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Kommentar: Google – Diener oder Moloch?!

Kann abhängig machen: Das System Google. Abb.: hw, Dalbera, Wikipedia

Vorsicht, kann abhängig machen: Das System Google. Abb.: hw, Dalbera, Wikipedia

Dresden, 24.1.2012: Bis heute erschien mir Google trotz aller potenziellen Machtfülle eher wie ein dienstbarer Geist: Ein Gratis-Postfach ohne spürbares Speicherlimit? Prima. Ein Dolmetscher auf einen Klick? Nützlich. Ein Kalender, der auf jedem Computer verfügbar ist und sich so leicht mit dem iPhone verknüpfen lässt? Toll.

Wie gesagt: bis heute. Denn an diesem Morgen steh ich digital Verwurzelter tatenfreudig auf, schalt meine Rechenkiste an, will meine E-Mails checken – und erstarre: Kein Zugang. Schön, dann schau ich mal in den Kalender, was heute an Terminen anliegt: „Ihr Konto wurde gesperrt.“ Google+: „Ihr Konto wurde wegen eines Verstoßes gegen unsere Nutzungsbestimmungen gesperrt.“ Ich kann aufrufen, was ich will: Gesperrt! Gesperrt! Gesperrt! Hat die NSA zugeschlagen? „Das Netz“? Anonymous?!

Nun, ich will es gleich vorwegnehmen: Da ich nebenbei noch ein wenig mein Geld mit Arbeit verdienen muss, hab ich nicht wirklich den Grund des Desasters herausgefunden, das mich von meinem Dienstkalender, Postfach und all den anderen Dingen abgeschnitten hat. Die sogenannte „Hilfe“ bei Google war nutzlos, ein Anruf bei Google Deutschland endete in einer Bandansage, die darauf hinweist, dass man in Deutschland keinerlei Support anbieten könne, aber sehr wohl Werbung schalten könne – toll!

Fairerweise muss man sagen: Bis zum Abend hatte ich alles wieder freigeschaltet, ich gehe schlicht von einem Fehler in Googles System aus. Womit aber das Wort geschrieben wäre: „System“. Klar hat schon in der Vergangenheit Googles Omnipräsenz ein wenig Bauchkribbeln erzeugt. Diese Tendenz zum Beispiel, dass immer mehr Blogger die Wortwahl ihrer „journalistischen“ Beiträge nicht nach Sachgründen, sondern nach einem guten Ranking bei Googles Suchrobotern ausrichten. Oder diese Aufregerei seinerzeit um die Streetview-Fotofahrzeuge von Google: Damals habe ich das als Hysterie der Analoggeneration abgetan, wenn sich manche Leute darüber aufgeregt haben. Oder die Deutungshoheit, was wichtig ist in der Welt und was nicht, die Google über die Marktdominanz seiner Suchmaschine erreicht hat. Und irgendwie ahnte man ja schon, dass es riskant ist, Kalender, Mails und viele andere Dienste mit nur einem Konto zu verknüpfen, das von einem Milliarden-Konzern im fernen Kalifornien verwaltet wird…

Doch erst wenn einen dieses still und leise mit lockenden Leckereien aufgebaute System mich abschneidet, merkt man eben erst richtig, wie groß diese „Matrix“ geworden ist, und wie sehr man all sein Tageswerk auf das Funktionieren dieses Systems abgestimmt hat. Man bedenke den Domino-Effekt: Mit einem Schlag kommt man nicht mehr an seinen dienstlichen und privaten Kalender heran, an seine Picasa-Fotoalben, erhält keine E-Mails mehr (die bis hin zur Paketbenachrichtigung von DHL natürlich alle mit dem Google-Konto verknüpft sind), kommt nicht mehr an das Adressbuch heran, an seine Kontakte bei Google+, wenn man Google Docs als Office nutzt, sind auch Texte betroffen und und und… Dann beschleicht einen schon das Gefühl, dass aus einem Diener ein Moloch geworden ist, von dessen Gutdünken man ganz schnell viel zu abhängig wird. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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