Geschichte

„Viele hier wissen kaum etwas über den Islam“

Dr. Amir Sepanji. Foto: Lohse

Dr. Amir Sepanji. Foto: Lohse, TU Dresden

Interview der TU Dresden mit iranischem Gastforscher Dr. Amir Sepanji

Der iranische Kommunikationsforscher Dr. Amir Sepanji ist derzeit als „Dresden Fellow“ als Gastwissenschaftler an der TU Dresden tätig. Dort untersucht er die mediale Darstellung islamischen Terrors in deutschen, iranischen, französischen und US-amerikanischen Printmedien. Der TU-Erziehungswissenschaftler Winfried Wagner befragte den Gast aus dem Iran dazu. Hier Auszüge aus dem Interview, das die Uni zur Verfügung gestellt hat.

Sind Sie als „Dresden Fellow“ auch an Lehrveranstaltungen beteiligt?

Ja, ich hielt im vergangenen Semester ein Seminar, das in einen Kurs über Mediensysteme auf der Welt eingebettet war. Die von mir gehaltene Sitzung behandelte das iranische Mediensystem und fand vor etwa fünf Wochen statt. Ich fand heraus, dass die Studenten sehr begierig darauf waren, etwas über den Iran und seine Medien zu erfahren, denn das Bild, das die meisten von ihnen von diesem Land hatten, speiste sich aus Stereotypen, die sie über den Alltag im Iran hatten.

Das System der Islamischen Republik Iran ist seit der Islamischen Revolution von 1979 sehr isoliert und konservativ und das Mediensystem ist sehr kompliziert und eng an das politische System gebunden. Dieses wiederum wird von der Politik und den Machtausübenden streng kontrolliert. Dieser Gesichtspunkt würde den Rahmen dieses Interviews jedoch sprengen.

Mein anderes Untersuchungsgebiet besteht in der Vorbereitung eines Entwurfes über die Islamophobie, bei der ich eine im Iran entwickelte Kontext-Analyse verwende und diese auf deutsche, iranische, französische und amerikanischen Printmedien anwende. Ich möchte damit die Darstellung des Anschlages auf die Zeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar dieses Jahres in Paris untersuchen. Dafür habe ich mich für zwei weitere Stipendien beworben, sodass ich meinen Aufenthalt hier in Deutschland verlängern könnte, um meine wissenschaftlichen Ziele noch besser zu verfolgen.

Wie würden Sie das iranische Mediensystem einschätzen? Kann man es als geschlossen ansehen? Sie betonten die große Einflussnahme darauf durch die Politik und durch religiöse Würdenträger.

Das gesamte iranische Mediensystem, besonders Funk und Fernsehen, ist unter der Kontrolle des geistigen Oberhaupts Ayatollah Ali Khamenei. Das Rundfunksystem heißt „Rundfunk der Islamischen Republik Iran“ (IRIB) und der Vorsitzende wird von Khamenei ernannt. Ihm unterstehen etwa 50 Radio- und 49 Fernsehsender. Die Printmedien sind grundsätzlich dem Presserat und dem Ministerium für Kultus und Islamischer Führung unterstellt, dessen Minister vom Staatspräsidenten ernannt wird und die Zustimmung des Parlaments benötigt. Der Presserat ist befugt, bestimmte Printmedien zu zensieren.

Was denken Sie über die Veränderungen in der Regierung, nachdem Ahmadi-Nejad abgewählt wurde? Ist das Land freier geworden?

Wir, Bürger des Irans, hoffen es sehr. Dennoch sind die Sanktionen gegen unser Land immer noch das größte Problem. Immer noch haben viele Menschen größte Schwierigkeiten, einen Zugang zu Medikamenten oder grundlegenden menschlichen Bedürfnissen zu erhalten. Wir erhoffen uns, dass nach dem Atomabkommen diese Bedingungen deutlich besser werden. Für das iranische Volk sind die Sanktionen besonders schmerzlich. Die neue Regierung unter Hassan Rohani arbeitet mit Hochdruck an der Lösung der wirtschaftlichen Probleme und haben somit nicht genug Zeit, sich mit politischen und internen Problemen wie die Meinungs- und Pressefreiheit zu begegnen. Wir haben in den Reden Rohanis schon viele gute Ansätze vernehmen können, aber zunächst muss der Nuklearkonflikt gelöst werden. Ich denke, dass es nicht so schnell gehen wird, da die politische Situation des Irans immer noch recht instabil ist und die Verbindungen des Landes zum Rest der Welt sehr zerbrechlich erscheinen.

Ihr Interessensgebiet stellt die Beschreibung islamischen Terrors in den Medien dar. Was fasziniert Sie an diesen Forschungen?

Ich untersuche die Darstellung islamischen Terrors in iranischen Medien, da der Iran ein islamisches Land ist. Demgegenüber interessiert mich die Darstellung in nicht-islamischen Ländern wie Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Mein Ziel ist die Untersuchung der Darstellungsweisen. Als Teil dieser Untersuchungen versuche ich herauszufinden, wie diese Medien den Islam als weltweit größte Religion darstellen.

Das ist sehr wichtig für mich, weil ich gerade hier in Dresden festgestellt habe, dass so viele Leute kaum etwas über den Islam wissen. Er ist die Religion der Gnade und der Toleranz aber viele Menschen denken, er ist die Religion des Terrors. Wenn wir die Ursprünge des islamischen Glaubens kennen, wissen wir, dass ISIS oder andere Terrorgruppen keinesfalls Moslems sind, die an den Islam glauben. Als Experte für Islamstudien mit einer Erfahrung von mehr als 30 Jahren kann ich Ihnen versichern, dass die Ursprünge des Judentums, des Christentums und des Islams die gleichen sind. Diese Terroristen folgen nicht den Empfehlungen von Mohammed. Er war der friedlichste Mensch seiner Zeit und es gibt eine Vielzahl von Versen im Koran, die seine Abscheu vor terroristischen Akten belegen.

Leider stellen viele Medien die unterschiedlichen Terrorgruppen als Repräsentanten des Islam dar und die Menschen akzeptieren das als gegeben und hinterfragen die Wahrheit und Glaubwürdigkeit der Nachrichten nicht.

In der Vergangenheit führte der Iran mit dem Irak einen langen und blutigen Krieg. Wie ist heute die Beziehung zwischen beiden Staaten?

Damals war es Saddam Hussein, der den Krieg mit dem Iran unter Befürwortung der Vereinten Nationen begann. Man kann diesen Krieg als Bruderkrieg ansehen und er war eigentlich umsonst. Heutzutage haben wir keinerlei Probleme mehr untereinander. Beide Staaten arbeiten auf so vielen wirtschaftlichen und kulturellen Gebieten zusammen, Iraker kommen in den Iran und andersherum. Heutzutage ist IS das größte Problem und ich denke, alle Länder des Mittleren Ostens sollten sich gegenseitig im Kampf gegen diese Terroristen unterstützen. Leider kommen sehr viele Dollar, die aus Ölverkäufen entstammen und die IS unterstützen, aus einigen Ländern der Region.

Wie könnte eine Lösung dieses Problems aus Ihrer Sicht aussehen?

Ich denke, dass große islamische Länder wie der Iran oder Saudi-Arabien dieses Problem gemeinsam mit anderen Staaten lösen sollten. Wenn diese in einen gemeinsamen Dialog treten würden, könnten die Konflikte in Zusammenhang mit dem IS sowie Missverständnisse gelöst werden. Dass Iran diese Lösung nach der atomaren Übereinkunft anstrebt, zeigen der Besuch des Außenministers Dr. Zarif in Katar und Kuweit, sowie sein Aufenthalt im Irak in der letzten Woche, um zu einer Lösung auf regionaler Ebene beizutragen.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt