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„Unter den Bauern ein Comet am Himmel“

Johann Georg Palitzsch als Bauernastronom auf einem Stich von C.G. Schulze aus dem Jahr 1782. Repro: Palitzschmuseum

Johann Georg Palitzsch als Bauernastronom auf einem Stich von C.G. Schulze aus dem Jahr 1782. Repro: Palitzschmuseum

Tod des Bauernastronomen Palitzsch vor 225 Jahren wurde in ganz Europa betrauert

Dresden, 21. Februar 2013: Heute vor 225 Jahren starb der Bauernastronom Johann Georg Palitzsch (11. Juni 1723 bis 21. Februar 1788) eben dort, wo er ein Leben lang schuftete und forschte: in Prohlis, das damals noch ein Kuhdorf nahe Dresden war. Sein Tod stieß weit über die Landesgrenzen hinaus auf bedauerndes Echo, Todesanzeigen und Würdigungen erschienen in Publikationen europaweit. „The Scotts Magazin“ zum Beispiel vermeldete den Tod „eines der größten Astronomen unserer Zeit“, auch Zeitungen in Frankreich, Holland und England war der Fiebertod des Prohliser Autodiakten Meldungen wert. Die „Deutsche Zeitung“ erinnerte mit den lyrischen Worten „Die Hand am Pflug, der Geist hoch übern Sternenzelt: Der Fuß im Erdenstaub, das Herz in jener Welt“ an den umtriebigen Bauern.

Schon zu Lebzeiten galt Palitzsch vielen Zeitgenossen als Ausnahmeerscheinung und als zutiefst erdverbundener und freundlicher Zeitgenosse – trotz seines wachsenden Ruhms nach der Wiederentdeckung des Halleyschen Kometen im Jahr 1758. „Nicht weit von Dresden lebt ein Bauer, der unter den Bauern beynahe eine eben so seltene Erscheinung ist, als ein Comet am Himmel“, berichtete zum Beispiel in Sir Georg R. 1779 in einem Brief an einen Freund. „Dieser Bauer hat sich durch eigenes Nachdenken und durch fleißiges Lesen gründlicher Schriften sehr ausgebreitete und richtige astronomische, medicinische und philosophische Kenntnisse erworben.“

In einem anderen Brief, der jetzt vom Palitzschmuseum per „Google Books“-Recherche in einem alten Buch ausgegraben wurde, erzählte der preußische Feldprediger Georg Daniel Hanisch von seiner Visite 1778 bei Palitsch. Er schilderte ihn als bescheiden gekleideten Landmann, der gerade zum Acker aufbrechen wollte, doch sich sofort Zeit für den Gast nahm, ihm seine selbst gefertigten Forschungsapparate zeigte, ihm Rede und Antwort stand – und dann zur Feldarbeit zurückkehrte.

Tagsüber rackern, nachts lesen

Palitzsch war nach eigenem Bekunden „der reichste, wohlhabendste Mann im ganzen Dorfe“, sein Alltag war ungeachtet seiner Forschungen und seiner Korrespondenzen mit „Profi-Gelehrten“ aus Nah und Fern vom bäuerlichen Tagesablauf geprägt, wie man den Quellen entnehmen kann. Ob er viele Knechte und Mägde hatte, ist nicht bekannt, wohl aber, dass er sich wohl auch im Alter noch selbst um die Feldarbeit kümmerte.

Ab dem elften Jahre „Bemerkungsgeist in sich gefühlt“

Auf die Frage des Predigers Hanisch, wie er denn zur Wissenschaft gekommen sei, antwortete Palitzsch bezeichnenderweise: „Schon in seinem elften Jahre habe er einen Bemerkungsgeist in sich gefühlt; seine Eltern aber, die diesen Bauerhof auch besessen hätten, wären anfänglich ihm in seinen Bemühungen mehr hinderlich als förderlich gewesen, bis sie endlich gemerkt hätten, daß davon mindestens Ehre zu erwarten sei. Bei seiner Landarbeit habe er die Nächte angewendet, sich die nöthigen Kenntnisse durch Lesen zu erwerben“ – ein Autodidakt durch und durch eben.

Heute erinnert in Dresden an das Leben dieses universell interessierten Mannes, der in seiner Heimat unter anderem auch die Kartoffel und den Blitzableiter einführte, das Palitzschmuseum Prohlis. Es befindet sich im letzten Bauernhof, der vom alten Dorf Prohlis übrig blieb, nachdem dort Anfang der 1980er Jahre ein großes Plattenbauviertel gebaut wurde. Im 225. Todesjahr von Palitzsch will das Museum unter anderem seine Dauerausstellung über den Bauernastronomen komplettieren. In diesem Zuge soll ein 14.000 Euro teures Digitalplanetarium auf der Basis der Software „Stellarium“ entstehen, dass den Sternenhimmel zu Palitzsch’ Zeiten, aber auch das Firmament in ferner Vergangenheit und Zukunft zeigen kann – natürlich inklusive des Halleyschen Kometen.

Palitzschs Hof selbst ist nicht erhalten. Aus Briefen und einer alten sächsischen Militärkarte lässt sich schlussfolgern, dass der Bauernastronom wohl eine eigene Sternwarte mit einem 15 Fuß (rund fünf Meter) großen Teleskop an seinen Hof angebaut hatte, mit dem ihm 1758 wohl auch sein größer Streich gelang: die Wiederentdeckung des von Edmond Halley in seiner Flugbahn berechneten Planeten, was Newtons damals noch recht junge Gravitationstheorie untermauerte. Heiko Weckbrodt

Kontaktdaten des Palitzschmuseums hier

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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