Psychosomatikerin: Pandemie erschwert Abschiednehmen, wir brauchen neue Trauerstrategien
Leipzig, 22. November 2020. Weil zu viele Menschen in der Corona-Pandemie einsam sterben, brauchen auch die Angehörigen neue Strategien, um Abschied zu nehmen und mit ihrer eigenen Trauer klar zu kommen. Das hat Prof. Anette Kersting von der Uni Leipzig in einem universitären Interview eingeschätzt.
Digitale Gedenkseiten oder Briefe an die Toten können etwas helfen
Dazu gehören beispielsweise Echtzeit-Videoströme (Live Streams) bei Beerdigungen, Gedenkseiten im Internet oder Briefe an die Toten, nennt die Expertin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie einige Bewältigungsmöglichkeiten. „Die Corona-Pandemie bringt uns dazu, Strategien zu entwickeln, um mit der Situation besser umzugehen“, betont sie. „Beisetzungen per Livestream könnten durchaus zukunftsfähig sein.“
Schuldgefühle treten zur Trauer
Wenn Menschen allein sterben, ohne eine tröstende Hand, weil sie eben zum Bespiel auf einer Isolierstation sind, dann ist dies nicht nur für die Sterbenden schlimm, sondern auch für die Angehörigen. Auch sei vielerorts die Teilnehmerzahl bei Beerdigungen wegen Corona stark beschränkt worden. „In dieser Situation haben Angehörige nachvollziehbar oft das Gefühl, einen Menschen, den sie lieben, allein gelassen zu haben“, betont Prof. Kersting. „Dies ist neben der Trauer ein sehr schmerzliches Gefühl.“ Und: Wenn Angehörige befürchten, sie selbst hätten den Verstorbenen mit dem Virus infiziert, können Schuldgefühle den Trauerprozess erschweren.“
Prognose: Neue Rituale werden die alten ergänzen, nicht ersetzen
Diese innere Last könne zu psychische Erkrankungen, etwa zu anhaltenden Trauerstörungen führen, warnt die Psychosomatikerin. „Diese Personen bleiben in der Verarbeitung der Trauer stecken und finden nicht in ihren Alltag zurück.“ Umso wichtiger sei es, eben auch neue Methoden der Trauerbewältigung in Corona-Zeiten zu entwickeln. „Ich glaube jedoch, dass sie die vorhandenen Möglichkeiten erweitern und nicht ersetzen werden.“
Autor: hw
Quelle: Uni Leipzig
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