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Sensornetze bremsen Sauflust von Olivenhainen

Die Sensoren aus Brandenburg werden mit Magneten an die Blätter von Zitrus- oder Olivenbäumen angeheftet. Eingebettet ist ein Drucksensor, der den aufgebauten Wasserinnendruck der Pflanzenzellen misst. Ein Computerprogramm ermittelt aus diesen Daten, ob die Plantage schon genug Wasser hat. Foto: YARA ZIM Plant Technology GmbH

Die Sensoren aus Brandenburg werden mit Magneten an die Blätter von Zitrus- oder Olivenbäumen angeheftet. Eingebettet ist ein Drucksensor, der den aufgebauten Wasserinnendruck der Pflanzenzellen misst. Ein Computerprogramm ermittelt aus diesen Daten, ob die Plantage schon genug Wasser hat. Foto: YARA ZIM Plant Technology GmbH

Landwirte sparen durch innovative Sensortechnik aus Brandenburg 1/3 Wasser auf künstlich beregneten Feldern

Hennigsdorf, 10. November 2015. Obwohl 71 Prozent der Erdoberfläche von Ozeanen bedeckt sind, ist Wasser für viele Menschen ein knappes Gut. Denn nur etwa drei Prozent der Wassermengen auf unserem Planeten sind trinkbares Süßwasser. Und wiederum etwa 75 Prozent unserer globalen Süßwasservorräte frisst die Landwirtschaft: um Olivenhaine, Orangenplantagen und Weizenfelder zu bewässern, um Vieh zu tränken und dergleichen mehr. Andererseits haben laut Schätzungen des „World Wide Fund for Nature“ (WWF) weltweit über 780 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Moderne Mikroelektronik und Sensortechnik soll nun helfen, dieses globale Wasserproblem zu entschärfen.

Rund ein Drittel des Wassers, das heute noch für die landwirtschaftliche Bewässerung vergossen wird, könnten wir nämlich sparen, wenn wir moderne Sensornetzwerke über Felder und Plantagen spannen, die den tatsächlichen Durst der Pflanzen genau ermitteln, schätzt Simon Rüger. Der 33-jährige Biologe leitet gemeinsam mit Martin Reimer das Unternehmen „Yara ZIM Plant Technology“ im brandenburgischen Hennigsdorf. Und das bietet eben solche künstlichen Augen Landwirten in Südeuropa und Amerika an – „vor allem in südlichen Anbaugebieten, wo viele Flächen künstlich bewässert werden“, sagt er.

ZIM-Sonden fühlen den Zelldruck der Pflanzen

Die Idee dahinter entstand ursprünglich am Lehrstuhl für Biotechnologie an der Uni Würzburg: Sie verwenden dafür Magnete, in die Drucksensoren eingebettet sind. Die werden an beide Seiten eines Pflanzenblatts angeheftet, so dass das Gewächs noch nicht einmal durchlöchert werden muss. Der Drucksensor misst dann aus, wie prall die Pflanzenzellen zwischen beiden Magneten mit Wasser gefüllt sind: Trocknet die Pflanze zu sehr aus, sinkt der Druck, hat sie zuviel getrunken, steigt er.

Diese Informationen leiten die Drucksensoren („ZIM-probe“) über ein kurzes Kabel zu einem Sendemodul („ZIM- transmitter“), das die Daten dann per Funk an Sammelstationen und die wiederum an einen Zentralcomputer weitersenden. Der berechnet schließlich, wieviel Wasser die Oliven- oder Zitrusbäume wirklich noch brauchen, um weder zu vertrocknen noch sich zu übersaufen – und startet oder drosselt dementsprechend die künstlichen Bewässerungssysteme. Dadurch wird der Wassereinsatz auf das tatsächlich nötige Maß reduziert. Das spart nicht nur Kosten, sondern ist besonders wichtig für Landwirte in Regionen, wo Wasser sehr teuer ist oder staatlich rationiert wird, wie etwa im US-Bundesstaat Kalifornien.

Erklärvideo von Yara für Landwirte:
 

Zwar gebe es auch andere Firmen, die Bewässerungssensoren anbieten, räumt Simon Rüger ein. „Aber die messen den Wasserhaushalt im Boden oder in der Luft, unser System dagegen ist direkt an der einzelnen Pflanze angebracht.“ Auf einem Feld mit einer Größe zwischen fünf und 15 Hektar müssen die Landwirte an nur zehn Pflanzen solche „ZIM-probe“-Sonden befestigen, damit sich der Computer im Hintergrund ein recht genaues Bild vom Bewässerungszustand der ganzen Plantage machen kann.

Anfang 2011 entstand auf Basis dieser Technologie die „ZIM Plant Technology“ in Hennigsdorf . Das Konzept überzeugte auch den deutschen Verband für Sensorik und Messtechnik AMA: Der zeichnete die „innovative magnetische, pflanzen-basierte ZIM-Druckmesssonde“ mit dem „SENSOR Innovationspreis 2011“ aus. „Das ist so ein Beispiel für den innovativen Einsatz von Sensorik und Messtechnik, das eigentlich einfach ist, aber bei dem man sich fragt, warum da noch niemand vor langer Zeit drauf gekommen ist“, lobte AMA-Geschäftsführer Dr. C. Thomas Simmons die ZIM-Tüftler. Das Konzept erinnere an die Blutdruck-Messtechnik für den Menschen – nur dass hier eben der Wasserdruck durch ein gleichermaßen simples wie raffiniertes Verfahren ermittelt werden.

AMA-Chef TThomas Simmons. Foto: AMA

Verbands-Chef Thomas Simmons. Foto: AMA

Erfindung soll weltweiten Wassermangel lindern

Inzwischen ist der skandinavische Chemie- und Düngerkonzern „Yara“ in das junge brandenburgische Unternehmen eingestiegen. Die Norweger unterstützen die Firma seitdem bei der internationalen Vermarktung ihrer Erfindung. Nach Pilotprojekten auf den Testfeldern von Forschungsinstituten hat im Jahr 2015 die kommerzielle Verwertung begonnen. Und die ersten Praxiseinsätze in Olivenhainen, auf Weinbergen und auf Zitrusfeldern in Spanien, Brasilien, Chile in den USA geben Anlass zu Hoffnung: „Wir haben inzwischen über 6000 unserer Sensoren verkauft“, sagt Simon Rüger. „Die Wasserersparnis lag in der Praxis zwischen 30 und 40 Prozent.“

Wenn er in die Zukunft schaue, dann sehe er enormes Potenzial für diese Technologie, meint der Biologe. „Die Weltbevölkerung wächst immer weiter, gleichzeitig aber auch der Wasserbedarf für die Landwirtschaft. Im Jahr 2025 wird unser Planet über acht Milliarden Menschen tragen, die sowohl essen wie auch trinken wollen. Wenn wir mit unserer Technologie 30 Prozent des Wasserbedarfs in der Landwirtschaft einsparen können, wäre viel gewonnen.“

-> Mikrochip-Abc

Dieses Interview ist in Vorbereitung für das „Mikrochip-Abc“ entstanden. Das „Mikrochip-Abc“ ist ein Handbuch über moderne Mikroelektronik für Schüler ab Klasse 8. Es wird vom Dresdner Unternehmen „3D:it UG“ produziert und demnächst veröffentlicht. Weitere Informationen über dieses Schulbuch sind hier im Internet zu finden: mikrochip-abc.com

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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