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Online-Konkurrenz hat Sachsen Apotheker bisher kaum angekratzt

Die Online-Versandhäuser haben den klassischen Apotheken bisher nur wenig Marktanteile abnehmen können, zumindest bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten. Foto: ABDA

Die Online-Versandhäuser haben den klassischen Apotheken bisher nur wenig Marktanteile abnehmen können, zumindest bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten. Foto: ABDA

Digitalisierung ist ein Schwerpunkt beim sächsischen Apothekertag in Annaberg-Buchholz

Annaberg-Buchholz/Leipzig, 15. April 2016. Die Konkurrenz durch den Online-Arzneimittelhandel hat bisher in Sachsen nicht zum befürchteten massenhaften Aus für niedergelassene Apotheken geführt. „Befürchtungen, dass die Distribution vor allem von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln großflächig in den Online-Handel abwandern und die Existenz der Apotheken vor Ort massiv gefährden könnte, haben sich nicht bewahrheitet“, schätzten der Vorsitzende Thomas Dittrich und Geschäftsführer Peter Schreiber vom Sächsischen Apothekerverband in Leipzig auf Anfrage gemeinsam ein.

Ministerium: Neue Versorgungswege finden, wenn Bevölkerung schrumpft

Auch das Sächsische Sozialministerium stuft die pharmazeutische Versorgung im Freistaat als stabil ein: Mit knapp 1000 Apotheken im Freistaat sei „derzeit eine ausreichende Dichte für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung vorhanden“. Bei zurückgehender Bevölkerung müssten „aber auch neue Wege gefunden werden, um die Versorgung zu sichern“. Apotheker wie auch Ministerium sehen die Digitalisierung im Gesundheitssystem eher als Chance denn als Risiko: „Ich bin überzeugt, wenn die Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen steht, werden wir viele positive Effekte für die gesamte Branche erfahren“, betonte die sächsische Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) im Vorfeld des Apothekertags.

Gesundheitsministerin Barbara Klepsch. Foto: hw

Gesundheitsministerin Barbara Klepsch. Foto: hw

Arbeitsweise wird sich grundlegend ändern

„Die Digitalisierung ist eines der großen Zukunftsthemen der Apotheker in Deutschland und Sachsen“, betonte auch Friedemann Schmidt, der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK). „Die Arbeitsweise aller Akteure im Gesundheitswesen wird sich grundlegend verändern.“

„Nachholende Digitalisisierung“

Über eben diese digitalen Herausforderungen werden am Wochenende (16. und 17. April 2016) voraussichtlich rund 300 Apotheker auf dem 14. Sächsischen Apothekertag in Annaberg-Buchholz diskutieren. Das Gesundheitswesen erlebe derzeit eine nachholende Digitalisierung, hieß es vom Sächsischen Apothekerverband. „Deren Risiken liegen in der ,Entpersönlichung’ der Patientenbetreuung und in der missbräuchlichen Verwendung von sensiblen medizinischen Datensammlungen zum Nachteil des einzelnen Patienten.“ Allerdings sehen die Apotheker auch klare Vorteile: Durch elektronische Vernetzung von Apothekern und Ärzten könnten viele Patienten besser betreut und die Arzneimitteltherapien verbessert werden.

Pilotprojekte wie ARMIN sollen Ärzte und Apotheker vernetzen. Das digitale Medikationsmanagement soll auch helfen, dass chronisch Kranke nicht zuviele Medikamente oder alles durcheinander einnehmen. Foto: ABDA

Pilotprojekte wie ARMIN vernetzen Ärzte und Apotheker. Das digitale Medikationsmanagement soll auch vermeiden helfen, dass chronisch Kranke zuviele Medikamente oder alles durcheinander einnehmen. Foto: ABDA

ARMIN soll Arzneipläne für chronisch Kranke abstimmen

Ein Beispiel dafür ist das sächsisch-thüringische Pilotprojekt „ARMIN“ (Arzneimittelinitiative Sachsen Thüringen). Die Projektpartner wollen dabei ein vernetztes sicheres Medikations-Management aufbauen. Das soll in Zukunft beispielsweise verhindern, dass chronisch kranke Patienten zuviele Medikamente einnehmen oder miteinander unverträgliche Arzneien, wenn sie verschiedene Ärzte und Apotheken aufsuchen. Derzeit sind in Sachsen 217 Ärzte und 497 Apotheker in ARMIN eingeschrieben. Die dritte Projektstufe, das eigentliche Medikationsmanagement, soll demnächst starten.

Elektronische Rezepte geplant

Ein weiteres Digitalisierungsprojekt ist das „eRezept“. Es soll in einer späteren Ausbaustufe der elektronischen Gesundheitskarte das jetzige Papierrezept ablösen. „Sehr kritisch“ sieht der Sächsische Apothekerverband „dagegen so genannte Online-Verschreibungen, die ohne einen persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient und ohne echte ärztliche Untersuchung zustande kommen. Im Ausland werden solche Online-Verschreibungen teils schon praktiziert. Das Grund-Konzept: Die Patienten konsultieren die Ärzte per Internet, diese stellen die Rezepte digital aus und eingereicht werden sie dann auch gleich elektronisch bei einer Online-Versand-Apotheke.

Umstrittene Apotheken-Automatenzentren

Daneben experimentieren Online-Apotheken auch mit Medikamenten-Ausgabeautomaten, die die Arznei-Verteilung in strukturschwachen Regionen beziehungsweise auf dem Lande übernehmen sollen. Die niederländische Versandapotheke DocMorris zum Beispiel plant laut der Deutschen Apotheker-Zeitung in der nordbadischen Gemeinde Hüffenhardt eine Art Tele-Pharmazie-Zentrum. Das Konzept: Dort sollen sich Patienten über Videoterminals beraten lassen und können dann ihre Medikamente auch gleich aus Kommissionierautomaten ziehen.

Laut Apothekerverband sind solche „Abholstationen für Medikamente außerhalb einer Apotheke“ nach deutschem Recht aber gar nicht zulässig. „Die Versorgung wird außerdem ergänzt durch Botendienste“, betonte der Verband auf Nachfrage. „250.000 mal am Tag bringen Apotheken bundesweit Arzneimittel zu Patienten nach Hause“. Auch gebe es die Möglichkeit, Rezeptsammelstellen einzurichten, wenn die nächste Apotheke doch einmal etwas weiter entfernt sein sollte.

Noch rund 20.000 Apotheken in Deutschland

Der Online-Arzneimittelhandel ist in Deutschland seit 2004 erlaubt und hat laut Sächsischem Apothekerverband „nach wie vor sehr geringer Marktanteile bei verschreibungspflichtigen Medikamenten“. In Deutschland gibt es laut der „Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände“ (ABDA) inzwischen noch reichlich 20.000 Apotheken und damit über 1000 weniger als im Jahr 2000.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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