
Im Labor funktioniert es schon: Magnetpulse starten gestörte Motoneuronen von ALS-Patienten neu. Bild: HZDR/Sahneweiß
Helmholtz und TU Dresden reaktivieren im Labor kranke Moto-Neuronen – Hoffnung auf ganz neue Therapien
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Dresden-Rossendorf, 9. März 2022. Physiker und Mediziner haben im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) möglicherweise einen Weg jenseits von medikamentösen Ansätzen gefunden, manchen gelähmten Menschen in Zukunft durch eine elektromagnetische Therapie die Kontrolle über ihren Körper zurückzugeben. Das geht aus einer HZDR-Mitteilung hervor. Das Verfahren eignet sich womöglich für Patienten mit „Amyotropher Lateralsklerose“ (ALS). Bis zur klinischen Erprobung ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Thomas Herrmannsdörfer (links) und Richard Funk experimentieren im Am Hochfeld-Magnetlabor Dresden des HZDR mit Magnetpulsen, um inaktive Motoneuronen von ALS-Patienten zu stimulieren. Foto: Amac Garbe für das HZDR
Muskelsteuerende Moto-Neuronen bei ALS inaktiv
Konkret hat sich die Arbeitsgruppe um den HZDR-Physiker Dr. Thomas Herrmannsdörfer und den Mediziner Prof. Richard Funk von der TU Dresden an den Versuch gewagt, die Moto-Neuronen von ALS-Kranken ähnlich wie bei einem Computer-Reset oder Motor-Anlasser neu zu starten. Diese Moto-Neuronen übermitteln bei gesunden Menschen die Steuer- beziehungsweise Bewegungsbefehle des Nervensystems an die Muskeln von Armen, Beinen, Zunge et cetera. Die Signalübertragung geschieht durch unterschiedliche elektrische Potenziale, Felder und Ströme zwischen den Zellen. Bei ALS-Gelähmten sind diese speziellen Neuronen elektrisch beschädigt oder ganz inaktiv. Dadurch können die Betroffenen kaum noch gehen, sprechen und andere elementare Dinge tun.
Neustart mit gepulsten Magnetfeldern
Um die Neuronen wieder zu aktivieren, haben die Forscher zunächst in Labor von kranken wie auch von gesunden Menschen einige Hautzellen zu Motoneuronen umprogrammiert. Dann versuchten sie deren Neustart mit verschiedenen Magnetfeld-Impulsen. Mit den durch Spulen erzeugten Feldern konnten sie unter anderem den Transport der Zellkraftwerke (Mitochondrien) wieder in Gang bringen. Auch beschleunigte sich das Wachstum von Nervenfortsätzen. „Wir konnten in unseren Versuchen zeigen, dass bestimmte Puls- und Frequenzparameter den bei ALS gestörten Transport in den Nervenfortsätzen verbessern“, informierte Herrmannsdörfer. Während sich bei den Zellen der gesunden Menschen gar nichts veränderte, erfuhren Zellen von ALS-Patienten „eine Leistungssteigerung bis zu ihrem ehemaligen Niveau, bevor sie erkrankten“.
„Wenn diese Aktivierung nicht nur mit Zellen in der Petrischale, sondern auch am lebenden Menschen funktionieren würde, wäre tatsächlich eine Verbesserung der Lebensqualität für ALS-Patienten und Patientinnen denkbar“, meint Funk. „Bis dahin liegt aber noch viel Arbeit vor uns.“
Nun folgt ein Prototyp
Als nächstes wollen die Wissenschaftler nun gemeinsam mit weiteren Spezialisten einen „Neuromax“ genannten Prototypen einer Magnetpuls-Therapieanlage bauen. Dafür bekommen sie vom Freistaat Sachsen rund 1,1 Millionen Euro aus dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (Efre). Beteiligt sind daren neben dem HZDR und der TU Dresden auch die „Dresden International University“ (DIU) sowie Teams aus Thailand, Indien und Japan.
„Die bisherigen Erkenntnisse lassen hoffen, dass vielleicht auch über ALS hinaus andere neurodegenerative Erkrankungen auf die Therapie mit gepulsten Magnetfeldern ansprechen“, hieß es vom HZDR. „Es klingt nach Zukunftsmusik, aber vielleicht birgt dieser neue Therapieansatz tatsächlich noch weitere Einsatzfelder in der Medizin.“
Quelle: HZDR