Filme, zAufi

Doku „The Cleaners“: Die geheimen Zensoren des Internets

"Delete" oder "Ignore" - unter großem Zeit- und Erfolgsdruck müssen die Auftrags-Zensoren alias "Content Moderatoren" entscheiden, welches Bild, welches Video rund um den Globus gelöscht wird. Abb.: Gebrüder Beetz Filmproduktion

„Delete“ oder „Ignore“ – unter großem Zeit- und Erfolgsdruck müssen die Auftrags-Zensoren alias „Content Moderatoren“ entscheiden, welches Bild, welches Video rund um den Globus gelöscht wird. Abb.: Gebrüder Beetz Filmproduktion

Reportage berichtet, wie Facebook & Co. ihre Zensur in die Dritte Welt ausgelagert haben

„Eine Zensur findet nicht statt“, versichert das deutsche Grundgesetz in Paragraph 5. Mit der Wirklichkeit hat dieser fromme Wunsch im Internet-Zeitalter nicht viel zu tun: Längst beschäftigt sich eine ganze Schattenwirtschaft mit Tausenden Zensoren – euphemistisch „Content Moderatoren“ genannt – im Auftrag der sogenannten „sozialen“ Netzwerke damit, ununterbrochen „anstößige“ Bilder, Videos und andere Botschaften aus den Posting-Strömen auf Facebook, Youtube, Twitter & Co. zu löschen. Und als anstößig kann vieles gelten: Terror-Videos und Kinder-Pornos genauso wie unliebsame politische Meinungsäußerungen. Die Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck haben eine dieser Auftrags-Zensurfirmen auf den Philippinen ausfindig gemacht und einige Mitarbeiter teils anonym befragen können. Auf dieser Basis entstand ihre brisante und auch visuell eindrucksvolle Dokumentation „The Cleaners“, die nun in den deutschen Kinos angelaufen ist.

Werbevideo:

Content-Moderatorin: „Müssen verhindern, dass sich die Sünde in den sozialen Netzwerken ausbreitet“

„Wir müssen verhindern, dass sich die Sünde in den sozialen Netzwerken ausbreitet“, sagt beispielsweise eine dieser „Content Moderatoren“. „Wir sichern, dass nichts Anstößiges hochgeladen wird“, eine andere. Und wie um sich selbst zu vergewissern, das Richtige zu tun, kommt der Satz: „Wir beschützen die User.“ Und dafür sichten einige diese Auftragszensoren gut und gerne 25.000 Bilder täglich, um zu verhindern, dass der „Schmutz“ die Nutzer erreicht. Darunter Bilder und Videos, die schwer zu ertragen sind: missbrauchte Kinder, Enthauptungsvideos vom IS, Echtzeit-Suizide, bomben-zerfetzte Menschenleiber… Drei Fehler pro Monat sind erlaubt, erzählt einer dieser Zensoren. Was auf keinen Fall geht: Nacktheit durchlassen durch die Filter.

Delete, delete, delete!

Bis hierhin mag der eine oder andere noch mitgehen, mag zustimmen, dass dies nicht weiterverbreitet gehört. Aber das ist eben nicht alles: Die Zensoren auf den Philippinen, die selbst in einem halbdiktatorischen Land voller Armut und Gewalt leben, entscheiden auch, was Türken, US-Amerikaner oder Deutsche im Internet zu sehen bekommen. Eine türkische Flagge wird verbrannt? Delete? Ein Gemälde, auf dem Donald Trump mit kleinem Penis gemalt ist? Delete! Ein ertrunkenes Flüchtlings-Kind? Delete!

Die Zensoren alias "Content Moderatoren", die in der Dritten Welt für Facebook & Co. arbeiten, entkommen durch ihre Arbeit selbst oft genug nur bitterer Armut, ist der Doku "The Cleaners" zu entnehmen. Abb.: Gebrüder Beetz Filmproduktion

Die Zensoren alias „Content Moderatoren“, die in der Dritten Welt für Facebook & Co. arbeiten, entkommen durch ihre Arbeit selbst oft genug nur bitterer Armut, ist der Doku „The Cleaners“ zu entnehmen. Abb.: Gebrüder Beetz Filmproduktion

Alles darauf eingestellt, das Schlechteste in uns hervorzubringen

Und dies ist nicht etwa staatliche Zensur oder eine Löschung aufgrund einer richterlichen Entscheidung: Letztlich entscheiden hier private Konzerne wie Facebook und Google über „Community-Richtlinien“, was wir sehen dürfen, warnen Medienexperten, die in der Doku zitiert werden. Und dabei konstruieren die Unternehmen – über die verwendeten Präsentations-Algorithmen sowie über ihre Auftragszensoren in der Dritten Welt – gefährliche Filterblasen. In denen bekommen die Nutzer nur noch das vorgesetzt, was sie in ihrer ohnehin schon gefassten Meinung nur noch bestärken kann. Das muss nicht, kann aber Teile der Gesellschaft radikalisieren, verrohen und entzweien: Die von Facebook & Co. eingesetzte Technologie entwickele da eine ganz spezielle Eigendynamik, kritisiert beispielsweise der frühere Google-„Designethiker“ Tristan Harris: „Diese Technologie verfolgt ein Ziel – nämlich die Aufmerksamkeit möglichst vieler Menschen zu erreichen. Und was funktioniert bei Milliarden von Menschen? Empörung.“ Daher verbreite der Facebook-Algorithmus vorzugsweise Botschaften, die besonders polarisieren. „Die ganze Umgebung ist darauf eingestellt, das Schlechteste in uns hervorzubringen.“

Kurzinfos

  • Titel: „The Cleaners“
  • Genre: Dokumentation
  • Produktionsland und -jahr: Deutschland 2018
  • Regie: Hans Block und Moritz Riesewieck
  • Laufzeit: 88 Minuten
  • Verleih: Farbfilm-Verleih
  • Bundesstart: 17. Mai 2018
  • u.a. zu sehen im Programmkino Ost in Dresden

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt