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Hohler Pilzdamm gegen die Hormonflut

Im Labor funktioniert die Reinigungsstufe schon ganz gut: Auf dieser Platte haben die Pilzenzyme den blauen Farbstoff - der hier beispielhaft für unerwünschte Biomoleküle steht - rund um den Pilz Hirsuta Trametes herum abgebaut. Abb.: Anett Werner, TUD

Im Labor funktioniert die Reinigungsstufe schon ganz gut: Auf dieser Platte haben die Pilzenzyme den blauen Farbstoff – der hier beispielhaft für unerwünschte Biomoleküle steht – rund um den Pilz Hirsuta Trametes  abgebaut. Abb.: Anett Werner, TUD

Dresdner Ingenieure arbeiten an einer bioaktiven Metallschaum-Stufe für Klärwerke

Dresden, 8. November 2017. Ein Forscher-Konsortium „Xenokat“ unter Leitung der Mikrosystem-Expertin Dr. Anett Werner von der Technischen Universität Dresden (TUD) entwickelt derzeit ein neues Filtersystem für Klärwerke, um die Umwelt vor der Hormon-Flut aus den Toiletten und Biotech-Fabriken der Menschen zu schützen. Die Entwicklungspartner aus Dresden, Wolfenbüttel und Koblenz setzen dabei auf metallische Hohlkugeln, die mit Pilzenzymen geladen sind. Auf der schwedischen Messe „ELMIA Subcontractor“ in Jönköping wollen sie ihre ersten Fortschritte vom 14.-17. November 2017 zunächst einem Fachpublikum präsentieren. Im Mai 2019 sollen die ersten voll funktionsfähigen Filtersysteme fertig sein. Dann dürfte auch absehbar sein, ob das Prinzip zum Alltagseinsatz in Stadtwerken taugt.

Die 35 Meter großen Fauleier der Stadtentwässerung in Dresden-Kaditz verwandeln Fäkalien und Fett in Energie. Künftig soll sort auch Küchenabfall rein und die Anlagen der Energie-Autarkie näher bringen. Foto: Stadtentwässerung Dresden

Die 35 Meter großen Fauleier des Klärwerkes Dresden-Kaditz. Foto: Stadtentwässerung Dresden

Immer mehr Xenobiotika gelangen in Gewässer

Hintergrund: Viele Menschen werfen Schmerzmittel ein, verschreiben sich selbst Entzündungshemmer oder verwenden Hormonpräparate – und scheiden einen Teil davon wieder aus. Dadurch flutet der Mensch die Umwelt mit immer mehr „fremdbiologischen Substanzen“, sogenannten „Xenobiotika“, die in der Natur normalerweise nicht frei umherwandern. Diese Hormone, Enzyme, Antibiotika, aggressiven Medikamente, Biotech-Chemikalien und anderen bioaktiven Stoffe finden sich heutzutage fast überall in privaten Haushalten, Krankenhäusern, Laboren und Biotech-Fabriken. Von dort gelangen sie über Toiletten und Abwasserkanäle in die Flüsse, Teiche und Meere. Dort stören sie das über Jahre eingepegelte ökologische Gleichgewicht. Zum Beispiel können sie ganze Fisch-Populationen verweiblichen und dezimieren oder multiresistente Keime hervorbringen, gegen die alle Antibiotika wirkungslos sind.

„Anthropogene Fußabdrücke“

„Man spricht mittlerweile von anthropogenen Fußabdrücken, welche die menschliche Population weltweit hinterlässt“, berichtete Xenokat-Leiterin Dr. Anett Werner in ihrem Projekt-Dossier. „Einige Länder haben bereits Maßnahmen zur Entfernung der Xenobiotika veranlasst, die Einführung einer vierten Reinigungsstufe an den Kläranlagen steht europaweit zur Diskussion.“ Billig wird dies aber nicht: Erste Schätzungen gehen von Milliarden-Investitionen in Deutschland aus, falls die „Vierte Stufe“ zum Gesetz wird.

Greifswalder Physiker setzen auf Plasma-Gewitter, Fraunhofer Dresden auf Keramikfilter

Noch nicht geklärt ist zudem der technologische Weg dorthin: Greifswalder Physiker zum Beispiel wollen im Abwasser ein Plasma-Gewitter zünden, um Ibuprofen, Östrogen & Co. molekular aufzuspalten und so zu neutralisieren. Dresdner Fraunhofer-Ingenieure schlagen dagegen ein Gespann aus Keramik-Filtern und Ultraviolett-LEDs für die vierte Klärstufe vor.

Die Fraunhofer-Ingenieure wollen Abwasser mit Keramikschäumen und UV-Licht von Arzneien und Hormonen befreien. Foto: Fraunhofer-IKTS

Dresdner Fraunhofer-Ingenieure wollen Abwasser mit Keramikschäumen und UV-Licht von Arzneien und Hormonen befreien. Foto: Fraunhofer-IKTS

Dresdner Uni-Forscher wollen Metallschaum-Kogeln mit Enzymen laden

Das TUD-Institut für Naturstofftechnik hingegen setzt auf metallische Schäume aus winzigen Hohlkugeln. Die haben eine sehr große Wirkoberfläche, an denen die Ingenieure Pilz-Enzyme verankern wollen. Diese speziellen Enzyme reagieren wie Katalysatoren mit Xenobiotika. Sie können diese unerwünschten Fremdstoffe aus den Abwässern oxidieren. Die Projektpartner wollen nun Metallschäume mit Tausenden und Abertausenden dieser millimeterkleinen Hohlkugeln erzeugen, die sie dann mit Pilzenzymen laden. Kombiniert zu großen Filtersystemen könnten diese Metallschäume als neue, bioaktive Reinigungsstufe in Klärwerken dienen. Um diese Technologie zur Alltagsreife zu führen, arbeiten die Dresdner Naturstofftechniker mit der Firma ASA Spezialenzyme aus Wolfenbüttel, der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Koblenz und dem CIMTT-Zentrum für Produktionstechnik und Organisation der TU Dresden zusammen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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