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Die germanische Traumfabrik

Aussschnitt aus "Großstadtmelodie" mit Hilde Krahl. Abb.: Farbfilmverleih

Aussschnitt aus „Großstadtmelodie“ mit Hilde Krahl. Abb.: Farbfilmverleih

Doku „Hitlers Hollywood“ beleuchtet die reiche Filmproduktion im Nazi-Reich

Charismatische Leinwand-Stars, große Gefühle, schaurige Effekte: Über 1000 Kinofilme brachte die deutsche Filmindustrie zwischen 1933 und 1945 hervor, Millionen von Zuschauern wurden von ihnen mitgeprägt. Regisseur Rüdiger Suchsland hat ihnen einen faszinierenden, streitbaren Dokumentarstreifen voller Filmzitate und Analysen gewidmet: „Hitlers Hollywood – Das Deutsche Kino im Zeitalter der Propaganda 1933 – 1945“ startet heute in den deutschen Kinos – und versucht einen neuen Blick auf die braune Filmindustrie.

Propaganda-Schinken blieben in der Minderheit

Besonders haben sich uns aus jener Zeit Propaganda-Schinken wie „Jud Süß“, „Triumph des Willens“ oder „Der ewige Jude“ ins Kollektivbewusstsein eingebrannt. Doch solche offensichtliche Nazi-Ideologieergüsse machten lediglich einen kleinen Ausschnitt der damaligen Produktion aus. Reichs-Propagandaminister Joseph Goebbels, der damals in hohem Maße die Filmindustrie lenkte, wusste eben sehr wohl, dass Kino nicht mit Dauer-Agitprop, sondern über den Appell an die Gefühle des Zuschauers funktionierte.

Trailer (Farbfilmverleih):

Zwischen Kitsch, Kunst und Todesromantik

Daher dominierten die Unterhaltungsfilme, darunter auch viel Kitsch und Todesromantik. Viele deutsche Filmemacher bewegten sich eben auf Augenhöhe mit Hollywood, wollten „großes Kino“ machen. Und einige brachten künstlerisch sogar recht ambitionierte Werke hervor.

In der deutschen Produktion "Vier Gesellen" spielte die damals 23-jährige Ingrid Bergmann eine ihrer ersten Hauptrollen auf internationalem Parkett. Abb.: Farbfilmverleih

In der deutschen Produktion „Vier Gesellen“ von 1938 spielte die damals 23-jährige Ingrid Bergmann eine ihrer ersten Hauptrollen auf internationalem Parkett. Abb.: Farbfilmverleih

Starkult gepflegt

Zudem pflegten die schließlich in der Ufa zwangsfusionierten Studios – ähnlich wie die Kollegen in Kalifornien – sehr erfolgreich den Kult um große Stars: um den blond-blauäuigen Hans Albers und die melodramatische Zarah Leander, um den ewigen Buben Heinz Rühmann und den hintersinnig-prägnanten Gustaf Gründgens, um die „Reichswasserleiche“ Kristina Söderbaum oder den „Kolberg“-Regisseur Veit Harlan. Selbst eine Ingrid Bergmann, die wenig später in „Casablanca“ brillierte, startete ihre internationale Karriere einst in Nazi-Deutschland.

Fazit: Faszinierendes und analytisches Panorama der NS-Filmproduktion

„Kino weiß etwas, was wir – zumindest bewusst – nicht wissen“, erklärt sich Regisseur und Kritiker Rüdiger Suchsland die suggestive Kraft der nationalsozialistischen Filmproduktion. „Vielleicht waren die Gefühle, die diese Filme weckten, oft ein Selbstbetrug, falsche Gefühle. Aber es waren eben Gefühle.“ Manche Interpretationen Suchslands erscheinen etwas sehr auf politische Korrektheit getrimmt. Dafür aber entwirft er ein facettenreiches und oft auch faszinierendes Bild vom Filmschaffen unterm Hakenkreuz, das man in dieser Breite bisher kaum wahrgenommen hat.

Autor: Heiko Weckbrodt

„Hitlers Hollywood – Das Deutsche Kino im Zeitalter der Propaganda 1933 – 1945“, Dokumentation, Regie: Rüdiger Suchsland, Deutschland 2016, 106 Minuten, Produktion: LOOKS Filmproduktionen, Verleih: Farbfilm-Verleih, Kinostart: 23. Februar 2017

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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