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Chipindustrie baut Kapazitäten 2022 weltweit um 8,7 % aus

Teurere Stromspar-Speicher für mobile Geräte sind gefragt - hier ein Low-Power-DDR3-Chip von Hynix. Foto: Hynix

Auch Hynix will seine Kapazitäten ausweiten. Foto: Hynix

Auch in den nächsten Jahren ist angesichts hoher Halbleiter-Nachfrage mit neuen Fabriken zu rechnen

Scottsdale, 23. April 2022. Die globale Mikroelektronik-Industrie wird ihre Produktions-Kapazitäten in diesem Jahr um 8,7 Prozent steigern. Das hat das US-Marktforschungsunternehmen „IC Insight“ aus Scottsdale in Arizona prognostiziert. Die Halbleiterwirtschaft reagiert damit auf die stark gewachsene Chip-Nachfrage aus dem Automobilsektor und weiteren Branchen. In der vergangenen Jahren waren Zuwachsraten zwischen vier bis 6,5 Prozent üblich gewesen.

Die Wafer-Kapazitäten repräsentieren die Chipfabriken, die weltweit verfügbar sind, die Waferstarts die tatsächliche Produktion. Bemerkenswert: Die Fertigung schrumpfte schon 2019, also bevor Corona zur Pandemie wurde, und weitete sich 2021 um fast ein Fünftel aus. Grafik: IC Insights

Die Wafer-Kapazitäten repräsentieren die Chipfabriken, die weltweit verfügbar sind, die Waferstarts die tatsächliche Produktion. Bemerkenswert: Die Fertigung schrumpfte schon 2019, also bevor Corona zur Pandemie wurde, und weitete sich 2021 um fast ein Fünftel aus. Grafik: IC Insights

IC Insights: Großteil des Wachstums durch zehn neue Megafabs

Das starke Wachstum im Jahr 2022 sei „in erster Linie auf die Hinzufügung von zehn neuen 300-mm-Waferfabriken zurückzuführen, die dieses Jahr eröffnet werden sollen“, erklären die Analysten. Dazu gehören neue Speicherfabriken von SK Hynix und Winbond sowie drei neue Megafabs von TSMC in Taiwan und China. Und das chinesische SMIC baut ein zusätzliches Werk für Auftragsarbeiten, also für den Foundry-Betrieb.

Ausblick: Intel und TSMC bauen auch außerhalb ihrer Heimat neuen Fabriken

Auch für die kommenden Jahre ist mit einem starken Kapazitätsausbau in der weltweiten Halbleiterindustrie zu rechnen. So will der ehemalige Branchenprimus Intel zwei Megafabs in Magdeburg bauen sowie seine Kapazitäten im irischen Leixlip und im Heimatland USA erweitern. Und auch TSMC will nun verstärkt außerhalb der Heimat investieren – derzeit ringt unter anderem Sachsen um eine Großfabrik der Taiwanesen. Letztlich sind diese Auslandsinvestitionen dieser beiden Riesen wie auch die Resilienz-Programme vieler anderer Mikroelektronik-Hersteller eine Konsequenz aus Trumps Handelskriegen, Corona, Ukraine-Krieg und zahlreichen Lieferkettenstörungen. Die Überlegung dabei: Wer auf vielen Kontinenten produziert, macht sich krisenfester, verankert sich besser auf diesen Märkten und kann unter Umständen auch die Subventionswettläufe der verschiedenen Standorte weltweit nutzen.

Ein Wafer-Test im Globalfoundries-Werk Dresden, das schon heute als hochautomatisiert gilt. Der Chip-Auftrasgfertiger will diesen Automatisierungsgrad noch erhöhen. Foto: Globalfoundries

Ein Wafer-Test im Globalfoundries-Werk Dresden. Foto: Globalfoundries

Neben Klassikern Logik und Speicher sind zunehmend Autoelektronik und Leistungshalbleiter gefragt

Kapazitätserweiterungen in ihren 300-mm-Fabriken in Dresden haben außerdem Globalfoundries, Infineon und Bosch avisiert. Die meisten neuen und vergrößerten Fabs in der Pipeline sollen zwar vor allem Logikschaltkreise, Speicher und speziell Automobilelektronik herstellen, die derzeit besonders gefragt ist. Mehr und mehr Fabs sollen jedoch auch Leistungshalbleiter produzieren, die besonders starke Ströme und hohe Spannungen vertragen. Die sind zunehmend gefragt, weil Autokonzerne ihre Stromer-Fertigungen hochfahren, Solar- und Windkraftwerke ohne Leistungshalbleiter nicht funktionieren und auch in Konsumgüterelektronik werden sie gebraucht.

Analysten rechnen vorerst mit robuster Auslastung

Mit einem Chip-Überangebot rechnen die „IC Insights“-Analysten trotz der Kapazitätserweiterungen vorerst nicht: „Trotz Inflationsdruck, anhaltenden Lieferkettenproblemen und anderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bleibt die Nachfrage nach integrierten Schaltkreisen robust“, schätzen sie ein. In diesem Jahr sei damit zu rechnen, dass die Chipauslieferungen um 9,2 Prozent zunehmen. „Selbst mit der Inbetriebnahme von 10 neuen Waferfabriken wird erwartet, dass eine solide Stücknachfrage dazu beitragen wird, die weltweite Kapazitätsauslastungsrate von 93,0 % im Jahr 2022 auf einem hohen Niveau zu halten.“

Die Waferkapazitäten kannten weltweit über Jahrzehnte fast nur einen Trend: nach oben. Ausnahmen waren die Jahre 2022 und 2009. Grafik: IC Insights

Die Waferkapazitäten kannten weltweit über Jahrzehnte fast nur einen Trend: nach oben. Ausnahmen waren die Jahre 2022 und 2009. Grafik: IC Insights

Tiefe Einschnitte zuletzt vor 13 Jahren

In den vergangenen zwei Dekaden waren die Kapazitäten in der Chipindustrie fast jedes Jahr gewachsen – mit zwei Ausnahmen: Nachdem die Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende geplatzt war, schrumpften 2002 die Wafer-Kapazitäten 2002 um zwei Prozent. Um sogar sechs Prozent ging es 2009 zum Höhepunkt der Chipkrise abwärts. Die bahnte sich 2007 bereits an, im Folgejahr kürzten die großen Mikroelektronik-Konzerne ihre Investitionen um 29 Prozent, 2009 sogar um 40 Prozent. Anfang ging mit Qimonda auch der letzte große deutsche Speicherchip-Hersteller pleite. Nur ein kleiner Teil von dessen Reinräumen und Kapazitäten – zum Beispiel in Dresden und Porto – wurde von anderen Unternehmen weitergeführt.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IC Insights, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt