Ausflugstipp, Kunst & Kultur, zAufi
Schreibe einen Kommentar

Rot-Gelb-Blau = Karl Schmidt-Rottluff

Selbstbildnis aus dem Jahre 1944. Repro: Peter Weckbrodt

Karl Schmidt-Rottluffs Selbstbildnis aus dem Jahre 1944. Repro: Peter Weckbrodt

Oigers Wochenendtipp für den 19./20. Dezember 2015: Werkschau des Expressionisten in Chemnitz

Chemnitz/Dresden, 18. Dezember 2015. Nachdem wir uns in den vergangenen Wochen durch den Besuch von gezielt ausgewählten Märkten und Ausstellungen mit vorweihnachtlicher Stimmung bis zum Scheitel aufgetankt haben, wollen wir so kurz vor dem Fest uns einer anderen, vielleicht etwas anstrengender Art des Genusses zuwenden – der Kunst. Genauer gesagt, einem Genre der Bildenden, also der visuell gestaltenden Kunst, der Malerei zuwenden. Wir sollten das ganz unvoreingenommen angehen und schlicht die Suche nach dem Schönen, eben das Auge Erfreuende, aufnehmen. Fündig werden wir in den Kunstsammlungen Chemnitz. Sie zeigen seit wenigen Tagen in einer Sonderausstellung insgesamt 490 Werke von Karl Schmidt-Rottluff 1884-1976).

Maler nannte sich nach Heimatdorf Rottluff

Die Stadt Chemnitz ordnet den Maler als ihre größte aus der Stadt hervorgegangene Persönlichkeit ein. Eisenbahnfreunde gehen da sicher in einen nachvollziehbaren Einspruch. Für sie kommt keiner an den Lokomotivschöpfer Richard Hartmann vorbei, übersehen aber dabei geflissentlich, dass Hartmanns Wiege im Elsass stand. Die des Malers stand hingegen in Rottluff, seit 1926 Stadtteil von Chemnitz. Womit die Herkunft des Doppelnamens geklärt ist, den der Maler im August 1905 so gewählt hat.

Wohl unter den Eindrücken des Ersten Weltkrieges schuf Karl Schmidt-Ruttloff die Grafik "ist euch nicht Kristus erschienen". Repro: Peter Weckbrodt

Wohl unter den Eindrücken des Ersten Weltkrieges schuf Karl Schmidt-Rottluff die Grafik „ist euch nicht Kristus erschienen“. Repro: Peter Weckbrodt

In der Ausstellung werden als eigener Bestand und in Form von Leihgaben aus Privathänden zum Teil noch nie gezeigte Arbeiten aus über 70 Schaffensjahren von 1899 bis 1970 präsentiert. Wir können unmöglich dies alles bei einem Museumsbesuch verinnerlichen. Gut beraten ist, wer sich einer der angebotenen Führungen anschließt.

Bogen von Jugend über „Brücke“-Zeit bis zur abstrakten Farbkreide

Das Spektrum der Gemäldesammlung repräsentiert alle Schaffensperioden des Künstlers, von ersten Öl-Skizzen aus der Jugendzeit über die Gemälde aus der den Dresdner gut bekannten Zeit der Künstlervereinigung „Brücke“ (1905-1913), und bis zu den späteren abstrakteren Farbkreide-Zeichnungen.

"Mädchen" nannte Karl schmidt-Ruttloff dieses 1920 von ihm geschaffene Bild. Repro: Peter Weckbrodt

„Mädchen“ nannte Karl Schmidt-Rottluff dieses 1920 von ihm geschaffene Bild. Repro: Peter Weckbrodt

Fachwelt interessiert sich zunehmend auch für Frühwerk Schmidt-Rottluffs

Rot-Gelb-Blau sind die Farben Schmidt-Rottluffs. Über alle Schaffensperioden hinweg sind für seine Werke reine, leuchtende Farben charakteristisch. Seitens der Fachwelt erlangt das Frühwerk des Künstlers eine zunehmende Wertschätzung, das in Chemnitz einsetzte und sich in den Dresdner Studienjahren voll entfaltete. Die Merkmale des Impressionismus – starke Dynamik, heftige Spannungen, Verkürzungen sowie große Farbsymbolik – lassen sich an Schmidt-Rottluffs Werken gut beobachten.

Erhebliche Bedeutung hat Schmidt-Rottluffs Schaffen während der Brücke-Zeit. Als 21-Jähriger war er nach Dresden gegangen, um Architektur zu studieren. Am 7. Juni 1905 gründete er gemeinsam mit drei anderen jungen Männern die erste Künstlervereinigung des deutschen Expressionismus, eben die „Brücke“. Mit dabei waren sein Chemnitzer Gymnasialfreund Erich Heckel (1883-1970), Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), ebenfalls Chemnitzer und der aus Zwickau stammende Fritz Bleyl (1880-1966). Wie seine Brücke-Gefährten wählt Schmidt-Rottluff 1911 Berlin als bleibenden Wohnort. Der starke, vermutlich sogar überbordende Individualismus ihrer Mitglieder führt im Mai 1913 zur Auflösung der Künstler-Gemeinschaft.

Als ungekrönter Star im Romantik-Ausstellungsteil gilt das Gemälde "Die Mühle" von Vincent van Gogh. Repro: Peter Weckbrodt

Als ungekrönter Star im Romantik-Ausstellungsteil gilt das Gemälde „Die Mühle“ von Vincent van Gogh. Repro: Peter Weckbrodt

Van Goghs Mühle als „Bonus“ obendrauf

Wer sich erschöpfend informieren möchte: Ein 540-seitiger Katalog dokumentiert den gesamten Chemnitzer Werkbestand. Bis zum Ausstellungsende am 10. April 2016 geben diverse Experten-Vorträge ebenfalls Gelegenheit zur Vertiefung des Wissens um Schmidt-Rottluffs Werk. Keinesfalls versäumen sollten wir, wenn schon im Haus, uns das Gemälde „Die Mühle – Le blue fin“ des Künstlers Vincent van Gogh anzusehen. Die Kunstsammlungen Chemnitz präsentieren 125 Jahre nach dem Tod van Goghs das 1886 geschaffene Gemälde erstmalig in Deutschland. Das Bild wurde erst 2010 als ein Van-Gogh-Werk identifiziert. Es ist eine Leihgabe des Museums de Fundatie in Zwolle und Heino/Wije, Niederlande.

Landschaft bei Maxen mit Blick auf das Elbsandsteingebirge" heißt dieses Ölgemälde von Ernst Ferdinand Oehme (1797-1855). Repro: Peter Weckbrodt

Landschaft bei Maxen mit Blick auf das Elbsandsteingebirge“ heißt dieses Ölgemälde von Ernst Ferdinand Oehme (1797-1855). Repro: Peter Weckbrodt

Romantik-Abteilung wieder geöffnet

Ausgestellt wird das Bild in der Präsentation Malerei der Romantik. Diesen Museumsteil zu besuchen lohnt unbedingt. Sie wurde nach umfangreichen Bauarbeiten jetzt wieder eröffnet und zeigt insgesamt 23 Werke von solch namhaften Künstlern Johan Clausen Dahl, Carl Gustav Carus, Johann Christian Klengel, Ferdinand von Rayski, Julius Schnorr von Carolsfeld, Ernst Ferdinand Oehme und Eduard Leonhardi. Unschwer ist erkennbar, dass die Malerei der Dresdner Romantik den Schwerpunkt bildet.

Kein Schmeichler

Zirka 400 der gezeigten Arbeiten hat Schmidt-Rottluffs auf Papier oder auf Pappe gefertigt. Einen recht umfangreichen Anteil im gezeigten grafischen Werk haben Akte. Aber auch die Darstellung von Köpfen ist reich vertreten. Sie belegen teilweise überzeugend brutal, dass der Künstler sich nie als Schmeichler verstanden hat.

Autor: Peter Weckbrodt

Ausstellung „Karl Schmidt-Rottluff“ in den Kunstsammlungen Chemnitz, Museum am Theaterplatz, Theaterplatz 1, 09111 Chemnitz; Tel.: 0371-488 4427; Öffnungszeiten: Di-So 11 bis 18 Uhr; Eintritt: Erw. 8 Euro, Erm. 6 Euro, Kinder u. Jugendliche unter 18 Jahren frei, mehr Infos gibt es hier im Netz

Anfahrt-Karte (Google-Maps)
 
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

Schreibe einen Kommentar