Kommentar & Glosse
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Der Prozessor, das fremde Wesen

Abb.: Intel

Das Faszinierende am Mikroprozessor ist, was hinten raus kommt: Sicher auch Sch…öner Unsinn. Aber oft genug versteht es dieses kleine Plättchen Silizium im schwarzen Kunststoffmantel uns vorzugaukeln, es könne denken. Das Teil treibt iPhones dazu, mit uns zu reden, prphezeit in unscheinbaren Blinkerkästen das Wetter (mehr oder minder zutreffend), lässt uns in SciFi-Filmen nicht wieder in die Luftschleuse und lässt uns in Videospielen Leben leben, für die wir eigentlich viel zu feige sind.

Natürlich hat das alles nichts mit echten Denken zu tun, mit Wundern oder gar einem göttlichen Funken. Was da hinten rauskommt, kann man alles ingenieneurtechnisch, mathematisch und physikalisch erklären. Doch wer ist eigentlich „man“? Ich wage zu bezweifeln, dass es heute noch auch nur einen Menschen gibt, der diese ganze Prozesskette vom ersten tunnelnden Elektron bis zum Spezialeffekt im Hollywood-Film wirklich haarklein erklären kann. Ich kann es jedenfalls nicht. Bei meinem ersten Heimcomputer (ein Atari 800 XL – Friede seiner Leiterbahnen) war das noch anders. Da wusste ich, welches Register geladen wird, wenn ich diesen oder jenen Assemblerbefehl eingab, welche binäre Rechenoperationen ausgelöst wurde, wie aus Programmzeilen Farbe auf dem Bildschirm wurde. Bei meinem ersten PC wusste ich schon nur noch vage, was in so einem 386er-Prozessor vorgeht und spätestens beim Pentium bin ich ganz ausgestiegen.

Seitdem habe ich immer so ein unangenehmes Gefühl im Hinterkopf. Es ist wie eine persönliche Schmach, nicht zu wissen, warum genau eine Maschine zu dieser oder jener Leistung im Stande ist. Nicht mehr wie bei einer zweibel Schale für Schale abziehen zu können, um bis zum Kern vorzustoßen. Vielleicht habe ich ja zu viele Science-Fiction-Romane gelesen, aber ich frage mich dann immer, ob wir es wohl überhaupt noch erkennen würden, wenn diese Siliziumklumpen irgendwann anfangen würden, wirklich zu denken… Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Der Mikroprozessor wird 40

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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