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Gewinnspiel-Betrüger verlegen sich zunehmend auf Inkasso-Abzocke

Verbraucherschützerin Cornelia Hoyer zeigt im beratungszentrum Dresden eines der betrügerischen Inkasso-Schreiben, mit denen die Berater immer öfter zu tun bekommen. Foto: Heiko Weckbrodt

Verbraucherschützerin Cornelia Hoyer zeigt im beratungszentrum Dresden eines der betrügerischen Inkasso-Schreiben, mit denen die Berater immer öfter zu tun bekommen. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner Verbraucherschützer: Bei uns kommt nur Spitze des Eisberges an

Dresden, 21. Januar 2015: Dubiose „Geschäftsleute“ und Betrüger lassen sich immer neue Maschen einfallen, um die deutschen Gesetze gegen windige Gewinnspiele und Telefonwerbung zu unterlaufen – und insbesondere Senioren um deren Geld zu prellen. Trotz des Anti-Abzocke-Gesetzes bleibt unerwünschte und unlautere Telefonwerbung ein Ärgernis“, berichtet die Dresdner Beratungszentrum-Leiterin Regina Döhnert von der Verbraucherzentrale Sachsen. Dabei seien die Beschwerden, die im Dresdner Zentrum eingingen, wahrscheinlich „nur die Spitze des Eisberges“. Zudem versuchen anonyme Betrüger in wachsendem Maße, vor allem Senioren durch gefälschte Inkasso-Anschreiben, -Telefonate und E-Mails einzuschüchtern. „Die Verbraucher berichten uns oft von Anrufen vermeintlicher Inkassobüros, die angeblich ausstehende Außenstände eintreiben wollen.“

„Europa Inkasso“ droht Senioren mit Zwangsvollstreckung

So bekam beispielsweise ein Dresdner Ehepaar im Ende November 2014 eine „Zwangsvollstreckung“ einer „Europa Inkasso GmbH“ zugesandt, in der diese 200,95 Euro für angebliche Schulden der Dresdner bei einer „SBAA Telekommunikations GmbH“ einforderte. Sollten die Empfänger nicht binnen einer Woche zahlen, werde man Außendienst-Mitarbeiter vorbeischicken und danach eine Zwangsvollstreckung durch das Amtsgericht einleiten.

Bulgarische Kontonummer, Adresse in Berliner Gewerbegebiet

Das Kürzel "BG" (rote Markierung in der IBAN-Nummer verrät ein blugarisches Konto. Repro: hw

Das Kürzel „BG“ (rote Markierung in der IBAN-Nummer verrät ein blugarisches Konto. Repro: hw

Nicht nur, dass der Brief von Rechtschreib- und Grammatik-Fehlern wimmelt, auch die aus dem IBAN-Code ersichtliche bulgarische Konto-Nummer gibt natürlich für ein angeblich in Berlin ansässiges Inkasso-Unternehmen zu denken. An der angegebenen Adresse „Billy-Wilder-Promenade 40“ findet man in Berlin nur einen barackenähnlichen Flachbau in einem Gewerbegebiet. Zudem haben Recherchen von Verbraucherschützern und der Bundesnetzagentur ergeben, dass die genannte Firma in keinem einschlägigen deutschen Gewerberegister eingetragen ist. Nicht zuletzt erzeugen die Absender mit der Überschrift „Zwangsvollstreckung“ den irrigen Eindruck, sie hätten einen entsprechenden Titel bei einem Gericht erwirkt.

Angeblicher Telefonwerbe-Blocker unterdrückte nur Fax vom Staatsanwalt

Das Krönung ist aber der Streitgegenstand, der hier gar nicht erwähnt ist, bei dem es sich aber meist letztlich um einen angeblich bestellten Anrufblocker handeln soll. Der soll angeblich unerwünschte Telefonwerbung abblocken, ist aber „in Wirklichkeit ein völlig unnützes Gerät“, wie die Dresdner Verbraucherschützerin Cornelia Hoyer aus Fällen weiß, in denen eingeschüchterte Opfer tatsächlich bezahlt haben und wohl das Aggregat teils sogar geliefert bekamen. „In einem Fall war als einzige blockierte Nummer das Fax-Gerät einer Staatsanwaltschaft eingetragen“, erzählt sie.

Abzocker suchen sich oft Opfer mit „alten“ Vornamen im Telefonbuch heraus

An die Adressen ihrer Opfer gelangen die Betrüger oft, weil die Betroffenen irgendwann einmal an Gewinnspielen oder Kaffeefahrten teilgenommen haben. Manchmal suchen sie sich auch einfach in Telefonbüchern Adressen von Menschen mit Namen wie „Waltraut“ heraus, die auf Rentner schließen lassen – in der Annahme, dass Senioren leichter einzuschüchtern sind. „Oft handelt es sich bei den Absendern um dieselben Briefkastenfirmen, die früher ominöse Gewinnspiele verbreitet haben“, sagt Cornelia Hoyer.

Zwei Drittel mehr Verbraucheranfragen im Beratungszentrum Dresden

Regina Döhnert geht nach 25 Jahren in Rente, nun leitet der Jurist Robert Hoyer das Beratungszentrum Dresden der Verbraucherzentrale Sachsen. Foto: Heiko Weckbrodt

Regina Döhnert geht nach 25 Jahren in Rente, nun leitet der Jurist Robert Hoyer das Beratungszentrum Dresden der Verbraucherzentrale Sachsen. Foto: Heiko Weckbrodt

Insgesamt hat allein das Beratungszentrum Dresden im Jahr 2014 rund 51.100 Anfragen besorgter Verbraucher gehabt – zwei Drittel mehr als im Vorjahr. Darunter waren freilich nicht nur Opfer von Trickbetrügern, sondern vor allem auch viele Verbraucher, die sich wegen Haustürgeschäften, ungünstigen Telefonverträgen, Abmahnungen wegen tatsächlich oder vermeintlich illegaler Downloads im Internet, Kreditgebühren, Mietfragen und dergleichen mehr an die Verbraucherschützer wandten. „Einfach Probleme lösen die Leute heutzutage oft selbst, indem sie im Internet googeln“, hat Regina Döhnert beobachtet. „Zu uns kommen die Leute dagegen zunehmend mit komplexeren Problemen, mit denen nicht nur Senioren, sondern auch Jüngere überfordert sind.“

Jurist Hoyer übernimmt Leitung

Regina Döhnert selbst wird übrigens die weitere Entwicklung allerdings von daheim aus im Auge behalten: Nach 25 Jahren als Verbraucherschützerin – davon fast 20 Jahren als Zentrumsleiterin – übergibt die 65-Jährige die Amtsgeschäfte nun an ihren Nachfolger: An dem 1. Februar 2015 leitet der 39-jährige Jurist Robert Hoyer das achtköpfige Team im Beratungszentrum am Fetscherplatz. Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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