Waschkaue und in den Nistkästen der Außenwand schläft die Kleine Hufeisennase. Foto: Peter Weckbrodt

In der ehemaligen Waschkaue und in den Nistkästen der Außenwand schläft die Kleine Hufeisennase. Foto: Peter Weckbrodt

Berg schluckte drei russische Kriegsgefangene

Wir marschieren die frühere Hauptförderstrecke leicht bergab, erfahren zunächst mehr über die Geschichte des Kalkbergwerkes. Seit der Zeit um 1400 wird vermutlich in Miltitz Kalk abgebaut. Die erste urkundliche Erwähnung eines Tagebaus datiert auf 1571. Dann ruhte der Abbau über Jahrhunderte, erst um 1800 ging es richtig zur Sache, sowohl als Tagebau wie auch im Untertagebetrieb. Im Jahre 1916 brach der Tagebau ein, große Gesteinsmassen verschütteten Teile des Bergwerks. Ein deutscher Bergmann und drei mit ihm arbeitende russische Kriegsgefangene wurden verschüttet. Sie fanden für immer im Berg ihr Grab.

Aus der Pulverkammer ist ein stimmungsvoller Versammlungs und Feierraum entstanden. Foto: Peter Weckbrodt

Aus der Pulverkammer ist ein stimmungsvoller Versammlungs- und Feierraum entstanden. Foto: Peter Weckbrodt

Wehrmacht-Benzinfabrik ging nie in Betrieb

Um das Jahr 1923 gingen die Vorräte an Kalkgestein zu Ende, 1928 war endgültig Schluss. Inzwischen war ein zweites Bergwerk ebenfalls in Miltitz, der „Alte Wiesenstolln“, getäuft worden. Das versorgte bis 1962 das Stahlwerk Riesa und andere Betriebe mit gelöschten und ungelöschten Kalk als Zuschlagstoffe. Ein Intermezzo eigener Art fand 1944/45 statt, also kurz vor Kriegsende. Die Wehrmacht versuchte, im Bergwerk eine unterirdische Benzinfabrikation mit Hilfe von Kriegsgefangenen unter härtesten Bedingungen aufzubauen. Das misslang aber, die Anlagen wurden nicht fertiggestellt.

Inzwischen hat uns der Führer über die geologischen Verhältnisse im Wilsdruff-Nossener-Schiefergebirge aufgeklärt, uns den Kalkstein in dessen verschiedensten Färbungen und auch Härtegraden auftretenden Kalkstein gezeigt. Sogar richtigen Marmor, gebrochen und tadellos geschliffen, können wir bewundern. Volkswirtschaftliche Bedeutung erlangte dieser schwarze Marmor aber ebenso wenig wie die Ockerlinsen, die wir entdecken.

Bis zu 63 Meter tief wird im kristallklaren Wasser getaucht. Foto: Peter Weckbrodt

Bis zu 63 Meter tief wird im kristallklaren Wasser getaucht. Foto: Peter Weckbrodt

Taucher im kristallklaren Wasser

Dann sehen wir das hier im Berg zwangsläufig anstehende Wasser. Es ist kristallklar, absolut sauber. Eine Dresdner Tauchgruppe, aber auch Taucher aus Polen und Tschechen, haben für sich hier ein Paradies gefunden. Bis in 63 Meter Tiefe gehen sie hinab auf windungsreichen, durch Seilführungen gesicherten Wegen.

Don-Kosaken singen untertage

Dann sind wir überwältigt von der Farbenpracht des Gesteins, der beim Abbau zur Firstsicherung stehengelassenen Pfeiler. Dazu kommt die unglaubliche Akustik in diesen hallengroßen Schnittstellen früher betriebener Stollen. Das ist ein Superkonzertsaal, und er wird auch so genutzt. Sogar der Don-Kosaken-Chor hat hier schon die Gäste mit seinem Stimmenvolumen beeindruckt. Am 27. Dezember hat hier Thomas Stelzers Gospel Crew ihren Auftritt.

Dann geht’s in die ehemalige Pulverkammer. Aus ihr ist inzwischen ein recht stimmungsvoller Veranstaltungsraum geworden. Hier feiern Betriebe zu besonderen Anlässen, auch eine Hochzeitsgesellschaft war schon da. Am 21. und 22. November gastiert das Wander-Marionetten-Theater Dombrowsky mit „Tischlein deck dich“.

Felswasser fürs Freibad

An der Wand entdecken wir einen Kreidestrich, der den Wasserstand im Bergwerk beim August-Hochwasser 2002 markiert. Die nahe Triebisch, in die noch heute das Bergwerk entwässert wird, drückte damals mit ihren Wassermassen in den Berg hinein. Andererseits gibt das Bergwerk regelmäßig im Sommer während jeder Badesaison bis zu 8000 Kubikmeter sauberstes Wasser, das nicht gechlort werden muss, an das nahe Freibad ab.

Voller neuer Eindrücke verlassen wir das Museumsbergwerk. Ein Stück Kalkstein geht als Souvenir mit. Autor: Peter Weckbrodt


Altes Kalkbergwerk Miltitz, 01665 Klipphausen, OT Miltitz-Roitzschen, Talstraße 18a

Führungen: April bis Dezember sonn- und feiertags 13.30 Uhr, Gruppen ab 8 Personen nach Anmeldung unter Tel.: 035204/21721 ganzjährig täglich möglich;

Eintritt Erw. 5 Euro, Erm. u. Kinder 3 Euro.

Mehr Infos im Netz hier: www.kalkbergwerk.de; E-Mail-Kontakt: anfrage@kalkbergwerk.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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