Wirtschaft

Europas Chipindustrie rückt enger zusammen

Die Chip-Allianz "Silicon Europe" ist gewachsen: Zur Halbleitermesse "Semicon Europe" in Dresden rückten die neuen und "alten" Cluster-Partner zusammen. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Chip-Allianz „Silicon Europe“ ist gewachsen: Zur Halbleitermesse „Semicon Europe“ in Dresden rückten die neuen und „alten“ Cluster-Partner zusammen. Foto: Heiko Weckbrodt

Partner treten zur Semicon in Dresden der Cluster-Allianz „Silicon Europe“ bei

Dresden, 6. Oktober 2015. Die europäische Mikroelektronik rückt enger zusammen: Weitere Hightech-Cluster aus Italien, Irland, Spanien, Großbritannien, Griechenland und Frankreich sind der Allianz „Silicon Europe“ beigetreten. Die vernetzt nun insgesamt zwölf Hochtechnologie-Regionen mit insgesamt 2000 Unternehmen und Forschungsinstituten aus der Halbleiter-Industrie und verwandten Branchen – und soll für mehr Schlagkraft Europas im internationalen Wettbewerb sorgen. Das teilte der neugewählte „Silicon Europe“-Vorsitzende Peter Simkens heute zum Auftakt der Halbleitermesse „Semicon Europe 2015“ in Dresden mit.

Der neue „Silicon Europe“-Vorsitzende Peter Simkens sieht gute Chancen, dass Europas Mikroelektroniker gemeinsam Technologieführerschaften aufbauen können. Foto: Heiko Weckbrodt

Der neue „Silicon Europe“-Vorsitzende Peter Simkens sieht gute Chancen, dass Europas Mikroelektroniker gemeinsam Technologieführerschaften aufbauen können. Foto: Heiko Weckbrodt

Verbund soll Technologietransfer, Kapital-Akquise und Export fördern

Zugleich stellten die Allianz-Partner ein Strategiepapier vor, das Wege aufzeigen soll, wie „die Fragmentierung der europäischen Wirtschaft“ überwunden werden könne. Darin fordern sie unter anderem einen besseren Wissenstransfer zwischen den Unternehmen und Instituten innerhalb der Verbundes, wollen kleine und mittelständische Technologie-Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung und beim Ausbau ihrer internationalen Aktivitäten unterstützen. „Unter den insgesamt über 2000 Partnern sind 75 Prozent kleine oder mittelständische Unternehmen“, betonte der Dresdner Cluster-Manager Frank Bösenberg. „Sie sind unsere Kernzielgruppe.“

Video: Roboter-Impressionen von der Semicon (hw):

Europas Mikroelektronik hat nur noch 6 % Weltmarktanteil

Das Problem dahinter ist kein neues und beschäftigt Wirtschaftspolitiker wie Mikroelektroniker schon lange: Im internationalen Wettbewerb hat die europäische Halbleiter-Industrie ins Hintertreffen geraten, hat Boden an die Cluster in Asien und den USA verloren. „Nur noch acht der 100 größten Hochtechnologie-Unternehmen stammen aus Europa“, zitiert „Silicon Europe aus einer Studie der US-Unternehmens-Beratung „A. T. Kearny“. Nur noch in Nischenmärkten und ausgewählten Technologien spielen Akteure aus Europa eine führende Rolle.

Den technologischen Spitzentakt geben heute Branchenriesen aus den USA (vor allem Intel), Korea (Samsung) und Taiwan (TSMC) vor. Dagegen sind Unternehmen wie Qimonda, die lange noch in der obersten Liga mitspielten, inzwischen per Pleite aus dem internationalen Konzert ausgeschieden. Laut den Analysten von „IC Insights“ hat Europa nur noch sechs Prozent Marktanteil an der weltweiten Chipproduktion. Die EU-Kommission geht zwar von einem etwas höheren Wert aus (10 %), ist aber auch der Meinung: Eingedenk der Tatsache, wie systembestimmend Mikro- und Nanoelektronik für die Konkurrenzfähigkeit vieler anderer europäischer Industrieprodukte ist, muss dieser Anteil erhöht werden.

Sächsische Unternehmen wie HAP und Ortner haben sich auf die Adaption von Robotern für die Automatisierung von deutschen Chipabriken spezialisiert - und wollen damit nun auch international punkten. Foto: Heiko Weckbrodt

Sächsische Unternehmen wie HAP und Ortner haben sich auf die Adaption von Robotern für die Automatisierung von deutschen Chipabriken spezialisiert – und wollen damit nun auch international punkten. Foto: Heiko Weckbrodt

Führungspositionen in der Nische

Die hiesige Halbleiter-Industrie habe durchaus auch Führungspositionen, betonte EU-Kommissions-Vertreter Willy van Puymbroeck auf der „Semicon“. Das gelte zum Beispiel für Mikroelektromechanische Systeme (MEMS), Leistungs-Halbleiter und Chipfabrik-Ausrüstungen. Diese Kompetenzen gelte es aber besser zu vernetzen, um robuste und konkurrenzfähige Wertschöpfungsketten zu etablieren.

Auch Italiener, Iren, Spanier, Briten, Griechen und Briten wollen mitmachen

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf hatten sich – vor allem auf Betreiben der Sachsen – bereits vor drei Jahren Vertreter der Hightech-Cluster Silicon Saxony (Dresden/Deutschland), DSP Valley (Leuven/Belgien) und High Tech NL (Eindhoven/Niederlande) und Minalogic (Grenoble/Frankreich) zu „Silicon Europe“ zusammengeschlossen, später kamen noch BCS NL (Nijmegen/Niederlande) und me2c (Kärnten/Österreich) hinzu.

Nun haben sich mit Distretto Green & High Tech (Italien), MIDAS (Irland), GAIA (Spanien), NMI (Großbritannien), mi-Cluster (Griechenland) und SCS (Frankreich) weitere Partner dieser Allianz angeschlossen. „In den letzten drei Jahren haben wir lebendige und belastbare Partnerschaften initiiert, die die Technologieführerschaft Europas maßgeblich stärken“, schätzte Peter Simkens – dies wolle man nun breiter ausbauen. EU-Vertreter Van Puymbroeck zeigte sich optimistisch: „Europa hat den Willen und die Kraft sich als weltweiter Technologieakteur zu behaupten.“

Eurofoundry-Projekt verläuft im Sande

Weitgehend im Sande versickert sind allerdings die insbesondere in Sachsen geschmiedeten Pläne, eine „Euro-Foundry“ zu etablieren. Die sollte Chips in Spitzentechnologien auf dem Niveau von Intel, TSMC und Samsung als Auftragsfertiger für die gesamte europäische Industrie bereitstellen – möglicherweise auch auf neuen 450-Millimterer-Wafern. Angesichts der immensen Milliarden-Investitionen und der abgesteckten Reviere ist dieses Projekt aber (bisher) gescheitert. Autor: Heiko Weckbrodt

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