Positionspapier: Bundesrepublik könnte damit 20 % ihres Erdgasbedarfs decken
Freiberg, 21. April 2022. Um sich unabhängiger von russischen Lieferungen zu machen, sollte Deutschland seine eigene Erdgasförderung ausweiten und dabei auch das Fraktur-Verfahren („Fracking“) einsetzen. Das haben sächsische Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter aus Freiberg und Chemnitz gefordert. Dadurch könne die Bundesrepublik rund 20 Prozent seines Erdgasbedarfs künftig selbst decken – statt nur zu sechs Prozent wie bisher.
Autoren: Kritik am Fracking ist oft unsachlich
Die deutsche Fracking-Technologie sei sicher und werde insbesondere im sächsischen Freiberg gut beherrscht. Die Kritik am Fracking sei teils unsachlich und von Vorurteilen geprägt, unterstreichen die Bergakademie Freiberg, die Industrie- und Handelskammer (IHK) Chemnitz und das Geokompetenzzentrum (GKZ) Freiberg in einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Titel „Deutsches Erdgas intensiver nutzen“.
Wenn Russland den Gashahn zudreht, drohen „teils irreversible Schäden“
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Konsequenzen stellen die deutsche Energiepolitik schonungslos auf den Prüfstand“, argumentieren die Forscher und Wirtschaftsvertreter. Einerseits habe die Bundesrepublik eine sehr ambitionierte Energiewende eingeleitet und wolle 2022 aus der Kernenergie und spätestens 2038 aus der Kohle aussteigen. Andererseits müsse Deutschland rund 70 Prozent seines Energiebedarfs durch Importe decken. „Ein Wegfall der russischen Erdgaslieferungen nach Deutschland ist mittelfristig schwer kompensierbar und würde zu schweren, teils irreversiblen Schäden für deutsche Unternehmen und zu gesellschaftlichen Konflikten durch massive Arbeitslosigkeit, starke Preissteigerungen und einen Anstieg der Inflation führen“, warnen die Autoren. Verstärkte Import von Flüssig-Erdgas (LNG) aus den USA und anderen Ländern könne dies nur teilweise ausgleichen und würden auch zu höheren Kosten führen.
Deutschland sitzt auf bis zu 2,5 Billionen Kubikmetern Erdgas – das aber nicht einfach zu fördern ist
Daher sei es an der Zeit, die eigenen deutschen Lagerstätten intensiver als bisher zu nutzen. Die Forscher schätzen dieses Potenzial auf 500 bis 2500 Milliarden Kubikmeter Gas in porösen Speichergesteinen wie Sandsteinen und Karbonaten, aber auch in tonigen Muttergesteinen wie Schiefer. Um das Gas aus diesen tiefen Schichten zu gewinnen, seien auch sogenannte „Stimulationstechniken“ wie eben Fracking nötig.
Umstrittenes Fracking: Künstliche Frakturen im Tiefengestein
Vor allem die US-Förderindustrie setzt Fracking seit geraumer Zeit ein, um Erdgas aus Gesteinsschichten zu gewinne, die nur wenig durchlässig sind. Dafür erzeugen die Unternehmen durch Sprengungen oder hydraulisch kleine Risse im Gestein, die als künstlicher Förderkanal im Gestein dienen. Das Gas drücken sie mit einer Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohen Druck in die Höhe.
In Deutschland wurde Fracking bisher eher selten eingesetzt – seit 1960 rund 300 Mal in Westdeutschland und rund 200 Mal in Ostdeutschland. 2016 hatte der Bund die Restriktionen für das Verfahren noch einmal verschärft. „Kommerzielle unkonventionelle Fracking-Vorhaben sind in Deutschland bis auf weiteres nicht zulässig“, heißt es dazu vom Bundeswirtschaftsministerium.
Kritik von Umweltschützern, Umweltbundesamt rät zur Vorsicht
Umweltschützer kritisieren, diese Methode richte unkalkulierbare Langzeitschäden im Gestein an. Außerdem könnten die dabei eingesetzten Chemikalien Boden und Grundwasser verseuchen. In einem Gutachten im Jahr 2021 hatte das Bundesumweltamt sechs von 88 beim deutschen Fracking eingesetzten Chemikalien als giftig, 6 als umweltgefährlich, und 25 als gesundheitsschädlich eingestuft. Angesichts der „unsicheren Datenlage“ kamen die Gutachter zur keiner abschließenden Einschätzung, wie riskant Fracking für Mensch und Umwelt tatsächlich ist. Sie empfahlen allerdings, nur sehr vorsichtig und schrittweise vorzugehen und schnellstens Ersatz für die beanstandeten Chemikalien zu finden.
Dass diese Chemikalien das Grundwasser verseuchen könnte, weisen die Autoren des Positionspapiers allerdings zurück: Die erzeugten Risse würden nur die gasführende Schicht durchlaufen. Zudem sei Fracking in Tiefen jenseits von 1000 Metern, teils sogar in 3000 bis 5000 Metern üblich: „Eine geologische Verbindung zu Grundwasserhorizonten in 30 bis 100 Metern kann sich nicht bilden“, meinen sie.
Neue Gesetze fürs Fracking und verkürzte Genehmigungsverfahren gefordert
Auch das Institut der deutschen Wirtschaft, Teile der NRW-Landesregierung und weitere Protagonisten hatten vor allem seit dem russischen Angriff auf die Ukraine dafür plädiert, ein eigenes deutsches Fracking zumindest zu prüfen. Da die Grünen aber vehemente Fracking-Gegner sind und derzeit in der Bundesampel wie auch in vielen Landesregierungen vertreten sind, sind politische Genehmigungen fürs Fracking derzeit wenig wahrscheinlich. Dass sie auf erheblichen Widerstand mit ihren Vorschlägen stoßen werden, ist den Autoren des Positionspapiers bewusst. Sie fordern neue gesetzliche Reglungen für das Fracking, kürzere Genehmigungsverfahren, gewisse Garantien für Gasförderunternehmen, eine Ausbildungsoffensive in diesem Sektor sowie „Aufklärungs- und Informationsaktivitäten zur Verbesserung der Akzeptanz der Bevölkerung für die einheimische Rohstoffgewinnung“.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: IHK Chemnitz, UBA, welt.de, BMWi
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