Leichtbau-Firma „Polymer-Park“ reanimiert alte Sachenwerk-Halle in Dresden
Dresden, 18. Juli 2014: Hier bröckelnde Backsteinmauern unter blindgewordenen Scheiben, Löwenzahn, der sich durch alte Industriehallen zwängt. Da frischgetünchte Fassaden, Tafeln voller bunter Firmenschilder. Dazwischen halbverrostete Stahlzäune, die nichts mehr bewachen außer Unkrautplantagen. Wer die Straße des 17. Juni in Niedersedlitz abfährt, unternimmt eine Zeitreise: durch die Jahre des Wirtschafts-Boom nach der Reichsgründung, Rezession, Arbeiteraufstand, die VEB-Expansion, als das Sachsenwerk immer mehr zu einer Stadt in der Stadt wurde, den Zusammenbruch der DDR-Industrie – und die Reanimationsversuche für das riesige Sachenwerk-Areal nach der Wende.
Champion in der Nische
Und zu dieser Neustart-Geschichte gehören auch Ulrike Hoesch-Vial und Sven Hansen. Die beiden Unternehmer haben sich eine der alten Sachenwerk-Hallen gesichert, sie saniert, mit modernster Technik bestückt und damit die Saat für einen jener legendären „Hidden Champions“ gelegt, jener Weltmarktführer in der Nische, von denen so oft die Rede ist, die aber außerhalb ihrer Branche kaum einer kennt.
Leichtbau-Tafeln für Caravana und Container
Wo einst Armeen von Sachsenwerkern jahrzehntelang Trafos und andere Elektrogroßanlagen montierten, stellt heute die Firma „Polymer-Park“ Verbundwerkstoffe und Leichtbau-Platten her, die in Caravanen, Wohnmobilen, Luftfracht-Containern, auf Baustellen und anderswo verbaut werden, um Holz, Sprit und Ersatzteile zu sparen. Der Holzersatz ist international stark gefragt: Über die Hälfte der Leichtbau-Tafeln gehen in den Export.
Video aus der Produktion (hw):
Industrievergangenheit in Szene gesetzt
Dass die alte Sachenwerk-Halle für Hoesch-Vial und Hansen mehr als ein bloßer Zweckbau ist, merkt man sofort: In seinem Büro hat er die großformatige Repro einer alten Sachenwerk-Radierung aufgehängt. Eine Auftragsarbeit wohl aus der Kaiserzeit, in der der Künstler Glanz und Glorie Industriewerkes inszenierte, das damals sogar einen eigenen Rangierbahnhof hatte. Und auch die Halle selbst haben Beide mit Bedacht ausgewählt: „Wir benötigten für unsere Maschinen eine besonders hohe Halle“, erzählt Polymer-Park-Chef Hansen. „Und außerdem konnten auch den alten Kirow-Portalkran aus Sachsenwerk-Zeiten gut gebrauchen, der auch richtig schwere Werkzeuge heben kann.“
Platten werden in Hitze und Hochdurck geboren
Was es damit auf sich hat, sieht und spürt der Besucher sofort, wenn er das Seitenschiff betritt, in dem die Leichtbauplatten gepresst werden: Ist es draußen schon warm, ist es hier drinnen brütend heiß und die Hitze kommt von einem stählernen Turm. Der saugt ohne Unterlass kleine Polyethylen-, Polystyrol- und anderen Kunststoffkügelchen wie ein Staubsauger ein, schmilzt sie bei 250 Grad, presst sie dann bei einem Druck von 1000 Bar zu Platten zusammen, die später einmal zum Beispiel als Ladeflächen in Lastern oder Trittbretter auf Baugerüsten eingesetzt werden sollen.
Sandwich-Prinzip: Drinnen erstarrte Blasen, draußen Schutzschicht
Der Trick dabei liegt im gezielten Druckabbau in dem 40 Tonnen schweren Werkzeug, der dafür sorgt, dass die Platten drinnen zu einer Art leichter Blasen erstarren und außen eine Schutzschicht ausbilden, erklärt der studierte Verfahrensingenieur Hansen.
Langlebiger Holzersatz
Die fertigen Tafeln sind dann zwar teurer als Holz, aber dafür langlebiger, stabiler und ein Fünftel leichter. Wo sonst Holzverkleidungen nach ein, zwei Jahren durchzufaulen beginnen, halten die Kunststoff-Platten ein Fahrzeugleben lang, versichern die Polymer-Park-Ingenieure. Allein der Ofen-Werkzeug-Turm, in dem diese Platten entstehen, ist so groß wie ein mittleres Eigenheim. Darüber aber dreht und wendet sich auch noch ein Roboter-Arm, der die fertigen Platten stapelt und sortiert. Das erklärt auch die benötigte Hallenhöhe von alten Sachsenwerk-Maßen – und auch die fast menschenleere Fabrikation: Alles ist hier stark automatisiert.
Verbundwerkstoffe im Endlosband
Nicht ganz soviel Raum noch oben benötigt die neueste Taktstraße von Polymer-Park im anderen Hallenschiff, die aber ist dafür umso länger: Hier werden neue Verbundmaterial-Platten mit Glasfaserschichten hergestellt, von denen sich die Polymer-Parker noch viel Wachstumspotenzial für ihr Unternehmen erhoffen. Derzeit macht das Unternehmen vier Millionen Euro Jahresumsatz, in den nächsten anderthalb Jahren sollen es etwa 5,2 Millionen Euro werden.
Technologien werden in Aachen und Dresden entwickelt und gestestet
Entwickelt und getestet wurden die zugrundeliegenden Technologien unter anderem von Forschungsinstituten in Aachen und Dresden. Gefertigt werden die Resultate hochautomatisiert im Dresdner Werk, in dem Hoesch-Vial und Hansen seit dem Start im Jahr 2002 nach und nach alle Firmen-Aktivitäten konzentriert haben. Mittlerweile sind hier 25 Mitarbeiter plus fünf Azubis beschäftigt, weitere Fachkräfte werden derzeit angeheuert.
Hochtechnologie in Kleinserie statt Massenproduktion
Platz für Erweiterungen und andere Firmen ist jedenfalls noch genug: Rings um das heutige, kleinere und hochspezialisierte Sachsenwerk, Polymer-Park, einem Indoor-Spielplatz und die anderen Unternehmen, die sich in alten Sachsenwerk-Immobilien angesiedelt haben, wuchern noch viele Hallen und andere Industriebauten vor sich hin und träumen von längst verklungenen Maschinenlärm. Die Zeiten der großformatigen Massenproduktion im Dresdner Südosten sind wohl endgültig vorbei – heute ist eben Hightech in Kleinserien, in der Nische gefragt, da lohnt sich für keines der Unternehmen, die sich hier nach der Wende angesiedelt haben, noch ein eigener Gleisanschluss. Und so rattern im Hintergrund die S-Bahnen vorbei: Kein Halt mehr am Sachsenwerk-Campus. Autor: Heiko Weckbrodt
Mehr Infos im Netz: polymer-park.com
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