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Rettet Entengrütze das Klima?

„Carbon Clouds“-Gründer Marko Dietz mustert seine Entengrütze. Foto: Heiko Weckbrodt

„Carbon Clouds“-Gründer Marko Dietz mustert seine Entengrütze. Foto: Heiko Weckbrodt

Carbon Clouds züchtet in Dresden Protein- und Phosphorquellen mit Industrieabwasser und Abwärme, um CO2 zu binden

Dresden, 29. März 2022. Marko Dietz hat ambitionierte Ziele: Mit Entengrütze, Enthusiasmus und Keramikreiben will er das Klima retten – oder zumindest einen Beitrag dazu leisten. Wobei er seine Entengrütze lieber gehoben als „Wasserlinse“ bezeichnet oder noch vornehmer auf Latein als „Lemna“. Die züchtet er am alten Kraftwerk Mitte in Dresden in übereinandergestapelten gewärmten Abwasserschalen und leitet das omnipräsente Kohlendioxid hinzu – als Wachstumsturbo und damit das Treibhausgas nicht mehr die Stadtluft belastet. Dann trocknet er die entstandene Biomasse mit Hilfe von Industrieabwärme. Die will er letztlich als Protein-, Phosphor– und Omega-3-Quelle an Düngerhersteller, Bauern und Proteintrunk-Hersteller verticken. Auch ein leckerer Tee lasse sich daraus kochen, wirbt Dietz.

Getrocknete Pflanzenfasern aus de, Lemna Core Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Getrocknete Pflanzenfasern aus de, Lemna Core Dresden. Die eignet sich laut Hersteller „Carbon Clouds“ als Ausgangsstoff für Tierfutter, Dünger und Tee. Foto: Heiko Weckbrodt

Pilotanlage teils durch Verkauf von Keramikreiben vorfinanziert

Eine knapp 200.000 Euro teure Pilotanlage namens „Lemna Core“ haben er und sein elfköpfiges Team vom Unternehmen „Carbon Clouds“ bereits gebaut. Seit Juli 2021 betreiben sie diesen „Entengrützen-Kern“ in einem Container hinterm Sachsensenergiemuseum auf dem alten Kraftwerksareal. Das Kapital dafür haben sie zur Hälfte durch den Verkauf keramischer Knoblauchreiben auf Weihnachtsmärkten, zur anderen Hälfte durch Fördergelder vorfinanziert. Jetzt suchen sie nach Abnehmern aus der Wirtschaft, um eine echte Massenproduktion ihrer Entengrütze anzukurbeln.

Robert Franke. Foto: Heiko Weckbrodt

Robert Franke. Foto: Heiko Weckbrodt

100.000 Euro von der Wirtschaftsförderung

Der Tüftler und Firmengründer sieht dies als einen Baustein für eine kreislaufwirtschaftlich orientierte, „klimapositive“ Industriekultur in der Bundesrepublik. „Damit können wir letztlich auch viele Phosphorimporte nach Deutschland sparen“, meint Dietz. Am konkreten Geschäftsmodell arbeite er noch. Überzeugt hat er damit aber bereits Dresdens Wirtschaftsförderungschef Robert Franke: Der hat 100.000 Euro aus seinem Innovationsfonds für die Pilotanlage herausgerückt und sieht breite Perspektiven für die Wasserlinsen. Zudem passt Dietzens Konzept auch gut in ein anderes Trendthema hinein: Weil die Abwasserbecken übereinander angeordnet sind, passt irgendwie das Etikett „Vertical Farming“. Und nicht zuletzt legt das Team die eigenen Lernprozesse beim Entengrützenzüchten auch großzügig als „Künstliche Intelligenz“ (KI) aus – noch so ein Reizwort, das Investoren-Schatullen womöglich zu öffnen vermag.

Den Container, die vertikal angeordneten Grützeschalen und die Anlagentechnik hat "Carbon Clouds" selbst gebaut. Foto: Heiko Weckbrodt

Den Container, die vertikal angeordneten Grützeschalen und die Anlagentechnik hat „Carbon Clouds“ selbst gebaut. Foto: Heiko Weckbrodt

Grütze verdoppelt sich aller zwei Tage

Bei komfortablen 26 Grad und richtig verpempelt können sich die Biomasse im 48-Stunden-Takt verdoppeln, verspricht Dietz. Allerdings ist seine Entengrütze noch etwas wählerisch: Die Abwässer aus städtischen Kläranlagen mag sie gar nicht, auch mit dem Abwasser von „Sachsenmilch“ hat sie sich nicht recht anfreunden können. Besonders mag sie das Wasser von Kartoffelwäsche. Und Dietz mutmaßt bereits, das eine Tofu-Fabrik wohl eine Wohlfühl-Oase für seine Grütze sein könnte.

Bekommen Fabriken künftig Entengrützen-Kerne?

Wie „Carbon Clouds“ damit etwa verdienen kann, ist noch nicht ganz klar. Dietz hofft auf zwei Einnahmequellen: auf Fabriken, die ihm Geld dafür geben, dass er mit angedockten „Lemna Core“-Anlagen ihre Abwärme verwertet und ihre Abwässer klärt. Und auf protein- und phosphor-hungrige Abnehmer, die die Biomasse selbst für ihre Zwecke aufbereiten. Falls das nicht klappt, könnten die Dresdner womöglich ihre Entengrütze selbst in Proteine, Phosphor und andere Wertstoffe zerlegen, um die dann zu verkaufen. Die Optionen dafür will Dietz gemeinsam mit der TU Dresden ausloten. Auch mit dem Verkauf kompletter Anlagen ließe sich Geld verdienen. Aber bis all das raus ist, heißt es: Abwarten und Entengrützen-Tee trinken!

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Carbon Clouds, Wifö LHD

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