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USK-Kriterien veröffentlicht: Schleichen okay, zivile Opfer tabu

Mehrstufiges Prüfsystem in Deutschland

Tödliche Gewalt gegen menschliche virtuelle Gegner füht meist zum P18-Prädikat. Abb.: BSF

Tödliche Gewalt gegen menschliche virtuelle Gegner füht meist zum P18-Prädikat. Abb.: BSF

Berlin, 5.8.2011: Warum wird das eine Videospiel de facto verboten, das andere für Jugendliche freigegeben? In Deutschland gibt es für die Alterseinstufung und Zensur von Spielen ein mehrstufiges – und seit jeher umstrittenes – System: Alle Titel werden von der „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK) in Berlin begutachtet. Dabei handelt es sich um ein (als eher liberal geltendes) Gremium, in dem Vertreter der Jugendbehörden, Jugendhelfer, Journalisten, Politiker und der Software-Branche sitzen. Lehnt die USK eine Alterseinstufung wegen schwerer Bedenken ab oder wird dies von einem Jugendamt gefordert, schaltet sich die  Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ein, die ein Spiel als jugendgefährdend einstufen kann und damit den öffentlichen Verkauf de fato unterbindet. In Ausnahmefällen wird auch die Staatsanwaltschaft tätig, wenn ein Spiel zum Beispiel so drastische Szenen enthält, dass eine Gesetzesüberschreitung vermutet wird.

Leitkriteren nun im Internet abrufbar

All diese Zensur- und Einstufungsverfahren sind auch deshalb immer wieder angegriffen worden (von liberaler wie konservativer Seite), da die Gutachtergremien in der Regel geheim tagen und die Kriterien kaum in der Öffentlichkeit erklärt werden. Dieses Problem ist die USK nun angegangen und hat jetzt ihre Leitkriterien veröffentlicht.

Demnach beurteilen die Testspieler und Gutachter unter anderem die Realitätsnähe des jeweiligen Spiels, den Handlungsdruck, die Option gewaltfreier Konfliktlösungen, die atmosphärische Dichte, die Menschenähnlichkeit der Spielegegner, die Detalliertheit von Gewaltdarstellungen, aber auch enthaltene sexuelle Anspielungen, Drogenkonsum oder Diskriminierungen im Spiel. Beispiele: Kann der Spieler in einem Egoshooter eine Aufgabe auch durch Schleichen statt Frontalballerei lösen, kann dies zu einer niedrigeren Alterseinstufung führen. Darf man hingegen unbeteiligte Zivilisten in der virtuellen Welt ohne Strafe töten (Beispiel: Das Flughafenmassaker in „Call of Duty Modern Warfare 2“), führt das in aller Regel mindestens zu einer P-18-Einstufung.

Zwei Drittel der Grundschüler zocken mindestens einmal pro Woche

Testspieler nehmen für die USK ein Spiel unter die Lupe. Abb: USK

Testspieler nehmen für die USK ein Spiel unter die Lupe. Abb: USK

Dabei gehen die Gutachter davon aus, das es in jeder Altersgruppe auch Jugendliche gibt, auf die gewalttätige Videospiele einen Kipp-Effekt haben können – allerdings ohne Extrempersönlichkeiten zu berücksichtigen. Als besonders wichtig sieht die USK die Begutachtung für die Altersgruppe der Pubertierenden an, die sich in einem „individuell riskanten Übergang zum Herausbilden autonomer Moralvorstellungen innerhalb der Gesellschaft“ befinden. Aber auch die Einschätzung von Spielen für jüngere Zielgruppen gewinne an Bedeutung: „Heute sind Computerspiele ein selbstverständlicher Teil unserer Alltagskultur geworden“, heißt es in dem USK Papier. Und: „Der Beginn des Interesses von vielen Kindern am digitalen Spiel liegt im frühen Schulalter. Rund zwei Drittel der 6 bis 13-Jährigen nutzen Computer-, Konsolen- und Onlinespiele mindestens einmal pro Woche.“

Heiko Weckbrodt

Die Leitlinien als PDF-Dokument

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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