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„Das alte Europa am Vorabend seines Untergangs“

Die deutsche Zeppeline greifen an! Ausschnitt aus dem britischen Kurzfilm "Airship Destroyer" von1909. Abb.: Absolute Medien

Die deutsche Zeppeline greifen an! Ausschnitt aus dem britischen Kurzfilm „Airship Destroyer“ von1909. Abb.: Absolute Medien

Wie die Briten 1908 Marschflugkörper gegen hunnische Zeppeline sandten

Eine britische Kleinstadt gerät in Panik: Deutsche Kriegs-Zeppeline tauchen am Horizont auf, die „Hunnen“ mit ihren Pickelhauben werfen Bomben auf die friedliche Gemeinde. Auch ein eilends entsandter Panzerwagen mit Röhrengeschütz kann den Invasions-Flugschiffen nichts anhaben. Doch zum Glück hat ein findiger Tüftler im Ort eine Art Marschflugkörper gebaut, der sich den Weg zum nächsten germanischen Zeppelin sucht und ihn vom Himmel holt… Der siebenmintüge Kurzfilm „The Airship Destroyer“ wurde bereits 1909 gedreht, reflektierte die Angst der Briten vor einer kontinentalen Invasion durch die neuen Möglichkeiten der Luftkriegsführung – und nahm die Schrecken der späteren Weltkriege voraus.

"The Bond of Music" (USA, 1912) schmäht Intellektuelle, die nicht an allgegenwärtige deutsche Spione glauben wollen. "The Bond of Music" (USA, 1912) schmäht Intellektuelle, die nicht an allgegenwärtige deutsche Spione glauben wollen. Abb.: Absolute Medien

„The Bond of Music“ (USA, 1912) schmäht Intellektuelle, die nicht an allgegenwärtige deutsche Spione glauben wollen.  Abb.: Absolute Medien

Weltkriegs-DVD-Edition zeigt und kommentiert Propaganda-Clips aus der Stummfilmzeit

„Absolute Medien“ und das „Deutsche Filminstitut“ haben 100 Jahre nach Ausbruch des I. Weltkriegs nun „Airship Destroyer“ und 14 weitere zeitgenössische Stummfilme aus Großbritannien, den USA; Deutschland und anderen Kriegsteilnehmern in spe auf die DVD „Das alte Europa am Vorabend seines Untergangs“ gepresst – kommentiert vom Frankfurter Historiker Prof. Christoph Cornelißeb und vom Filmexperten Felix Schürmann.

Werbevideo (Absolute Medien):

Weitere Filmsammlungen geplant

Die Scheibe gehört zu einer mehrteiligen Serie „Erster Weltkrieg Archiv Edition“, die im „Jubiläumsjahr“ 2014 nach und nach seltene Dokumentarstreifen, Kurzspielfilme, Wochenschau-Beiträge aus der Zeit unmittelbar vor und während des I. Weltkriegs in digitalisierten und teils rekonstruierten Fassungen veröffentlicht.

I. Weltkrieg war auch 1. großer Propagandakrieg

Ausszug aus dem Kriegsspielzeug-Werbefilm "Hänschens Soldaten" der Puppen-Firma Steiff aus dem Jahr 1912. Abb.: Absolute Medien

Ausszug aus dem Kriegsspielzeug-Werbefilm „Hänschens Soldaten“ der Puppen-Firma Steiff aus dem Jahr 1912. Abb.: Absolute Medien

Der „große Weltenbrand“ von 1914 bis 1918 gilt vielen Experten als der erste größere Konflikt, in dem massenmediale Propaganda eine zentrale Rolle in der Kriegsführung zu spielen begann – durch Kinobeiträge (man denke etwa an die seinerzeit enorm erfolgreiche britische Propaganda-Doku „Die Schlacht an der Somme“), Zeitungen, Flugschriften bis hin zu Kriegsspielzeug. Das spiegelt sich auch in der Filmauswahl auf der ersten DVD der Weltkriegs-Edition. Da finden sich beispielsweise zwei Werbefilme der Teddy-Firma Steiff, die 1912 mit ihren Soldatenpuppen eine Art „Stopp-Motion“-Traum nach dem Motto „Lustig ist das Soldatenleben“ veröffentlichte.

Vorgeschmack auf den Maschinenkrieg

Andere Kurzfilme zeigen, dass sich der militärische Technologie- und Taktik-Wandel, der den I. Weltkrieg schon in den Augen der Zeitgenossen zu einem so schrecklichen Maschinen- und Blutzoll-Krieg machte, bei vorangegangenen kleineren Konflikten eigentlich schon abgezeichnet hatte: In Propagandafilmen über das italienische Afrika-„Abenteuer“ zum Beispiel sind bereits recht deutlich der Einsatz vom MGs, Stacheldraht, massiven Artillerie-Bombardements und Grabenkrieg zu sehen. Ein US-Kurzfilm von 1912 wiederum spiegelt die Spionage-Hysterie, die die Zeit damals so prägte.

Fazit: Faszinierend – auch tricktechnisch

Abb.: Absolute Medien

Abb.: Absolute Medien

Eine sehr interessante Kollektion von historischen Filmdokumenten, die heute außer wenigen Experten kaum noch einer kennt und die viel über den Zeitgeist kurz vor dem Ausbruch des „Großen Krieges“ erzählen. Ansehen sollte man sich die Sammlung aber unbedingt mit den Audio-Kommentaren der beiden Historiker, da sonst manches einfach nur verwirrend wirkt. Angesichts des Alters der Filme ist die Bildqualität recht anständig, wenngleich manche Clips offensichtlich irreparable Schäden davongetragen haben. Interessant ist die Kollektion im Übrigen nicht nur aus historischen Gründen, sondern auch mit Blick auf die Entwicklung der Filmtricktechnik: Es ist einfach lustig bis faszinierend zu sehen, wie die Filmemacher damals brennende Städte, Luftkampf-Sequenzen und dergleichen inszenierten. Autor: Heiko Weckbrodt

Das alte Europa am Vorabend seines Untergangs“ (Absolute Medien), DVD 1 der Weltkriegs-Archivedition, 14 Euro

 

Zum Weiterlesen:

Der tägliche Schrecken des Maschinenkrieges

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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