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Geld vom Internetschwarm

Ein Karsruher Startup hat sich die Entwicklung seines E-Hubschraubers mit 18 Elektromotoren teilweise auch über Seedmatch finanziert. Foto: e-volo/Seedmatch

Auch für junge Firmen ist Crowdfunding interessant: Ein Karlsruher Startup hat sich die Entwicklung seines E-Hubschraubers mit 18 Elektromotoren teilweise auch über Seedmatch finanziert. Foto: e-volo/Seedmatch

Immer mehr Dresdner Künstler und Gründer setzen auf „Crowdfunding“

Dresden, 13. Mai 2014: In Dresden gewinnt die Schwarmfinanzierung von Projekten per Internet, das „Crowdfunding“, an Bedeutung – kulturell wie wirtschaftlich. So sind hier mit „Start Next“ und „Seedmatch“ zwei der führenden deutschen Internetplattformen für Schwarmfinanzierung gewachsen, die bisher in Summe über 23 Millionen Euro für neue Ideen aufgetrieben haben.

Andererseits setzen auch immer mehr freie Künstler, Kulturvereine und Firmengründer auf diese neue, basisdemokratische Geldquelle aus dem Netz. Die Dresdner Sinfoniker beispielsweise hatten ihr Maya-Apokalypse-Konzert Ende 2012 durch Crowdfunding mitfinanziert. Und die junge Dresdner Firma „Daktylos Media“ versucht derzeit, so einen Teil der Entwicklungskosten für ihre Kinderbuch-App „Meta Morfoß“ einzusammeln.

Resonanztest per Kreditkarte

Kulturmanager Steffen Peschel. Foto: privat

Kulturmanager Steffen Peschel. Foto: privat

Die wachsende Beliebtheit der Schwarmfinanzierung hat gute Gründe: Zum einen holen sich die Initiatoren dadurch eine erste Resonanzprobe für ihre Idee. Denn nur, wenn die wirklich überzeugt, rücken die Internetnutzer ihre Euros heraus. Zum Zweiten ist Crowdfunding in Zeiten der Rotstiftpolitik in Rathäusern und Ministerien eine willkommene neue Geldquelle. „Im Dresdner Kulturetat stecken etwa 90 Millionen Euro – aber nur rund 350 000 Euro davon sind für freie Kulturprojekte vorgesehen“, sagt der freischaffende Kulturmanager Steffen Peschel. „Da muss man sich eben anderweitig umsehen.“

Dresdner Crowdfunding-Treffs organisiert

Um das anzukurbeln, will der 34-Jährige die Szene vernetzen. Dafür organisiert er nun jeden zweiten Dienstag im Monat Dresdner „Crowdfunding-Treffs“, bei denen sich Künstler und andere Kulturleute über ihre Erfahrungen mit der Schwarmfinanzierung austauschen und Tipps bekommen können. Die Premiere hatte die Reihe gestern Abend im Garten des Dresdner „Wächterhauses“.

Unzahl von Projekten konkurriert inzwischen

Das Modell mag nach einem Goldesel klingen. Doch um Paul Normalnutzer im Netz zu überzeugen, auch nur kleine Beträge zu spenden, müssen Künstler und Vereine einige Mühen investieren, konkurriert doch inzwischen eine Unzahl von Projekten vom Musikfestival bis zum Recherche-Projekt um das Geld des Netzschwarms. „Dafür ist zum Beispiel mehr Transparenz von den Vereinen notwendig“, meint Peschel. „Auch sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, zu bloggen, soziale Netzwerke zu nutzen, zu twittern und so weiter.“

Dresdner Plattformen gehören in Deutschland zu Marktführern

Viele Kinder begeistern sich für Tablet-Spiele und erschließen sich App-Konzepte intuitiv - darauf setzt auch die Kinderbuch-App "Meta Morfoß", von der es bisher erst einen Prototypen gibt. Foto: Daktylos

Daktylos Media versucht derzeit, seine Kinderbuch-App „Meta Morfoß“ über Startnext zu kofinanzieren. Foto: Daktylos Media

Dass diese Konzepte in Dresden längst mehr sind als bloßes Basteln an Luftschlössern, beweisen die Erfolge der hiesigen Crowdfunding-Unternehmen, die sich neben starken internationalen Konkurrenten wie „Kickstarter“ aus den USA und nationalen Mitbewerbern wie „VisionBakery“ aus Leipzig als deutsche Marktführer behauptet haben. Beispiel „Startnext“: Vor vier Jahren gründeten Tino Kreßner und Denis Bartelt in Dresden diese Plattform für Schwarmfinanzierung, heute ist sie deutscher Marktführer in diesem Sektor. 1662 Projekte hat „Startnext“ seitdem erfolgreich durch den Schwarm gelotst und insgesamt 10,7 Millionen Euro eingesammelt – Erfolgsquote: über 60 Prozent. Zu den aktuellen Projekten gehören zum Beispiel eine Astronomie-Brille, die den Sternenhimmel zeigt und dazu Grafiken und Infos einblendet, ein „Männerbücherraum“ für Dresden oder die erwähnte „Meta Morfoß“-App.

Mini-Investoren gesucht: Auch Firmengründungen  sammeln im Schwarm

Nutzt die Abwärme von Rechenzentren für die Hausheizung: Die Dresdner AoTerra hat die Entwicklung per Crowd mitfinanziert. Nun sich sich das Unternehmen "Cloud&Steam". Foto: Cloud & Steam/Seedmatch

Nutzt die Abwärme von Rechenzentren für die Hausheizung: Die Dresdner AoTerra hat die Entwicklung per Crowd mitfinanziert. Nun sich sich das Unternehmen „Cloud&Steam“. Foto: Cloud & Steam/Seedmatch

Sogar über 13 Millionen Euro hat die Dresdner Plattform „Seedmatch“ seit ihrer Gründung im August 2011 von Netzinvestoren eingesammelt. Hier allerdings stehen nicht Kulturprojekte im Fokus, sondern innovative Firmenideen. Gründer Jens-Uwe Sauer wollte damit die vielbeklagte deutsche Kapital-Lücke für riskante neue Unternehmungen schließen, erzählt Sprecherin Dana Melanie Schramm. Entsprechend sind die Bandagen hier auch straffer als bei Startnext: Spenden kann man hier erst ab 250 Euro aufwärts und riskiert eben auch, all sein Geld zu verlieren, sollte das junge Unternehmen pleite gehen. Statt T-Shirts als Belohnung bekommen die Spender – darunter Studenten ebenso wie pensionierte Unternehmer – hier Gewinn- und Veräußerungsanteile am geförderten Unternehmen.

Hohe Erfolgsquote im Crowd-Investing

Und die Erfolgsquote spricht für sich: „Seedmatch“ haut laut eigenen Angaben bisher 61 Firmenprojekte betreut, davon erreichte nur eines das Finanzierungsziel nicht, drei gingen pleite – sowohl für die Crowdfunding- wie auch die Risikokapital-Szene eine sehr gute Quote. Das mag auch daran liegen, dass „Seedmatch“ zwar national operiert, aber alle Gründer, die auf der Plattform gelistet werden wollen, zu ausführlichen Präsentationen nach Dresden zitiert, um die Betreiber zu überzeugen.

Innovative Produkt-Entwicklungen gefördert

Und genommen wird nicht jeder Krautladen, sondern wirklich innovative Projekte: Die junge Dresdner Firma „AoTerra“ beispielsweise sammelte hier eine Million Euro für ihr Konzept, die bisher verschwendete Abwärme von Rechenzentren einzusetzen, um Häuser zu beheizen. Inzwischen nennt sich das Unternehmen „Cloud&Heat“ und operiert international. Eine anderes Gründerteam überzeugte mit einem von 18 E-Motoren angetriebenen Elektrohubschrauber.

Der VibeWrite-Stift "sieht" per Texterkennung Rechtschreibfehler und vibirert, wenn etwas falsch geschrieben wurde. Foto: VibeWrite/ Seedmatch

Der VibeWrite-Stift „sieht“ per Texterkennung Rechtschreibfehler und vibirert, wenn etwas falsch geschrieben wurde. Foto: VibeWrite/ Seedmatch

Und derzeit bemüht sich bei „Seedmatch“ eine Münchner Neugründung um Schwarmgeld für den Stift „VibeWrite“, der anfängt zu vibrieren, wenn der Schreiber Orthografiefehler kritzelt. Kommt das Geld zusammen, wollen die Bayern den Wunderstift im Herbst füpr etwa 90 Euro auf den Markt bringen.

Auch Stadt schwärmt mit

Dass solche Erfolgsgeschichten pure Wirtschaftsförderung und Werbung für Dresden sind, hat auch die „Dresden Marketing-Gesellschaft“ (DMG) erkannt – und im Mai 2012 eine eigene Crowdfunding-Plattform „Dresden Durchstarter“ ins Netz gestellt. Dort werden zwa vor allem Dresdner Kulturprojekte von „Startnext“ eingespiegelt, um sie bekannter zu machen, räumte Sprecherin Karla Kallauch ein. „Aber unser Ziel ist es auch, in Zukunft Dresdner Projekte aus dem wissenschaftlichen Bereich hier zu unterstützen.“ Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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