Papa schaut Fußball, Mama schaut notgedrungen mit – und im Kinderzimmer saugt der Sohnemann über die DSL-Leitung Chart-Hits im Hunderter-Pack bei eDonkey und anderen Internet-Tauschbörsen. Wenig später flattert das Schreiben einer der legendären Abmahnkanzleien ins Haus: Der Junior habe urheberrechtsgeschützte Musik kopiert, macht rund 8800 Euro Abmahngebühr… Was in solchen Fällen zu tun und besser zu lassen ist, hat der Kölner Internet-Rechtsanwalt Christian Solmecke im „Handbuch Filesharing“ aufgeschrieben – natürlich ganz „webzwonullig“ als kostenlos ladbares eBuch.
„Keine Reaktion auf eine Abmahnung ist die denkbar schlechteste Reaktion“, warnt Solmecke da und rät – soweit man nicht wirklich voll und ganz unschuldig ist – zu folgendem Vorgehen: Die meist mitgeschickte Unterlassungserklärung – da sie meist ein volles Schuldeingeständnis impliziert – nicht unterschreiben. Vielmehr soll der Betroffene eine eigene Erklärung an die Abmahnanwälte schicken, in der er erklärt, im beanstandeten und allen weiteren Fällen das Musikkopieren unterlässt. Dies ist wichtig, da sonst für ein geladenes Musikstück nach dem anderen Abmahnungen folgen. Außerdem sollte man als Vergleichsangebot eine deutlich niedrigere Abmahngebühr anbieten – alles weitere ist dann Aushandlungsprozess.
10.000 Abmahnungen in einem Jahr
Das Thema selbst beschäftigt in Deutschland seit einigen Jahren mehr und mehr Anwälte, Gerichte und Betroffene. Zwar gibt es „Filesharing“ (der Austausch von – oft illegalen – Kopien von Musikdateien auf Internetbörsen) schon seit dem Start der Musik-Tauschbörse Napster Ende der 1990er Jahre. Aber erst seit 2006/2007 haben darauf spezialisierte Abmahnanwälte mehr oder minder flächendeckend begonnen, im Auftrag der Musikindustrie Tauschbörsen wie eDonkey zu überwachen und aus den gewonnenen IP-Adressen Abmahnwellen für deutsche Nutzer loszutreten.
Dazu trugen auch die neuere Rechtsprechung und Gesetzesnovellen bei, die es den Abmahnern erleichterten, die IP-Adressen in die Klarnamen von Anschluss-Inhabern übersetzen zu lassen. Allein 2007 sollen angeblich so 10.000 Abmahnungen zu Stande gekommen sein.
Eltern haften für ihre Kinder, der DSL-Besitzer für die WG
Die Spruchpraxis der Gerichte zur Verfolgung von File-Sharern ist zwar teils noch uneinheitlich, aber ein paar Punkte haben sich laut Solmecke bereits herauskristallisiert. So können sich Eltern beispielsweise nicht damit herausreden, sie könnten nichts für die Internetaktivitäten ihrer minderjährigen Kinder. Denn hier unterstellen die Richter Belehrungs- und Sorgfaltspflichten für die Eltern. Auch in Wohngemeinschaften (WGs) kann man die Schuld kaum hin- und herschieben – zumindest zivilrechtlich haftet hier der eingetragene Inhaber des WG-Internetanschlusses.
Werbevideo zum Buch vom Autor:
Dabei kann man Solmecke einige Erfahrung auf dem Gebiet unterstellen: Nach eigenem Bekunden hat seine Kanzlei schon rund 17.000 Filesharer vertreten, auch verfolgt er die laufende Rechtsprechung zum Thema. In seinen Erklärungen steht er insofern auch in seinem eBook sichtlich auf Seiten der Internetgemeinde.
Ähnlich tut dies auch Professor Klemens Skibicki von der „Cologne Business School“, der in seinem Vorwort rhetorisch fragt, „ob das bisherige System geistiger Eigentumsrechte in einer Welt, in der die Mehrheit der gehörten Musik illegalen Downloads entstammt, noch zeitgemäß ist.“
Professor Klemens Skibicki: „Anstatt auf den Wunsch nach Individualisierung und Kostensenkung mit neuen Geschäftsmodellen zu reagieren, begann die Musikindustrie Napster rechtlich zu bekämpfen… Angst und Schrecken, die durch die Abmahnwellen verursacht werden, einerseits sowie andererseits legale kostenpflichtige Downloadangebote führen zu einem stetigen Rückgang der illegalen Downloads. Dennoch werden immer noch rund zehnmal mehr illegale als legale Downloads getätigt.“
Solmecke selbst kennzeichnet in seinem – vor allem als Ratgeber für Eltern von Fileshare-Kiddies gedachten – Buch allerdings Passagen ausdrücklich, in denen seine Rechtsauffassung von der laufenden Urteilspraxis abweicht.
Fazit:
Ein flüssig und auch für Laien gut verständliches eBuch, das durchaus eine Marktlücke füllt, da im Internet zwar viele Tipps gegen Abmahnanwälte herumschwirren, es aber nur wenige auf Internetrecht spezialisierte Experten in Deutschland gibt. Heiko Weckbrodt
Christian Solmecke: „Handbuch Filesharing – Ein Leitfaden für Eltern“, Verlag epubli GmbH, Berlin 2012, 58 Seiten, eBuch kostenlos hier ladbar, gedruckte Version für 15 Euro bei Amazon (ISBN 978-3844223682)Ihre Unterstützung für Oiger.de!
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