Ausstellung „Scenerie und Naturobjekt“ mit beeindruckenden ganz alten und ganz neuen Antarktis-Fotografien in den Technischen Sammlungen Dresden
Dresden, 11. März 2016. Auf dem 118 Jahre alten Schwarzweiß-Foto sieht der Oktopus klein aus: reg- und farblos liegt er in der Emaille-Schüssel auf dem Schiff. Auf der Farbzeichnung daneben, die der Antarktisforscher Fritz Winter damals aus diesem Foto gezaubert hatte, wirkt das Tier dagegen prächtig, breitet seine Arme aus, strahlt saftig-fleischfarben. Gleich um die Ecke sehen wir die Antarktis dann in ihrer unendlichen Weite: Auf dem meterhohen Foto breiten sich Eis, Schnee, Geröll und Himmel aus, alle Farbe, alles Leben scheinen aus der Szenerie entronnen. Nur wer ganz genau hinguckt, sieht einen Pinguin winzig klein durchs Bild watscheln. „Die pickern einen mit dem Schnabel, wenn ihnen etwas nicht passt“, sagt Fotograf Hans-Christian Schink, dem diese Aufnahme vor sechs Jahren mit einer Großformat-Kamera geglückt war.
Antarktische Fotos von 1898 und 2010 kombiniert
Zu sehen sind diese und weitere neue und alte Fotografien vom eisigen Kontinent ab morgen in den Technischen Sammlungen Dresden (TSD) an der Junghansstraße. Die Exposition „Scenerie und Naturobjekt“ zeigt einerseits wissenschaftlich motivierte Aufnahmen, die ab 1898 während der Expedition des deutschen Forschungsdampfers „Valdivia“ in der Antarktis entstanden sind, andererseits großformatige Fotografien von Hans-Christian Schink, der den Südpol-Kontinent im Jahr 2010 auf einem Kreuzfahrtschiff besucht hatte. Gelungen sind dem gebürtigen Erfurter dabei „beeindruckende Fotografien, die auf den Betrachter fast dreidimensional wirken“, wie TSD-Direktor Roland Schwarz sagt.
Erste deutsche Tiefsee-Expedition auf umgebautem Dampfer
Als der Zoologe Carl Chun und seine Kollegen am 1. August 1898 mit der zum Forschungsschiff umgebauten „Valdivia“ zur ersten deutschen Tiefsee-Expedition aufbrachen, war die Antarktis ein noch wenig erforschter Kontinent. Erst wenige Menschen hatten sich dort blicken lassen. Auf der neunmonatigen Reise gab es das typische Auf und Ab einer Forschungsexpedition, erzählt Ausstellungs-Kuratorin Beatrice Staib. „Da gab es Phasen, in denen manche schon aufgeben wollten, und dann plötzlich den Tag, als der erste Offizier ganz aufgeregt herumlief, weil man eine verschollene Insel wiedergefunden hatte.“
Aquarellpinsel ergänzte fehlende Farbe der Schwarzweiß-Fotoplatte
Die Forscher nutzten die Zeit nicht nur für Beobachtungen und Experimente, sondern fertigten auch viele Fotos von kargen Landschaften, von Eisbergen, Pinguin-Rutschbahnen, von der überlebenswilligen Fauna in der Antarktis an. Expeditionsfotograf Friedrich Wilhelm Winter, der Zoologe Carl Apstein und ein fotografierender Navigationsoffizier konnten dabei ein eigens eingerichtetes Fotolabor mit Dunkelkammer an Bord der „Valdivia“ nutzen. Weil ihnen keine Farbaufnahmen möglich waren, fertigten sie von einigen Motiven zudem Zeichnungen und Aquarelle anhand der Fotos an – auch von diesen künstlerisch verdichteten Werken sind einige in der TSD-Ausstellung zu sehen.
Den Krach der Pinguine blendet die Kamera aus
Besonders wirkungsstark sind aber die Groß-Repros von Schinks Fotos: Er ist als Fotograf eigentlich auf die Zivilisationsspuren in Landschaften spezialisiert. Auf der besagten Kreuzfahrreise in den äußersten Süden wollte er 2010 eigentlich mit Solarisations-Techniken herumexperimentieren. Die kamen aber mangels Sonne nicht zustande. Da entschied sich Schink, ergriffen von den eisigen Landschaften „aus der Situation“ heraus, auf dem so zivilisationsfernen Kontinent intensiver zu fotografieren. Dank Stativ, Langzeitbelichtung und Großformatkamera und natürlich seiner langen Berufserfahrung gelangen ihm ganz außerordentliche Aufnahmen eines Kontinents, der so großartig wie lebensfeindlich wirkt. „So erhaben und weltentrückt, wie die Antarktis hier aussieht, war es aber nicht immer“, sagt der 55-jährige Profi. „Doch auf dem Foto sieht hinterher keiner, dass hinter mir 80 Mitreisende in roten Jacken herumgelaufen sind und die Pinguine vor mir furchbaren Krach und Gestank verbreitet haben.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Besucher-Informationen:
Ausstellung: „Scenerie und Naturobjekt“ – Antarktisfotografien von Hans-Christian Schink (2010) und der Valdivia-Expedition (1898-99)
Ort: Technische Sammlung Dresden (TSD), Junghansstraße 1
Öffnungszeiten: 12. März bis 26. Juni 2016, jeweils Dienstag bis Freitag, 9-17 Uhr, Samstag und Sonntag 10-18 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene 5 Euro, ermäßigt 4 Euro, Kinder bis 7 Jahre gratis
Mehr Infos im Netz: tsd.de
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