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Neokortex-Genforscher: „Der Mensch ist tabu“

Vor allem die chronisch unterfinanzierte TU Dresden kann Exzellenz-Fördergelder dringend brauchen, schätzt Prof. Wieland Huttner vom Dresdner Max-Planck-Genetikinstitut ein. Foto (bearbeitet): hw

Vor allem die chronisch unterfinanzierte TU Dresden kann Exzellenz-Fördergelder dringend brauchen, schätzt Prof. Wieland Huttner vom Dresdner Max-Planck-Genetikinstitut ein. Foto (bearbeitet): hw

Planck-Direktor Huttner will keinen Intelligenz-Booster für Menschen – sieht aber Chance auf  Parkinson-Therapie binnen 5 Jahren

Dresden, 18. Juni 2020. Das von Dresdner Forscher an Affenföten getestete Gehirnwachstums-Gen „ARHGAP11B“ könnte in den nächsten fünf Jahren zu einer wirksamen Stammzell-Therapie gegen die Schüttelkrankheit „Morbus Parkinson“ und die Altersblindheit durch Makula-Degeneration führen. Das hat Professor Wieland Huttner vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden eingeschätzt, der an einer entsprechenden Studie wesentlich mitgewirkt hat. Er reagierte damit auch auf Vorwürfe von Tierschützern, er wolle mit ethisch zweifelhaften Affenexperimenten lediglich seine Forscherneugier befriedigen.

Menschen-Gen in Gehirne von Affenföten eingeschleust

Das Dresdner Team hatte zusammen mit Kollegen aus Japan das menschliche Gen „ARHGAP11B“ in Föten von Weißbüschelaffen eingebettet. Daraufhin wuchs deren Neokortex und faltete sich und es bildeten sich viele Vorläufer für Neuronen. Der Neokortex ist beim Menschen für höhere Fähigkeiten wie Denken und Sprechen zuständig. „Damit sind wir einen großen Schritt vorwärts gekommen“, betonte Huttner. Damit sei nun klar, dass sich durch das Gen das Wachstum von Stammzellen, die später zu Neuronen werden können, in Primaten anregen lässt.

Ein Weißbüschelaffe. Foto (beschnitten): RaulMRTFonseca, Wikimedia, CC4-Lizenz,

Ein Weißbüschelaffe. Foto (beschnitten): RaulMRTFonseca, Wikimedia, CC4-Lizenz

Schweden scheiterten schon in der Petrischale

Damit könnte das Neokortex-Gen zur Basis für Therapien werden, bei denen Stammzellen die abgestorbenen Nervenzellen von Parkinson-Kranken oder Altersblinden ersetzen. Solche Stammzell-Versuche habe es auch schon in Schweden gegeben, berichtete Huttner. Die Kollegen seien aber daran gescheitert, dass sich ihre Stammzellen schon in den Petrischalen spezialisierten, bevor sie im Nervengewebe eingesetzt waren. „Wenn ich noch etwas jünger wäre, würde ich meiner Arbeitsgruppe sagen: In etwa fünf Jahren sind wir beim klinischen Einsatz“, sagte Huttner.

Kritik von Tierschützern

Der „Deutsche Tierschutzbund“ hatte zuvor die Versuche der Dresdner kritisiert (Wir berichteten), weil der Nutzen unklar und das Leid der genveränderten Affen und ihrer Muttertiere bei solchen Laborexperimenten groß sein könne.

Huttner: Wir modifizieren keine Menschen

Die Forscher hatten im konkreten Fall die Gehirne der Affen-Föten rund 50 Tage vor der Geburt entnommen. Aus ethischen Gründen habe man darauf verzichtet, die Föten weiter wachsen zu lassen, bekräftigte Huttner. „Niemand weiß, was mit einem Primaten passiert, wenn er ein großes Gehirn bekommt.“ Zugleich schloss der Forscher nicht aus, einzelne Affen mit genveränderten Gehirnen auch aufwachsen zu lassen. „Aber es wäre unverantwortlich, eine transgene Affenlinie zu erzeugen“, unterstrich er. Und ethisch völlig ausgeschlossen seien für ihn Versuche, Menschen mit dem Neokortex-Wachstumsgen zu mehr Intelligenz zu verhelfen oder sonstwie zu modifizierten. „Der Mensch ist tabu.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: Interview Huttner, MPI-CBG, Pro-retina.de

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