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Leben aus dem Baukasten

Wie entstand das erste Leben? Können wir künstliches Leben erschaffen? Der US-amerikanische Forscher James Sáenz geht in Dresden diesen Fragen nach. Am B-Cube der TU Dresden hat er eine eigene Forschungsgruppe aufgebaut und ein spezielles Labor für die Lipid-Forschung installieren lassen. Foto: Heiko Weckbrodt

Wie entstand das erste Leben? Können wir künstliches Leben erschaffen? Der US-amerikanische Forscher James Sáenz geht in Dresden diesen Fragen nach. Am B-Cube der TU Dresden hat er eine eigene Forschungsgruppe aufgebaut und ein spezielles Labor für die Lipid-Forschung installieren lassen. Foto: Heiko Weckbrodt

Der US-Forscher Sáenz analysiert Fette im B-Cube Dresden, um uraltes Leben zu verstehen und neues zu erschaffen

Dresden, 10. Januar 2018. Vor 17 Jahren schrieb sich ein junger Mann aus New York City an der Uni Boston bei den Geologen ein. Und seit James Sáenz in diesem Studium Milliarden Jahre altes Gestein mitsamt den Einlagerungen darin zu sehen bekam, haben ihn ein paar Fragen nicht mehr losgelassen. Fragen wie: Wie konnte vor Milliarden Jahren aus einer diffusen organischen Ursuppe das erste Leben entstehen? Wie formierte sich bei den ersten Einzellern und Bakterien die Barriere zwischen dem „Drinnen“ und dem „Draußen“, zwischen dem Ich und dem Rest der Welt? „Die fossilen Abdrücke von uraltem Leben in den Sedimenten haben mich sehr fasziniert“, erzählt er. „Und ich wollte wissen, wie komplex diese Lebensformen damals wirklich waren.“

Ungeliebt, aber wichtig: Fett ist eine Grundzutat des Lebens

Inzwischen ist Sáenz 36 Jahre alt, Forschungsgruppen-Leiter im „B-Cube“-Forschungszentrum der TU Dresden – und den Antworten auf seine Fragen ein ganzes Stück näher gekommen. Er weiß inzwischen: Lipide, also elementare Fett-Bausteine, sowie sogenannte Hopanoid-Moleküle, die dem Cholesterin, einem der wichtigsten molekularen Bausteine im menschlichen Körper ähneln, haben eine wichtige Rolle in der frühen Evolution gespielt. Sie sind mitverantwortlich dafür, dass die uralten Lebensformen harten und veränderlichen Umgebungsbedingungen standhalten konnten. Sie schufen die Grenzen lebendiger Zellen.

Membranen grenzen Zellen von der Außenwelt – und ermöglichen erst die Zellstrukturen

Und diese Grenzen sind hauchdünn: Ein paar Nanometer Membran nur trennen die Zellen selbst der einfachsten Lebensformen von der Umgebung. Diese Hülle hält den Innendruck und die Form der Zelle aufrecht, schützt sie vor widrigen Umweltbedingungen. Und sie ist nicht nur Barriere nach außen, sondern ermöglicht überhaupt erst komplexe biologische Systeme: Durch Membranen werden die Kraftwerke und Motoren der Zelle organisiert. Sie schaffen Struktur und Identität im Chaos. „Anders gesagt: Ohne Membran gibt es kein Leben“, formuliert es Sáenz.

Lipide beeinflussen, wo sich Rohre und Pumpen in die Zelle einbauen

Eine Schlüsselrolle dabei spielen eben die Lipide. Bestimmte Fettarten sorgen dafür, dass die Membran besonders stabil oder besonders flüssig wird. Die Lipide steuern damit, wo sich Proteine in die Zellmembran einbauen können. Diese hochspezialisierten Proteine wiederum haben verschiedene Funktionen: Einige sind Signalleitungen, andere wirken wie Wasserleitungen, wieder andere pumpen Stoffe in und durch die Zelle und so weiter.

Nahziel: voll funktionsfähige Membrenen generieren

Erste künstliche Membranen aus Lipiden haben Zellbiologen in Dresden bereits konstruiert. Diese Membranen waren allerdings statisch. „Als nächstes wollen wir eine voll funktionsfähige Membran bauen, die wie in einem lebendigen Organismus agiert und reagiert“, kündigt der Forscher an.

Auf dem Weg zum künstlichen Leben

Dies wäre ein wichtiger Baustein, um später einmal synthetisches Leben zu konstruieren. „Dabei denken wir nicht an künstliche Menschen, sondern an biologische Computer und Sensoren, die nur sehr wenig Energie verbrauchen“. Das beste Beispiel dafür sei das menschliche Gehirn: „Mit 25 Watt schafft es Bilderkennungs-Leistungen, die bis heute selbst Supercomputer der Megawatt-Klasse überfordern.“ Zudem könnten die dabei gewonnenen Erkenntnisse später einmal den Schlüssel für eine bessere Behandlung von bakteriellen Antibiotika-Resistenzen und anderen Krankheiten liefern.

Dresden bietet besonders gute Infrastruktur für Biowissenschaftler

Und in Dresden sieht der US-Amerikaner gute Chancen, solche Durchbrüche zu erzielen. „Eine wunderbare Stadt“, sagt Sáenz. „Und speziell in der Johannstadt gibt für meine Forschungen eine sehr gute Infrastruktur und eine starke biowissenschaftliche Gemeinschaft. Die Zusammenarbeit mit dem MPI-CBG ist fantastisch, auch mit den Kollegen der TU Dresden und des Leibniz-Instituts für Polymerforschung.“

Vom Geo-Nachwuchstalent zum Biotech-Gruppenleiter

2011 hatte der finnische Biochemiker Kai Simons den frisch promovierten Nachwuchs-Forscher nach Dresden ans Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) geholt. Fünf Jahre später wechselte Sáenz ins „Center for Molecular Bioengineering“ (deutsch: Zentrum für molekulares Bioingenieurwesen), das B-Cube der TU Dresden. Seitdem hat er hier eine eigene Forschungsgruppe „Bottom-up Synthetic Biology“ aufgebaut. Übersetzen könnte man das mit „Synthetische Biologie: Vom Kleinen zum Großen“. Das Team umfasst neun Biologen, Biophysiker und andere Spezialisten. „Wir machen Fortschritte“, betont Sáenz. Die Gruppe beginne das Zusammenspiel von Lipiden, Konstruktionsmolekülen und Membranen in einfachen Organismen zu verstehen.

Bakterie flüstert Geheimnisse des Elefanten

„Ich glaube, dass das, was wir in den einfachsten Bakterienzellen entdecken, uns grundlegende Lehren darüber vermitteln wird, was das Leben antreibt. Das könnte dazu beitragen, Vorgänge in komplexeren menschlichen Zellen zu verstehen.“ Wie der Nobelpreisträger Jacques Monod einmal sagte: „Was für E.coli gilt, gilt auch für den Elefanten.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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