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Protonenanlage Dresden zahlt sich medizinisch aus

Blick auf die Gantry, gewissermaßen die "Lupe", die die Protonenstrahlen auf die Tumoure im Patienten lenkt, im Uniklinikum Dresden. Foto: Universitätsklinikum CGC Dresden

Blick auf die Gantry, gewissermaßen die „Lupe“, die die Protonenstrahlen auf die Tumoure im Patienten lenkt, im Uniklinikum Dresden. Foto: Universitätsklinikum CGC Dresden

Mediziner, Physiker und Ingenieure in Dresden nutzen seit Ende 2014 ein hochenergetisches Skalpell gegen besonders heimtückische Tumore – nun ziehen sie eine erste Zwischenbilanz

Dresden, 29. November 2018. Der fast 100 Millionen Euro teure Protonentherapie-Komplex für den Kampf gegen Krebs zahlt sich für Mediziner, Forscher und vor allem für die Patienten zunehmend aus. Das hat Professor Wolfgang Enghardt eingeschätzt, der im „Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – Oncoray“ in Dresden die Sektion Physik leitet.

Prof Wolfgang Enghardt von der medizinischen Fakultät der TU Dresden) leitet die Sektion Physik im Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie (OncoRay)

Prof. Wolfgang Enghardt von der medizinischen Fakultät der TU Dresden) leitet die Sektion Physik im Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie (Oncoray). Foto: Oncoray

Anlage kann inzwischen 240 Patienten im Jahr behandeln

„In diesem Jahr werden wir etwa 240 Patienten mit dem Beschleuniger behandeln“, prognostiziert der Sektionsleiter. „Mit diesen Kapazitäten bewegen wir uns inzwischen an der Weltspitze, auf Augenhöhe mit den Einrichtungen wie die in Boston, Houston oder Heidelberg.“ Zum Vergleich: 2015 bestrahlte die Dresdner Anlage 106 Patienten, im Folgejahr waren es 155 und 2017 dann 215 Krebspatienten.

Einsatz vor allem gegen Tumore in Hirn, Bauch und für Kinder

Seit Dezember 2014 können die Wissenschaftler und Ärzte auf dem Dresdner Uniklinik-Campus besonders heimtückische Tumore, zum Beispiel im Gehirn, im Kopf, Hals, im Lymphsystem oder Bauch der Patienten und speziell auch krebskranke Kinder mit einem Protonenbeschleuniger bestrahlen. Die aufwendige Anlage treibt Protonen bis auf etwa 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Diese schnellen Wasserstoff-Kerne entfalten ihre zerstörerische Energie vergleichsweise zielgenau im Tumor statt im gesunden Gewebe ringsum. Dadurch gilt die teure Protonentherapie auch als präziser und wirksamer als die klassische Röntgenbestrahlung, die gesunde Zellen stärker angreift.

Mehr Präzision

Inzwischen sei es zwei Doktoranden aus Dresden und Heidelberg auch gelungen, die Treffergenauigkeit der Protonen von 97 Prozent auf über 99 Prozent zu steigern, berichtet Prof. Enghardt. Sprich: Trafen die Hochgeschwindigkeits-Teilchen früher tiefliegende Tumore nur bis auf etwa sieben Millimeter genau, weichen sie inzwischen nur noch um zwei bis drei Millimeter vom Ziel ab. Auch dieser Erfolg an der noch jungen Dresdner Anlage habe für einiges Aufsehen in der Fachwelt gesorgt.

Koperatives Projekt

Einen Anteil daran, dass der Beschleuniger recht rasch Erfolge zeitigte, mögen auch der kooperative Geist und die enge Verzahnung zwischen Grundlagenforschung und Anwendern in Dresden haben. Betreiber der Anlage ist das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus,  unterstützt durch die TU Dresden und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). Dabei fokussiert sich die Uniklinik auf die Behandlung, die TU auf medizinische, physikalische und biologische Forschung und Lehre – und das HZDR auf völlig neue Forschungsimpulse. Die drei Institutionen sind gemeinsam die Träger des Oncoray.

Während Terawatt-Bruder "Draco" nebenan berits fröhlich drauflos lasert, ist Petawatt-Superlaser "Penelope" noch in der Konstruktionsphase. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Während Terawatt-Bruder „Draco“ nebenan bereits fröhlich drauflos lasert, ist Petawatt-Superlaser „Penelope“ noch in der Konstruktionsphase. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Rossendorfer wollen Laser-Protonenbeschleuniger bauen

Unter Rossendorfer Federführung arbeiten sie beispielsweise an ganz neuartigen Anlagen-Konzepten. Statt Atomkerne mit sehr teuren und sehr großen Magnet-Ringbeschleunigern auf Trab zu bringen, wollen sie die Protonen mit Superlasern der Petawatt-Klasse fast lichtschnell antreiben. Dies könnte die Protonentherapie-Maschinerie auf die Größe einer Garage schrumpfen und sie für Krankenhäuser überhaupt erst erschwinglich machen. Zum Vergleich: Heutige Protonen-Ringbeschleuniger haben – mit allem Zubehör und aller Abschirmung – eher die Dimension einer Fabrik und kosten zwei- bis dreistellige Millionenbeträge.

Bis das neue Laser-Konzept praxisreif ist, wird noch einige Zeit vergehen. „Aber schon als wir die Anlage 2009 entwickelt haben, wurde darin Platz für eine Laserstrahlführung vorgesehen“, berichtet Prof. Enghardt. „Wir sorgen also vor.“

„Strahlentherapie ist mühsam“

Ganz generell brauchen die Mediziner, Physiker und Strahlenbiologen einen langen Atem im strahlengestützten Kampf gegen den Krebs. „Strahlentherapie ist mühsam“, betont der Sektionsleiter. Das gelte für die physikalischen und technologischen Herausforderungen genauso wie für die medizinischen. So behandeln die Dresdner Spezialisten mit der Protonenanlage ausschließlich Patienten, die zuvor ein Tumorboard für klinische Studien dafür vorgeschlagen hat. Aber erst zehn Jahre, nachdem das erste Proton den Beschleuniger im Eiltempo verlassen hat, können die Forscher auf die ersten belastbaren Ergebnisse aus diesen Studien hoffen. Frühestens 2024/25 wird sich also herausstellen, bei welchen Tumorarten sich die Protonentherapie bewährt, für welche Patienten die klassische Strahlentherapie besser funktioniert, und wie der Beschleuniger die Heilungs- und Überlebenschancen der krebskranken Menschen tatsächlich verbessert hat.

Experten stellen im Lingnerschloss die neue Therapie öffentlich vor

Wer mehr über diese Art der Krebsbehandlung erfahren will, sollte sich den 16. Januar 2019 vormerken: Auf einem öffentlichen Lingnerpodium unter dem Titel „Protonentherapie in Dresden – klinische Forschung und Technologieentwicklung“ wollen die Professoren Wolfgang Enghardt (Oncoray/TUD/HZDR), Esther Troost (TUD/HZDR) und Ulrich Schramm (HZDR) sowie der Vorstandsvorsitzende der Krankenkasse „AOK Plus“ Rainer Striebel ab 19 Uhr im Kino des Lingnerschlosses Dresden, Bautzner Straße 132, diese Therapieform vorstellen und Fragen beantworten. Der Eintritt kostet zehn Euro, ermäßigt acht Euro.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt