Filme, Geschichte, News
Schreibe einen Kommentar

DVD „Der Aufmarsch der Armeen“: propagandistische Kriegsromantik

Treu und fest steht die Wacht am Rhein: Auszug aus dem deutschen Spionagefilm "Sturmzeichen" von 1914. Abb.: Absolute Medien

Treu und fest steht die Wacht am Rhein: Auszug aus dem deutschen Spionagefilm „Sturmzeichen“ von 1914. Abb.: Absolute Medien

Zweiter Teil der Weltkriegs-Archivedition zeigt auch Spionagefilme von 1914/15

Das Gewehr geschultert, äugt ein deutscher Reiter im Schattenriss nach dem Feind: „Treu und fest steht die Wacht am Rhein“, wird dem Zuschauer per Zwischentitel versichert – ein Ausschnitt aus dem propagandistischen deutschen Spionagefilm „Sturmzeichen“ aus dem Jahr 1914. Im Stummfilm jener Zeit ist der große Krieg, der gerade erst begonnen hat, kein Gemetzel aus Stahl, Blut und MG-Feuer, sondern ein lustiges Haudrauf mit bunten Uniformen, Pickelhauben, heroischen Nahkämpfen und listigen Spionen. Insgesamt elf solcher Dokumentar- und Spielkurzfilme aus diesen Jahren haben das „Deutsche Filminstitut“ und „Absolute Medien“ in digitalisierter Form nun auf der DVD „Aufmarsch der Armeen“ veröffentlicht, im zweiten Teil ihrer „Erster Weltkriegs Archiv Edition“.

Werbevideo (Absolute Medien):

Hohler Pomp eines todgeweihten Systems

Stark geprägt von christlicher Opfer-Ikonografie: "Der kleine lombardische Wachtposten" (Italien 1915). Abb.: Absolute Medien

Stark geprägt von christlicher Opfer-Ikonografie: „Der kleine lombardische Wachtposten“ (Italien 1915). Abb.: Absolute Medien

Darunter finden sich zum Beispiel die letzten Aufnahmen von Thronfolger Franz Ferdinand vor dem tödlichen und kriegsauslösenden Attentat am 2. Juni 1914 in Sarajevo. Da funkelt noch ein bisschen vom längst hohlen Pomp der Donau-Monarchie, von der alten Zeit des Adels und der Kaiser, die im folgenden Weltkrieg im Blut der Millionen untergehen sollte. Auch andere Kurzfilme wie der italienische „Der kleine lombardische Wachtposten“ (1915) , auch das erwähnte deutsche „Sturmzeichen“ (1914) über den Einmarsch der Franzosen in das Elsass oder auch der aufwändige dänische Spionagefilm „Mit Faereland, min Kaekighed“ (1915) atmen noch ganz die klassische Ikonografie und Kriegsromantik – ganz anders, als es die Soldaten in den Schützengräben tatsächlich erlebten.

Mit der Gasmaske verkleidet durch die Postenketten

Und wenn die Insignien des neuen Maschinenkrieges – wie etwa die Gasmaske – doch mal auftauchen, dann als lustiger Mummenschanz: Im erwähnten dänischen Spionage-Thriller zum Beispiel verkleidet sich die Tochter des von Soldaten besetzten Herrenhauses als Offizier mit übergestülpter Gasmaske, rast mit einem Oldtimer durch feindlichen Postenketten – und die salutieren auch noch, obwohl ganz offensichtlich kein Gasangriff im Gange ist. An Plausibilität kaum zu überbieten – und urkomisch anzusehen…

Koloration als neues Stilmittel

Zugleich aber zeigen die gewählten Beispiele, welche großen Fortschritte das damals noch junge Medium „Kinofilm“ seinerzeit machte, welche stilistischen Experimente bis hin zu monochrom colorierten Schwarz-Weiß-Aufnahmen die Filmemacher damals unternahmen, um das Publikum in den Bann ihrer Geschichten zu schlagen.

Training mit dem Bajonett - der Alltag im Weltkrieg sag für die Soldaten ganz anders aus. Abb.: Absolute Medien

Training mit dem Bajonett – der Alltag im Weltkrieg sah für die Soldaten ganz anders aus. Abb.: Absolute Medien

Profunde Kommentare aus historischer, künstlerischer und filmtechnischer Sicht

Kommentiert werde die historischen Clips – von denen einige nur wenige Minuten, andere über eine halbe Stunde lang sind – diesmal im Hintergrund gleich von drei Fachleuten: Historiker Prof. Christoph Cornelißen beleuchtet die zeitgeschichtlichen Hintergründe, Filmexperte Felix Schürmann eher die kunsthistorischen Fortschritte, Restauratorin weißt auf interessante filmtechnische Aspekte hin, die der Laie leicht übersehen würde.

Fazit: Faszinierende Schlaglichter auf Kriegsvorstellungen

Abb.: Absolute Medien

Abb.: Absolute Medien

Diese Weltkriegs-Edition, die letztlich sieben DVDs umfassen soll, kann ich nur jedem historisch Interessierten ans Herz legen, wobei man sich die Filme unbedingt in der kommentierten Fassung anschauen sollte. Aber auch auf die künstlerisch-stilistische Entwicklung des Mediums Film wirft die Kollektion sehr interessante Schlaglichter und –schatten. Wobei Letzteres wörtlich zu verstehen ist: Leider saufen manche Digital-Kopien stellenweise etwas in Licht und Dunkel ab, was freilich am vorliegenden Quellenmaterial beziehungsweise früher angefertigten, etwas unprofessionellen Digitalisaten liegt. Autor: Heiko Weckbrodt

Der Aufmarsch der Armeen“ (Absolute Medien), DVD 2 der „Erster Weltkrieg Archiv Edition“, Stumm-Dok- und Spielfilme aus Deutschland. Dänemark, Italien und Frankreich aus den Jahren 1914/15, 117 Minuten, sw (tlw. Monochrom koloriert), 14 Euro

Zum Weiterlesen:

DVD 1 der Weltkriegsedition: Das alte Europa

Der Alltag im Maschinenkrieg

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

Schreibe einen Kommentar