Größere Chip-Scheiben: Bund, Sachsen und EU schießen 30 Millionen Euro zu
Dresden, 2. Oktober 2015. Das Fraunhofer Photonikinstitut IPMS Dresden rüstet seine Reinraum-Pilotchipfabrik an der Maria-Reiche-Straße nun mit einem Investitionsaufwand von 30 Millionen Euro von 150 auf 200 Millimeter große Siliziumscheiben (Wafer) um. Die neuen Chip- und Sensorfertigungslinien sollen vor allem gemeinsame Innovationsprojekte mit den sächsischen Halbleiter-Unternehmen, die meist ebenfalls auf 200-mm-Wafer setzen, erleichtern, erklärte IPMS-Sprecher Dr. Michael Scholles auf Oiger-Anfrage. Das Geld für die Investition stammt aus Fördertöpfen der EU, des Bundes und des Freistaats Sachsen.
Sachsen setzt auf „More than Moore“-Strategie
Die IPMS-Investition ist im Zusammenhang mit einem Strategiewechsel zu sehen, den die sächsische Mikroelektronik und die Wirtschaftspolitiker vor allem seit der Pleite des Speicherchip-Herstellers Qimonda forciert hatten. Statt weiter dem inoffiziellen „Gesetz“ von Intel-Mitgründer Gordon Moore zu folgen und die Zahl der Nanoschalter pro Chip alle ein bis zwei Jahre zu verdoppeln (sogenannter „More Moore“-Ansatz), verfolgen mehr und mehr Mikroelektroniker im Freistaat die „More than Moore“-Methode: Neben klassischen Digitalschaltern, Speichern und Rechenwerken integrieren auch Sensoren, Mikromechaniken und andere neue Funktionen direkt in die Chips.
Foundry-Prinzip soll fabriklosen Hightech-Firmen Zugriff auf innovative Fertigung sichern
Da sich aber nicht jedes kleine oder mittlere Elektronikunternehmen teure Fabriken leisten kann, die diese sehr komplexe Fertigungskette vollständig beherrschen, entwerfen viele dieser Unternehmen ihre „More than Moore“-Systeme lediglich, überlassen die Produktion aber dann Auftragsfertiger („Foundries“) wie etwa Globalfoundries (die allerdings auf 300-mm-Scheiben produziert) oder der X-Fab aus Erfurt, die auch in Dresden ein Werk gleich neben dem IPMS betreibt.
Hoffnung auf neue Kooperationsmodelle
Die neue Reinraum-Anlagentechnik im Photonikinstitut soll nun so ausgelegt sein, dass Mittelständler aus der Region die Steuerelektronik für ihre Mikrosystem-Chips beispielsweise zunächst auf 200-mm-Scheiben in der X-Fab vorproduzieren lassen, diese dann an das IPMS weitergereicht werden, die dann Sensoren und Mikromechanik-Elemente (Aktuatoren) auf die Wafer aufprozessiert. „Die Umrüstung unseres Reinraums wird insofern ganz neue Kooperationen mit der umliegenden Halbleiter-Industrie und die Entwicklung und Fertigung innovativer Produkte ermöglichen“, ist Instituts-Sprecher Scholles überzeugt. Die Förderzusagen von EU Bund und Land werde helfen, „unsere Spitzenposition im weltweiten Wettbewerb weiter auszubauen und neue Felder zu adressieren“, betonten die IPMS-Direktoren Prof. Hubert Lakner und Prof. Harald Schenk.
Über seine Nanoelektronik-Abteilung CNT hat das Photonikinstitut zudem Zugriff auf eine 300-mm-Wafer-Pilotlinie. Diese befindet sich an der Infineon-Chipfabrik in Klotzsche. Die Umrüstung des Reinraums im IPMS selbst, das sich nahe am früheren ZMD befindet, schließt insofern eine Lücke im 200-mm-Segment: Mit 150-mm-Scheiben arbeiten heute nur noch ganz wenige Mikroelektronik-Unternehmen. Laut Schätzungen des Marktanalyse-Unternehmens „IC Insights“ machen solche älteren Fertigungslinien nicht mal mehr ein Zehntel der weltweit installierten Chip-Produktionskapazitäten aus. 28 % machen 200-mm-Linien aus, weitere 62 % sind 300-mm-Fabriken. Autor: Heiko Weckbrodt
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