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Ex-Robotroner helfen Saudi-Wächtern elektronisch beim Kampf gegen „Sittenverfall“

Elektronische Schlösser und Überwachungsboxen aus Sachsen helfen den Saudis bei der Kontrolle des Transitverkehrs. Abb.: ECD

Elektronische Schlösser und Überwachungsboxen aus Sachsen helfen den Saudis bei der Kontrolle des Transitverkehrs. Abb.: ECD

Dresdner Sicherheitsboxen versiegeln Transit-Laster im Arabien

Dresden, 7.5.2012: Unkaputtbare elektronische Sicherungstechnik von „Electronic Components Dresden“ (ECD) unterstützt Sittenwächter in Saudi-Arabien im Kampf gegen Schmuggel und „unislamische“ Bedrohungen wie Porno und Alkohol: Rund 6000 „Sercam“-Schlösser haben die Saudis bisher bei den Dresdner Ex-Robotronern gekauft, um ausländische Laster daran zu hindern, vom Pfad der Tugend und der Transitstraßen abzukommen. Nun will ECD die „Sercam“-GPS-Boxen auch als Diebstahlsicherungen auf dem deutschen Massenmarkt anbieten.

Auch 4-Tonnen-Bagger zwang ECD-Boxen nicht in die Knie

„Hier, versuchen Sie mal, die kaputt zu machen“, hält ECD-Entwicklungschef Enrico Dittmeyer dem Besucher ein schwarzes Kunststoffgehäuse hin. Der zerrt und zieht – und nichts passiert. Kein Wunder: Die kaum kinderschuhgroße „Sercam“-Box ist als Inbegriff deutscher Härte im arabischen Wüstensand gebaut, sie soll Diebe und Schmuggler abhalten und 70 Grad im Schatten widerstehen. Um die Kunden zu überzeugen, sind die ECD-Ingenieure mit Oberklasse-Autos drübergefahren, haben die Box mit dem Hammer malträtiert, schließlich gar einen Vier-Tonnen-Bagger darauf rollen lassen – das Gerät funkte weiter und brach nicht.

„Sercam“ war ursprünglich eine Idee der Chemnitzer Firma IBES, die von der ECD zur Serienreife weiterentwickelt wurde und – in der zweiten Generation – vom Dresdner Prototypenzentrum mit der superharten Schale gepanzert wurde. Der saudische Zoll orderte das Gerät, um den Transitverkehr durch das arabische Königreich zu kontrollieren.
Das Procedere: An der königlichen Grenze schieben die Wächter die Box aus Sachsen in den Brummi, der dann versiegelt und mit einem elektronischen Schloss gesichert wird, wie ECD-Vertriebsbeauftragter Sebastian Sennewald berichtet.

ECD-Entwicklungschef Enrico Dittmeyer

ECD-Entwicklungschef Enrico Dittmeyer. Abb.: hw

„Die Technik hätte die Stasi bestimmt auch gern gehabt“

Schloss und Box sind per Funk und Sensoren gekoppelt. Würde der Lasterfahrer unterwegs versuchen, etwa Schnaps, Drogen oder eine Ladung Porno-Hefte für die Moslems abzuladen oder von der genehmigten Route abzuweichen, schlägt die mit einem GPS-Sender ausgestattete Box sofort Alarm – und meldet dies dem zentralen Überwachungszentrum in der Hauptstadt Riad, wo Wächter auf großen Bildschirmen die Bewegungen aller Transit-Brummis im Königreich verfolgen. „Die Technik hätte die Stasi bestimmt auch gern gehabt“, meint Dittmeyer.

Und die Saudis verstehen ähnlich wie einst die Stasi keinen Spaß, selbst bei kleinsten Regelverstößen: „Wir haben dort an der Grenze mal einen total versandeten Laster gesehen“, erzählt der Chefentwickler. „Der stand da schon zwei Jahre da: Eine Kleinigkeit in den Papieren hatte nicht gestimmt, da musste der Fahrer seinen Lkw abschreiben – pure Willkür, wenn Sie mich fragen.“

Sercam-Boxen werden nun auch in Deutschland verkauft – als Diebstahlsicherungen

Inzwischen hat ECD die Technik miniaturisiert und so verfeinert, dass sie auch für den deutschen Massenmarkt geeignet erscheint – ohne königliche Gängeleie. Anbieten wollen die Dresdner die Sercam-Boxen privaten Autofahrern, Transportfirmen, Schrotthändlern und anderen, die stets wissen wollen, wo ihr Fahrzeug umherkurvt. Dazu hat ECD der Box neben GPS-Modul und weiterer Elektronik einen Handy-Chip verpasst. Der schickt dem Autohalter eine SMS, wenn der Wagen einen vorher definierbaren „elektronischen Gartenzaun“  verlässt, zum Beispiel mit einem Autodieb am Steuer gerade gen Osten rollt.

Am Anfang stand das Kabelschneiden für DDR-Computer

Ingenieur Siegbert Fröbel testet ein LED-Leuchtpaneel, das ECD derzeit entwickelt. Abb.: hw

Ingenieur Siegbert Fröbel testet ein LED-Leuchtpaneel, das ECD derzeit entwickelt. Abb.: hw

Für diese Eigenentwicklungen kamen den Dresdnern jahrelange Erfahrungen in der Elektronik-Auftragsfertigung zu Gute: Einst schnitten sie im DDR-Computerkombinat Robotron die Datenkabel für Großrechner zusammen, nach der Wende übernahm Siemens diese Abteilung. 1997 machten sich die Ex-Robotroner als ECD selbstständig und bauten neben der Kabelkonfektion die Leiterplatten-Bestückung im Kundenauftrag auf. Die Qualität der Dresdner überzeugte und so wuchs die Firma: Von anfänglich 17 Mitarbeitern in Übigau auf nun 50 Spezialisten im neuen Stammsitz in Gittersee, die im vergangenen Jahr 2,9 Millionen Euro Umsatz realisierten – 31 Prozent mehr als im Jahr 2009.

Ab 2013 plant ECD den Bau einer weiteren, 1,2 Millionen Euro teuren Fertigungshalle. Die soll Kapazitäten für die neuen Eigenprodukt-Linien schaffen, für die Sercam-Sicherungen und für ein neues Geschäftsfeld: LED-Leuchtpaneele für Büros, die sich per Computertelefon (Smartphone) in Helligkeit, Farbtemperatur und Ambiente fernsteuern lassen. „Da sind wir aber noch mitten in der Entwicklung“, betont Dittmeyer.

Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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