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Lichtbälle gegen Militärbremsen

Celina Scheumann lötet Platinen für Messsonden im Lumiloop-Labor in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Celina Scheumann lötet Platinen für Messsonden im Lumiloop-Labor in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner Uni-Ausgründung Lumiloop baut lasergespeiste Sensorsysteme, mit denen Technologiekonzerne weltweit Störfelder ausmessen

Dresden, 7. November 2022. Die Freude über die niegelnagelneue Marken-Waschmaschine mit den 47 Programmen währte für Rita* nicht lange: Schon am dritten Tag erstarrte die Trommel mitten in der Wäsche. Bei den folgenden Startversuchen drehte die Maschine vollkommen durch. Selbst ein Komplettaustausch änderte nichts daran: Auch die neue Maschine wusch manchmal anstandslos und verweigerte an anderen Tagen den Dienst. Es war wie verflixt. Bis sich ein paar echte Experten das Teil in Aktion vorknöpften und die Ursache herausfanden: Rita legte ihr Handy im Bad gern auf der Waschmaschine ab – und wenn sie das Telefon auf einer ganz bestimmten Stelle positionierte, brachten die elektromagnetischen Felder des Smartphones die Waschmaschinen-Elektronik unter der Kunststoffhaube durcheinander.

Vertrackte Kettenreaktionen wie die in Ritas Waschmaschine sind für die Uni-Ausgründung „Lumiloop“ im Technologiezentrum Dresden das täglich Brot: Zwar schwärmt das 15-köpfige Team nicht in Haushalte aus, um solche Probleme vor Ort zu lösen. Aber die Ingenieure, Uhrmacher und anderen Spezialisten von Lumiloop stellen ganz spezielle Messtechnik her. Und die erkennt selbst kleinste elektromagnetische Störfelder von außen, die ein Haushaltsgerät, ein Elektroauto oder ein Smartphone zum Durchdrehen bringen können. Ein wichtiger Punkt dabei: Auch die dünnen stromführenden Kupferkabeln normaler Geräte könnten solche Untersuchungen zunichte machen. „Jede Metallstruktur würde die Messungen zu sehr verfälschen“, erklärt Samuel Hildebrandt, einer der Gründer und Chefs von Lumiloop.

Die Lumiloop-Geschäftsführer Samuel Hildebrandt (links) und Eike Suthau mit ihrer Messtechnik für elektromagnetische Felder. Die kleinen "Golfbälle" auf dem Tisch enthalten Antennen, die einerseits Störfelder von außen, anderseits aber auch die von neuen Autos, Haushaltsgeräten oder Smartphones abgestrahlen Felder ermitteln können. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Lumiloop-Geschäftsführer Samuel Hildebrandt (links) und Eike Suthau mit ihrer Messtechnik für elektromagnetische Felder. Die kleinen „Golfbälle“ auf dem Tisch enthalten Antennen, die einerseits Störfelder von außen, anderseits aber auch die von neuen Autos, Haushaltsgeräten oder Smartphones abgestrahlten Felder ermitteln können. Foto: Heiko Weckbrodt

Photonischer Energietransfer an der TU Dresden entwickelt

Um dieses Ungenauigkeits-Schikane zu beseitigen, entwickelten er sowie seine Mitstreiter Eike Suthau und Lars Wolter an der TU Dresden ein neues Energieübertragungssystem für solche Geräte: Statt Strom per Metallkabel zu übertragen, transferieren sie die benötigte Energie mit Hilfe von Licht in die Golfball-großen Sensorsonden in den Messkammern. Dafür pumpt zum Beispiel ein kleiner Laser mit einem Watt Leistung energiereiche Photonen durch ein Glasfaserkabel. In der Messsonde wandelt dann eine speziell dafür optimierte Solarzelle die Lichtenergie wieder in Strom um. Im Sensorball kommt zwar wegen der Wandlungsverluste nur noch ein halbes Watt an. Aber das reicht für die elektronischen Bauelemente darinnen. Zudem zieht das System immer nur so viel Leistung, wie für die aktuelle Messung wirklich nötig ist. „Würden wir den Laser die ganze Zeit mit Vollleistung laufen lassen, würde er beizeiten aussteigen“, erklärt Samuel Hildebrandt. Durch die adaptive Energieversorgung verlängere sich die Lebensdauer dieser Kernkomponenten auf das Fünffache. Zudem werde auch vergleichsweise wenig Energie als Abwärme vergeudet.

Die TU-Ingenieure erkannten seinerzeit rasch das Marktpotenzial dieses innovativen Konzeptes und gründeten auf dieser Basis im Jahr 2015 ihr Unternehmen „Lumiloop“. Das „Lumi“ im Firmennamen steht dabei für das lateinische „Licht“ und der englische „Loop“ für die Energiespar-Regelschleifen.

Wenn die Radarkuppel das Auto lahmlegt

Dass dieses System aus Dresden Feldverträglichkeits-Tests mit höchster Präzision erlaubt, hat sich mittlerweile international herumgesprochen. Zu den Nutzern der Lumiloop-Messgeräte gehören beispielsweise Apple, Bosch, Mercedes-Benz, Kawasaki und viele andere Branchengrößen. Denn diese Hochpräzisions-Messungen sind nicht etwa nur ein Sahnehäubchen in der Qualitätssicherung, sondern in vielen Branche vorgeschrieben und in manchen Fällen sogar essenziell dafür, dass das Produkt in jeder Alltagssituation funktioniert. Ritas Waschmaschine ist da kein Einzelfall: In den USA beispielsweise, in denen Militärstützpunkte viel dichter gesät sind als in Deutschland, haben bis vor ein paar Jahren mit Elektronik vollgestopfte Autos immer wieder an Standorten von Luftwaffe, Heer oder Marine aus Gründen versagt, die auf den ersten Blick völlig schleierhaft erschienen: Manche ließen sich einfach nicht mehr öffnen, andere blieben ohne erkennbaren Anlass mitten in der Fahrt stehen. Schuld waren daran oft Radarstationen, deren Strahlen moderne Fahrzeuge unbeabsichtigt stilllegen können. Auch hier kam Lumiloop-Messtechnik zum Einsatz, um die Probleme letztlich einzugrenzen und zu beheben.

Mittlerweile sehen sich die Dresdner in ihrer Messtechnik-Nische als Technologieführer, als „Hidden Champion“, wie es neudeutsch so schön heißt. „Als nächstes wollen wir auch umsatzmäßig Weltmarktführer in diesem Segment werden“, kündigt Hildebrandt an. Dabei gelte es, noch zwei größere Konkurrenzen in den USA und in den Niederlanden zu überholen.

Eine Sensorkugel im elektromagnetisch abgeschirmten Messraum von Lumiloop im Technologiezentrum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Eine Sensorkugel im elektromagnetisch abgeschirmten Messraum von Lumiloop im Technologiezentrum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Auf dem Weg dorthin hat das Unternehmen erst kürzlich seine Entwicklungs- und Produktionskapazitäten im Technologiezentrum an der Gostritzer Straße auf rund 500 Quadratmeter verdoppelt, neue Anlagen gekauft und eine eigene Messkammer gebaut. Angesichts der steigenden Nachfrage rechnet Hildebrandt damit, dass sich die Belegschaft in den nächsten zehn Jahren auf bis zu 100 Beschäftigte erhöhen könnte. „Wir suchen ständig Elektrotechniker, Ingenieure und andere Fachkräfte.“

Windkraft und Hochspannungsnetze rücken in den Fokus

Diese zusätzlichen Experten wird das Unternehmen auch für den Aufbau neuer Geschäftsfelder brauchen. Denn die Lumilooper wollen sich nicht in ihrer Nische ausruhen, sondern neue Anwendungen und Kunden für ihre photonische Energietransfer-Technik und Sensorik zu erschließen: „Wir denken da zum Beispiel an Hochspannungsnetze und Windkraft“, verrät der Geschäftsführer. So könnten die kupferkabel-freien Sensoren aus Dresden beispielsweise den Zustand und die Rest-„Lebensdauer“ von Windkraft-Rotorblättern überwachen, ohne – wie bei klassischen Drahtlösungen – gleichzeitig die Blitzgefahr zu erhöhen. Auch auf Überlandleitungen mit Hochspannungen um die 750.000 Volt wären mit Lichtenergie gespeiste Sensoren sinnvoll, um die Stabilität und Qualität im Stromnetz zu kontrollieren. Das mag für den Laien zwar sehr speziell klingen. Aber wenn sich in die Netze zu viele kleine Spannungsspitzen und -täler jenseits einer idealen Sinuskurve einschleichen, kann dies beispielsweise verhindern, dass sich Elektroautos wieder aufladen. Die Messtechnik für diese beiden neuen Einsatzfelder befinden sich allerdings noch in der Entwicklung.

Investoren wie die Sparkassen-Tochter „SIB Innovations- und Beteiligungsgesellschaft“ aus Dresden halten jedenfalls viel von den Lumiloop-Plänen: „Uns haben das technologische Konzept, die Top-Mitarbeiter im Team und das Marktpotenzial überzeugt“, erklärte SIB-Chef Christian Müller erst kürzlich.

Kurzüberblick:

  • Name: Lumiloop GmbH
  • Hauptsitz: Technologiezentrum Dresden, Gostritzer Straße
  • Geschäftsmodell: Entwicklung und Produktion von Spezialmesstechnik für elektromagnetische Verträglichkeitsprüfungen (EMV)
  • Einsatzfelder: Automobile, Smartphones, Haushaltgeräte, Elektrowerkzeuge u. a.
  • Belegschaft: Zwei Gründer (Eike Suthau und Samuel Hildebrandt) und 13 Beschäftigte
  • Umsatz: ca. zwei Millionen Euro
  • Weitere Infos im Netz: lumiloop.de

* Name geändert, Szenario komprimiert

Hinweis: Dieser Artikel ist in einer ähnlichen Version zuvor in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Termin Lumiloop, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt