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Trumpf steigt in Dresdner „Industrie 4.0“-Firma „Zigpos“ ein

Die Visualisierung zeigt Design und Prinzip des Trumpf-Ortungssystems "Track & Trace", in das Zigpos-Technologie einfließt. Durch digitale Etiketten lässt sich jede Palette in der Fabrik mit den Ankern (links) an der Wand orten. Visualisierung: Trumpf

Die Visualisierung zeigt Design und Prinzip des Trumpf-Ortungssystems „Track & Trace“, in das Zigpos-Technologie einfließt. Durch digitale Etiketten lässt sich jede Palette in der Fabrik mit den Ankern (links oben) an den Hallenwänden orten. Visualisierung: Trumpf

Schwaben sichern sich sächsische Ortungstechnik für hochautomatisierte Fabriken

Dresden/Ditzingen, 26. Juni 2019. Der schwäbische Werkzeugmaschinen-Konzern „Trumpf“ ist als Anteilseigner beim jungen „Industrie 4.0“-Unternehmen „Zigpos“eingestiegen, um sich die Ortungs-Technologien der Dresdner für hochautomatisierte Betriebe zu sichern. Das haben Trumpf und Zigpos nun mitgeteilt. „Die Risikokapital-Tochter von Trumpf war weltweit auf die Suche nach der besten Ortungstechnologie gegangen“, berichtet Zigpos-Innovationschef Paul Balzer. „Entschieden hat sie sich letztlich für uns.“

Werkzeugmaschinen-Unternehmen übernimmt 25,1 Prozent der Zigpos-Anteile

Trumpf hält nun ein Viertel der Zigpos-Anteile. Die Mehrheit bleibt bei den Geschäftsführern Erik Mademann und Christoph Götze, die das Technologieunternehmen 2011 aus der „Hochschule für Technik und Wirtschaft“ (HTW) in Dresden ausgegründet hatten, sowie drei HTW-Professoren, die das Start-up betreuen. Die Sachsen bekommen durch den Deal eine Kapitalspritze für ihre Entwicklungsprojekte. Vor allem öffnen sich ihnen aber dadurch die internationalen Vertriebsnetzwerke von Trumpf. Und für die Schwaben ist die sächsische Expertise ein wichtiger Teil ihrer „Track & Trace“-Automatisierungstechnologie.

Trumpf: „Digitalisierung entwickelt sich zu entscheidenden Wettbewerbsfaktor“

„Die Digitalisierung entwickelt sich in der Blechfertigung zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor“, betonte Tom Schneider, der Geschäftsführer für Werkzeugmaschinen-Entwicklung bei Trumpf. Durch die Beteiligung an Zigpos könne das Unternehmen seine entsprechenden Angebote für kleine und mittelständische Kunden ergänzen.

Jeden Stapler, jedes Werkzeug jederzeit in Echtzeit finden

Die Partner aus Dresden und Ditzingen wollen nun gemeinsam Fabriken und Logistikzentren rund um den Globus mit spezieller Funktechnik ausrüsten. Diese Technologie erlaubt es im Endausbau den Fabrik-Leitrechnern, jedes Werkstück, jeden Transportroboter und jeden Gabelstapler in Echtzeit zu lokalisieren und besonders effizient durch die Produktionsprozesse zu dirigieren. „Die Ortungssysteme von Trumpf können mit Hilfe unserer Software die Durchlaufzeiten in der Produktion maßgeblich verringern“, verspricht Zigpos-Geschäftsführer Erik Mademann.

Mögliches Ziel terroristischer Angrffe: GPS-Satellit. Abb.: US Air Force/Wikipedia

GPS-Satellit. Abb.: US Air Force/Wikipedia, gemeinfrei

Ohne Sicht zum Himmel versagt das GPS-Navi

Dahinter stecken Methoden, die die Gründer ursprünglich als Studenten der HTW entworfen und nach dem Gang in die Selbstständigkeit weiter verfeinert haben. Ausgangspunkt für die Entwicklung war eine bekannte Schwäche der satellitengestützten GPS-Ortung, die man aus der Autonavigation kennt: Das GPS arbeitet jenseits des Militärs lediglich metergenau. Und die Ortung funktioniert nur, wenn die Navi-Satelliten in Sicht sind. Sprich: In Garagen und anderen Innenräumen hat es sich ausnavigiert.

Innovationschef Paul Balzer zeigt ein Badge mit E-Papier-Bildschirm. Für eigene Testzwecke können auf dem großen Monitor rechts alle Träger solcher Digitaletiketten im Zigpos-Quartier in Echtzeit lokalisiert werden. Foto: Heiko Weckbrodt

Innovationschef Paul Balzer zeigt ein Badge mit E-Papier-Bildschirm. Für eigene Testzwecke können auf dem großen Monitor rechts alle Träger solcher Digitaletiketten im Zigpos-Quartier in Echtzeit lokalisiert werden. Foto: Heiko Weckbrodt

Digitale Plaketten mit Funkchip und E-Papier

Um dieses Problem zu lösen, haben die Dresdner Ingenieure ganz alte Methoden wie die Triangulation der Landvermesser mit sehr modernen Technologien kombiniert: Jede mobile Maschine, jedes Auto oder Werkstück, das geortet werden soll, bekommt eine digitale Plakette („Badge“). In diesem Plasteanhänger stecken Steuerchips, Batterie, eine Spirale fürs kontaktlose Laden und ein kleiner Sender, der nach dem Standard „Ultra Wide Band“ (UWB) funkt. Auf dem dünnen Gehäuse gibt es einen Bildschirm aus elektronischem Papier, der Nachrichten und Statusmeldungen anzeigt – wichtig vor allem, wenn ein Mensch solch ein „Badge“ trägt.

Ankerstationen in verschiedenen Test-Ausführungen im Zigpos-Hauptquartier auf der Räcknitzhöhe in dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Ankerstationen in verschiedenen Test-Ausführungen im Zigpos-Hauptquartier auf der Räcknitzhöhe in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Anker lokalisieren bis auf 30 cm genau – durch Laufzeit-Differenzen

Die Dreiecks-Vermessung (Triangulation) übernehmen in den Fabrik- oder Lagerhallen dann sogenannte „Anker“. Von diesen selbstentwickelten Funkstationen müssen pro Raum in der Regel vier Anker an den Wänden installiert werden. Von dort aus spähen sie bis zu 300 Meter weit in die Hallen hinein, fangen kurze Funksignale der zu ortenden Maschinen, Menschen oder Werkstücke auf. Da die Impulse unterschiedlich lange brauchen, bis sie die verschiedenen im Raum verteilten Anker erreichen, kann eine spezielle Zigpos-Software aus diesen kleinen Laufzeit-Unterschieden („Time Difference of Arrival“ = TDoA) dann das „corpus delicti“ orten – bis auf 30 Zentimeter genau.

Wenig Stromverbrauch – und alles in Echtzeit

„Viele Firmen sagen, dass sie so eine Technologie haben“, weiß Balzer. „Aber unsere Lösung ist international einzigartig.“ So können die Zigpos-Anker in Echtzeit auch bis zu 1000 gesuchte Gegenstände augenblicklich finden – jederzeit und zudem auch dreidimensional im Raum. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Dresdner: Ihre Installationen verbrauchen nur sehr wenig Energie, was enorm wichtig in „Industrie 4.0“-Fabriken ist, in denen in echtzeit Hunderte oder gar Zehntausende Roboter, Transporter und andere Dinge zu orten sind.. „Unsere Badges zum Beispiel bleiben mit einer Batterieladung einen Monat lang einsatzbereit, bis sie wieder aufgeladen werden müssen“, berichtet Balzer. Denn die Dresdner setzen zum Beispiel auf sparsames E-Papier für den Bildschirm, effiziente Software-Algorithmen und den verbrauchsarmen UWB-Funk. Dieser Funkstandard gilt zudem als viel sicherer als der zunächst eingesetzte „Zigbee“-Standard, von dem sich auch der ursprüngliche Firmenname (Zigbee-Positionsermittlung) abgeleitet hatte: Für Angreifer wirkt UWB-Funk nur wie ein großes Rauschen, weil sich die Informationen über viele Teilfrequenzen verteilen.

VW, Infineon und Siemens setzen Dresdner Technik ein

Entwickelt haben die Sachsen ihre Software, die Badges und Anker selbst. Die Produktion haben sie allerdings aus Kostengründen an einen taiwanesischen Auftragsfertiger ausgelagert – an die Foundry „Foxconn“, die auch die iPhones für Apple montiert. Mittlerweile sind schon mehrere Hunderte Zigpos-Installationen im In- und Ausland im Einsatz, beispielsweise in Werken von VW, Infineon und Siemens. Durch die Partnerschaft mit Trumpf verspricht sich das 20-köpfige Team nun einen kräftigen Schub für die Unternehmensentwicklung, vor allem mehr Großkunden aus der Industrie und Logistik.

Haben Maschinen. Tiere oder Menschen einen Funkchip bei sich, kann die Metririonic-Software auf Distanzen bis zu einem halben Kilometer auf bis zu zehn Zentimeter genau orten, was im "Internet der Dinge" unterwegs ist. Abb.: Metririonic

Haben Maschinen. Tiere oder Menschen einen Funkchip bei sich, kann Metririonic auf Distanzen bis zu einem halben Kilometer auf bis zu zehn Zentimeter genau orten, was im „Internet der Dinge“ unterwegs ist. auch hier ist Zigpos-Technologie eingeflossen. Abb.: Metririonic

Schnelle Ortung auch in Kliniken und in der Landwirtschaft gefragt

Aber die Ingenieure tüfteln auch an ganz anderen Anwendungs-Szenarien für ihre „Innenraum-Navisatelliten“: „Metirionic“ Dresden hat die Zigpos-Software beispielsweise eingesetzt, um ein Ortungssystem für Rindviecher auf der Weide und in südamerikanischen Großställen zu entwickeln. Auch im Medizinsektor sehen die Zigpos-Entwickler Perspektiven: „Im Klinikum Radebeul haben wir unsere Badges beispielsweise bei einem Evakuierungs-Probealarm getestet“, berichtet der Zigpos-Innovationschef. „Stellen Sie sich nur mal vor, ein Feuer bricht in einem Krankenhaus aus und keiner weiß mehr, wo die mobile Lungenmaschine zuletzt stand. Da kann eine Ortungstechnik wie unsere Leben retten.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Recherchen, Zigpos, Trumpf Venture, Metirionic,

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt