Ciudad Perdida gehört zu den geheimnisvollsten Orten in Kolumbien
Santa Marta/Ciudad Perdida. Schüchtern schauen sie hinter ihren Hütten hervor. Dann kommen die beiden jungen Kogi-Indianer langsam heran und nehmen die süßen Lutscher der Touristengruppe entgegen. Lachend rennen sie zu ihren Geschwistern. Es sind Jungen. Sie tragen einen kleinen Lederbeutel um den Hals. Die Mädchen tragen Perlenketten. Ansonsten sind die Kinder der Kogi-Indianer nicht zu unterscheiden mit ihren grau-braunen Kleidern.
Uralte Stadt blieb vor Augen der Welt verborgen
Süßigkeiten gibt es beim Volk der Kogis, die direkte Nachfahren des Tayrona-Volkes sind, nicht. Zu weit leben sie von der Zivilisation entfernt. In der Sierra Nevada de Santa Marta in Nordkolumbien sind sie zu Hause. Nur etwa 50 Kilometer entfernt von Santa Marta, der Geburtsstadt des Freiheitshelden Simon Bolivar, beginnt das Reich des Naturvolkes. Ein Volk mit vielen Traditionen, Geschichten und Ritualen. Ein Volk, was bis Mitte der 1970er Jahre das Geheimnis um eine der ältesten präkolumbianischen Städte der Welt gehütet hat. Die Ciudad Perdida. Die verlorene Stadt. The Lost City.
Plünderungen in großem Stil
Drei Tage und 1200 Stufen muss man laufen, bis man zu dem geheimnisvollen Ort der ehemaligen Tayrona-Stadt „Teyuna“ kommt. Es führt keine Straße dort hin. Nur zu Fuß erreicht man Ciudad Perdida. 1976 entdeckten Bauern aus der Umgebung die Überreste der Stadt. Doch die Mauern, Terrassen, Treppen, Wege und Plätze interessierten die Entdecker nicht. Der Fokus lag viel mehr auf den immensen Goldvorräten, die sie in den Bergen Nordkolumbiens entdeckt hatten. Plünderungen im großen Stil begannen und so fehlen heute wichtige Artefakte, die Aufschluss über das Leben der Tayrona hätten geben können.
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Den Göttern nahe gebaut
Tief im Dschungel und hoch in den Bergen haben im Jahr 700 n. Chr. die Tayrona angefangen, ihre Stadt zu bauen. Weit entfernt vom Buritaca-Fluss auf fast 1300 Metern Höhe gelegen. Sie wollten den Sternen nah sein und den Göttern. Als Gottheiten wurden die Sonne, der Mond, die Berge und das Meer, sowie der Jaguar und der Frosch verehrt. Eine Geschichte der Tayrona besagt, dass es Tag und Nacht gibt, weil der Fluss am Abend die Sonne nimmt und sie zum Meer trägt. Dort wandeln die Wellen die Sonne in Sterne um. Am Morgen werden diese wieder vom Meer in die Sonne gewandelt und vom Fluss zurück in die Berge getragen.
Was Leben gibt ist rund
Alle Häuser der Tayrona waren – und sind es heute bei den Kogis immer noch – rund. Nach dem Glauben des Naturvolkes ist alles rund, was Leben gibt. Die Sonne, der Mond, die Erde. Die Sonne symbolisiert den Mann. Der Mond die Frau. Das liegt daran, dass der Mann vollständig, makellos und lebenspendend ist. Die Frau hat ihren Zyklus, genau wie der Mond. Sie ist nur an wenigen Tagen perfekt. Genau wie nur wenige Tage Vollmond ist.
Männer und Frauen lebten strikt getrennt
Im Laufe der Zeit entwickelten sich die Tayronas zu einer der höchsten indianischen Kulturen, die die spanischen Eroberer in Kolumbien vorfanden. Unter den wenig verbliebenen Goldschätzen waren wertvoller und fein gearbeiteter Schmuck. In den Ruinen fand man Mahlwerkzeug für Getreide und Werkzeuge, die auf Bienenzucht schließen lassen. Die Gesellschaft war hierarchisch geordnet. Männer und Frauen der Tayrona lebten in getrennten Hütten. Zur Vereinigung gingen sie in die Berge, um unter dem Segen der Götter Nachwuchs zu zeugen.
Rückzug in den Dschungel
Bis 1650 haben in den Bergen der Sierra Nevada de Santa Marta schätzungsweise 1300 bis 3000 Menschen des Naturvolkes gelebt. Nachdem die Spanier Kolumbien nach und nach eroberten, zogen sich die Tayrona tiefer in den Dschungel zurück. Dort leben die Nachfahren, die Kogis, bis heute. Es dürfen nur wenige Touristengruppen in das Gebiet. Die Führer der Trekkingtouren müssen jedes Mal erneut mit dem Anführer der Kogi verhandeln und um Einlass in das Gebiet der Ciudad Perdida bitten. Als Dank bekommen die Kogi-Kinder Süßes. Die Männer gehen wortlos in ihre Hütten zurück. Autorin: Johanna Kelch
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