News, Wirtschaft, zAufi

Ökonomen einigen sich auf Stagnation für Deutschland

Das Stimmungsbarometer in der ostdeutschen Wirtschaft zeigt auf Abschwung. Grafik: Dall-E / hw

Nicht nur die Stimmung, sondern auch die Lage in der deutschen Wirtschaft ist schlecht. Grafik: Dall-E / hw

Vor allem Industrie schwächelt und kommt nicht aus dem Corona-Tal heraus

Berlin, 26. August 2024. Die deutsche Wirtschaft kommt einfach nicht aus dem Tal heraus, in dem sie seit Corona, Wirtschaftskriegen und Ukraine-Krieg feststeckt: In diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt hierzulande um 0,1 Prozent schrumpfen, um dann nächstes Jahr vielleicht um 0,8 Prozent zu steigen. Auf diese Prognose haben sich nun die führenden Wirtschaftsforschungs-Institute festgelegt. Mit dieser nun in Berlin vorgelegten Gemeinschaftsdiagnose senken sie ihre früheren Prognosen noch einmal um 0,2 (2024) beziehungsweise 0,6 (2025) Prozentpunkte, berichten Ifo, IfW Kiel und weitere Institute.

Energiekosten und Transformationslasten

Die Wirtschaftsforscher machen für diese langanhaltende Stagnation in Deutschland langfristige wie auch jüngere und aktuelle Entwicklungen verantwortlich: „Neben der konjunkturellen Schwäche belastet auch der strukturelle Wandel die deutsche Wirtschaft“, meint Dr. Geraldine Dany-Knedlik vom „Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung“ (DIW Berlin). „Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel und wohl auch der stärkere Wettbewerb mit Unternehmen aus China haben strukturelle Anpassungsprozesse ausgelöst, die die Wachstumsperspektiven der deutschen Wirtschaft dämpfen.“ Auch in den nächsten Jahren sei nicht damit zu rechnen, dass Deutschland wieder an die Dynamik der Vor-Corona-Zeit anknüpfen könne.

Vor allem steuer- und gebührenfinanzierte Sektoren wachsen

Eigentlich wachsen nur noch steuer- und gebührenfinanzierte Segmente in Deutschland, etwa der Staatsapparat, Erziehungs- und Gesundheitswesen. Schlecht ist es hingegen um die Industrie, die bisher wesentlich die Kosten für diese öffentlich Beschäftigten erwirtschaftet hat: Vor allem Auftragsmangel, Bürokratie, hohe Energiekosten und Transformationslasten schwächen das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft, führen zu Personalabbau, steigender Arbeitslosigkeit, Abwanderung und De-Industrialisierung.

Von wegen „nur Dumping“: Technologisches Niveau der Konkurrenz aus China wächst

Hinzu kommt das wachsende technologische Niveau der ohnehin billigeren Konkurrenz-Produkte aus China: Das Reich der Mitte läuft dem ehemaligen Export-Weltmeister Deutschland in immer mehr Disziplinen den Rang ab. Unterm Strich leide die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie vor allem „unter den gestiegenen Energiekosten und der zunehmenden Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China, die deutsche Exporte auf den Weltmärkten verdrängen“, heißt es von den Wirtschaftsweisen.

Hoffnung auf Impulse aus Nachbarländern

Auch für die nächste Zukunft schätzten die Ökonomen die Aussichten für die deutsche Wirtschaft eher pessimistisch ein: „Die strukturellen Anpassungsprozesse dürften dem Gutachten zufolge andauern und die konjunkturellen Bremsen sich nur langsam lösen“, betonen sie. Immerhin sei aber in nächster Zeit wieder mit belebenden Impulsen für einige Wirtschaftssektoren zu rechen. So rechnen die Ökonomen mit etwas anziehenden Investitionen in Deutschlands europäischen Nachbarländern, in denen die Konjunktur anzieht, auch begünstigt durch wieder etwas sinkende Zinsen.

Denn außerhalb Deutschlands stehen die Signale eher auf Wachstum, wenn auch ebenfalls gedämpft im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten: „Die Weltwirtschaft expandiert gegenwärtig mit etwas geringeren Raten als in der Dekade vor der Covid-19-Pandemie“, heißt es in einer Ifo-Einschätzung. „Während die bisher sehr robuste Konjunktur in den USA nun doch an Fahrt verliert, dämpfen in China die strukturellen Probleme die gesamtwirtschaftliche Expansion etwas stärker als zuvor. Gleichzeitig ist die Wirtschaft in Europa nach einer langen Stagnationsphase wieder aufwärtsgerichtet. Im Euroraum nahm das Bruttoinlandsprodukt nach eineinhalb Jahren annähernder Stagnation im ersten und zweiten Quartal merklich – um jeweils ¼% – zu.“

Seit Corona tritt deutsche Wirtschaft nur noch auf der Stelle

Die deutsche Wirtschaftsleistung war 2021 noch um 3,7 und 2022 um 1,4 Prozent gewachsen. Allerdings hatten die Volkswirte damals einen weit schnelleren Ausgleich der Einbrüche erwartet, die durch Corona, Ausgangssperren und andere Maßnahmen der Regierungen sowie schwere Lieferkettenstörungen ausgelöst worden waren. 2023 schrumpfte das deutsche BIP dann bereits wieder um 0,3 Prozent.

Arbeitslosigkeit steigt, Trend wird aber durch demografischen Wandel gebremst

Die Stagnation in Deutschland schlägt sich inzwischen auch in Entlassungen nieder, wobei der generelle Arbeitskräftemangel dafür sorgt, dass die Arbeitslosigkeit nicht ganz so schnell steigt wie es sonst wohl der Fall wäre. „Auf dem Arbeitsmarkt zeigt der wirtschaftliche Stillstand mittlerweile deutlichere Spuren“, warnen die Volkswirtschaftler. „Die Zahl der Arbeitslosen ist zuletzt weiter leicht gestiegen. Erst im Verlauf des kommenden Jahres, wenn sich die wirtschaftliche Aktivität allmählich erholt, dürfte die Arbeitslosigkeit wieder zurückgehen.“

Autor: hw

Quellen: Ifo, IfW Kiel, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt