Forschung, News
Schreibe einen Kommentar

Magnetlabor Rossendorf ausgebaut: Spulen bis zum Zerreißen gespannt

Mit einer neuen Spulen-Generation wollen die Rossendorf den 100-Tesla-Rekord knacken. Abb.: HZDR

Abb.: HZDR

Forschungszentrum hat sein Hochfeldlabor für 20 Millionen Euro ausgebaut

Dresden, 13. Dezember 2013: Dresden-Rossendorf ist nun noch anziehender geworden – vor allem für internationale Forscher: Sachsens Forschungsministerin Sabine von Schorlemer (parteilos) hat heute Vormittag mehrere Tausend Ampere aus einer neugebauten Kondensatorbank durch die Magnetspulen des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) gejagt und damit offiziell den 20 Millionen Euro teuren Anbau für das dortige Hochfeldlabor in Betrieb genommen.

Land will Forschungsstandort Dresden attraktiver machen – und bezahlt

Die Forscher sehen in der Verdopplung ihrer Experimentierfelder mehr Chancen, neue Werkstoffe zu finden, den Weg für hocheffiziente Energieanlagen zu ebnen und Geheimnisse der Festkörper- und Astrophysik zu entschlüsseln. Das Land wiederum hofft, dass der Wissenschaftsstandort Dresden dadurch international attraktiver wird und hat daher den Anbau größtenteils aus eigener Tasche bezahlt – laut Schorlemer schoss der Freistaat rund 17 Millionen Euro zu.

Videoeindrücke von der Einweihung (hw):

„Die Experimente an diesen Anlagen eröffnen großartige Möglichkeiten, zum Beispiel neue Materialien zu untersuchen“, freute sich HZDR-Forschungsdirektor Prof. Roland Sauerbrey. Und von Schorlemer meinte: „Mit diesem Labor haben wir hier in Sachsen ein echtes Alleinstellungsmerkmal in Deutschland.“

Kondensatorbank jagt Tausende Ampere durch die Spulen

Die Kondensatorbank im Dresdner Hochfeldlabor jagt auf einen Schlag 50 Megajoule Energie durch die Spulen. Abb.: HZDR

Die Kondensatorbank im Dresdner Hochfeldlabor jagt auf einen Schlag 50 Megajoule Energie durch die Spulen. Abb.: HZDR

Um dies zu ermöglichen, hat das HZDR an sein vor sechs Jahren errichtetes Hochfeld-Magnetlabor ein zweites Gebäude angedockt, darin eine zweite Kondensatorbank und sechs weitere Pulszellen eingerichtet. Die Kapazitäten für externe Nutzer – in den vergangenen Jahren waren die Anfragen internationaler Gastforscher steil angestiegen – wachsen damit von bisher 200 auf dann 400 Experimentatoren pro Jahr. Sie können fortan genauso wie Dresdner Wissenschaftler von HZDR, TU und anderen Instituten mit Pulsfeldern experimentieren, die zwei Millionen Mal so stark sind wie das Erdmagnetfeld.

Neue Schweißtechniken und Neutronensterne

Solch starke Magnetfelder sind einerseits interessant für die Grundlagenforschung, versprechen andererseits aber auch praktische Ergebnisse in überschaubarer Zukunft: Zusammen mit den Dresdner Fraunhofer-Kollegen haben die Rossendorfer zum Beispiel auf der Basis der Hochfeld-Experimente Anlagen konstruiert, die als unvereinbar geltende Werkstoffe wie Kupfer und Aluminium zusammenschweißen. Auch experimentieren sie mit Magnetschaltern, die Kohlenstoff-Nanoröhrchen mal zu Stromleitern machen, mal zu Isolatoren – diese Technik könnte für superschnelle Computer eingesetzt werden. Aber auch die Vorgänge im Innern ferner Neutronensterne können – zumindest teilweise – in dem Labor untersucht werden.

Zylon-Fasern verhindern Spulen-Sprengung

Prof. Joachim Wosnitza zeigt die Kondensatorbank, die die Energiestöße für die Spulen vorspeichert. Abb.: hw

Prof. Joachim Wosnitza zeigt die Kondensatorbank, die die Energiestöße für die Spulen vorspeichert. Abb.: hw

Es ist freilich immenser Aufwand nötig, um solch starke Felder zu erzeugen: Die erwähnten Kondensatorbänke zum Beispiel saugen sich erst aus dem Stromnetz mit Energie voll und jagen die dann binnen Millisekunden in Stromstärken von mehreren Tausend Ampere durch Magnetspulen. Diese wiederum sind Spezialanfertigungen des Teams um Hochfeldlabor-Chef Prof. Joachim Wosnitza. Denn wenn solch starke Ströme durch Kupferdrähte rasen, erzeugen sie enorme Scherkräfte (Lorenz-Kraft) von vier bis fünf Gigapascal. Dies entspricht etwa dem 40.000-fachen des Luftdrucks. Normale Spulen würden dadurch einfach zerreißen beziehungsweise schmelzen. Auch das Wosnitza-Team hat so anfangs mehrere Spulen verloren.

Inzwischen aber betten die Rossendorfer Experten die Spulendrähte in Zylon-Fasern ein, die eben solche Drücke aushalten. So tasten sie sich nach und nach an den Weltrekord von 100 Tesla heran. Bisher sind sie immerhin bis zu 94,2 Tesla gelangt – was in Europa einzigartig ist, daher auch der Ansturm auf die Rossendorfer Technik. Autor: Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

Rossendorfer wollen künstliche Sonnen zünden

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: Forschung, News

von

Heiko Weckbrodt hat Geschichte studiert, arbeitet jetzt in Dresden als Wirtschafts- und Wissenschaftsjournalist und ist Chefredakteur und Admin des Nachrichtenportals Oiger. Er ist auch auf Facebook, Twitter und Google+ zu finden.

Schreibe einen Kommentar