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Elektronische Leuchtfeuer im Offline-Laden

Beacons sind Mini-Sender, die zum Beispiel in Geschäften installiert werden, um spezielle Apps auf Kunden-Smartphones zu aktivieren. Foto: Comarch

Beacons sind Mini-Sender, die zum Beispiel in Geschäften installiert werden, um spezielle Apps auf Kunden-Smartphones zu aktivieren. Foto: Comarch

„Beacons“ sollen stationärem Handel ein Kunden-Tracking à la Internet ermöglichen

Hannover/München/Dresden, 26. Februar 2015. Im Internet ist der gläserne Kunde längst Realität: Wer nicht ausdrücklich Gegenmaßnahmen ergreift und zum Beispiel die „Cookies“-Funktion in seinem Browser deaktiviert, wird bei seinen Wanderungen durchs Netz im Hintergrund von Online-Händlern und anderen Akteuren verfolgt – um dem potenziellen Kunden bei der nächsten Gelegenheit maßgeschneiderte Lockwerbung zu präsentieren, ihn oder sie zu bestimmten Online-Läden zu lotsten. Verweilt beispielsweise eine Surferin längere Zeit auf einem Mode-Blog, muss sie sich nicht wundern, wenn ihr auf einem ganz anderen Netzportal später Klamotten-Anzeigen entgegenspringen, während für den männlichen Besucher an der gleichen Stelle vielleicht Actionspiele eingespiegelt werden. Dieses „Tracking“ aus der Online-Welt soll nun auch in der Offline-Welt, im stationären Einzelhandel Einzug halten – über kleine elektronische „Leuchtfeuer“, sogenannte „Beacons“.

Droht ein digitales Werbe-Trommelfeuer im Supermarkt?

Im Grundsatz handelt es sich dabei um Mini-Sender, die per Funk spezielle Apps auf Computertelefonen (Smartphones) anpingen. Die melden den Standort des Smartphone-Besitzers an einen Zentralrechner, der dann verfolgt, in welchem Beacon-Funkbereich der Kunde wie lange bleibt, wann er in eine andere Beacon-Funkzelle wechselt – und auch Werbung oder andere Nachrichten auf den Handy-Bildschirm senden kann.

In USA bereits 30.000 Beacons installiert

Solche Systeme sollen es Händlern ermöglichen, die Einkaufsgewohnheiten von Kunden ähnlich kleinteilig nachzuverfolgen wie im Internet: An welchem Regal verweilt der potenzielle Käufer im Elektronikmarkt? Vor welcher Fernseher-Präsentation bleibt er länger stehen? In welche Produktabteilung will dieser Kunde wahrscheinlich als nächstes? In den USA sind laut Angaben der Software-Firma „Comarch“ bereits rund 30.000 solcher „Beacons“ installiert. In Deutschland gibt es bisher nur einzelne Pilotprojekte. So haben die Bahn und die Werbemittel-Firma Ströer bereits einzelne Beacons im Düsseldorfer Hauptbahnhof installiert. Die in Dresden und München ansässige deutsche Tochter von „Comarch“ will nun aber solche Leuchtfeuer auch in der Bundesrepublik verbreiten und entsprechende Systeme auf der Computermesse „CeBit“ in Hannover (16.-20. März 2015) präsentieren.

Datenschutz-Debatte schon absehbar

Kai Brinckmeier. Foto: Comarch

Kai Brinckmeier. Foto: Comarch

Freilich ist auch den Entwicklern klar: Ob da deutsche Verbraucher und Datenschützer mitspielen, ist noch völlig ungewiss – man denke nur an die Datenschutzdebatten, die Googles mit seinen „Streetview“-Kameraautos in der Bundesrepublik ausgelöst hatte. „Die deutschen Kunden werden da nur mitmachen, wenn die Händler sie nicht mit Werbung bombardieren, sondern ihnen echte Mehrwerte durch die Beacons bieten“, meint Comarch-Manager Kai Brinckmeier. Zu denken sei zum Beispiel an zielgerichtete Rabatt-Angebote für Produkte, vor denen der Kunde gerade steht, Lagepläne durch ein Messegelände oder Orientierungshilfen in der Lampenfülle eines Baumarkts.

Ohne App geht gar nichts

Gegen den Willen der Verbraucher wird sich diese Technik jedenfalls nicht durchsetzen lassen. Denn die „Beacons“ sind sehr kleine Sender mit etwa drei Zentimetern Durchmesser, die lediglich auf kurze Distanzen bis maximal 30 Meter senden, aber nichts empfangen können. Sprich: Sie selbst können Kunden nicht orten, sondern sind darauf angewiesen, dass diese eine geeignete App auf ihrem iPhone oder Android-Smartphone installieren und ihr Einverständnis für die Beacon-Pings geben. Natürlich ist nicht damit zu rechnen, dass sich irgendjemand reine Werbe-Apps auf dem Telefon installiert. Die Idee ist vielmehr, dass sich die Nutzer die Apps beispielsweise ihrer Lieblings-Kaffeeketten oder -Klamottenläden herunterladen und dann einwilligen, dass die auch die kleinen Sender verwenden dürfen.

Comarch-Manager: Ob Kunden mitspielen, ist völlig ungewiss

„Aus der Händlerperspektive ist diese Technik auf jeden Fall spannend: So können sie zum Beispiel erkennen, welche Produktpräsentationen funktionieren und welche nicht“, meint Kai Brinckmeier. „Die Zukunft wird zeigen, in welcher Form Kunden die Beacons akzeptieren

Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt