Geschichte

Die verlorene Stadt – Auf den Spuren der Tayronas

Als Wegzoll auf der Tour zur "Ciudad Perdida" bringen Touristengruppen Süßigkeiten, Chips oder auch Haarspangen für die Frauen und Kinder der Kogi-Indiander mit. Foto: Johanna Kelch

Als Wegzoll auf der Tour zur Ciudad Perdida bringen Touristengruppen Süßigkeiten, Chips oder auch Haarspangen für die Frauen und Kinder der Kogi-Indiander mit. Foto: Johanna Kelch

Ciudad Perdida gehört zu den geheimnisvollsten Orten in Kolumbien

Santa Marta/Ciudad Perdida. Schüchtern schauen sie hinter ihren Hütten hervor. Dann kommen die beiden jungen Kogi-Indianer langsam heran und nehmen die süßen Lutscher der Touristengruppe entgegen. Lachend rennen sie zu ihren Geschwistern. Es sind Jungen. Sie tragen einen kleinen Lederbeutel um den Hals. Die Mädchen tragen Perlenketten. Ansonsten sind die Kinder der Kogi-Indianer nicht zu unterscheiden mit ihren grau-braunen Kleidern.

Drei Tage dauert die Wanderung durch den Dschungel bis man zur "Ciudad Perdida" in der Sierra Nevada de Santa Marta in Nordkolumbien kommt. Die Stadt der Tayrona wurde 1976 von Bauern aus der Umgebung zufällig entdeckt. Foto: Johanna Kelch

Drei Tage dauert die Wanderung durch den Dschungel, bis man zur „Ciudad Perdida“ in der Sierra Nevada de Santa Marta in Nordkolumbien kommt. Die Stadt der Tayrona wurde 1976 von Bauern aus der Umgebung zufällig entdeckt. Foto: Johanna Kelch

Uralte Stadt blieb vor Augen der Welt verborgen

Süßigkeiten gibt es beim Volk der Kogis, die direkte Nachfahren des Tayrona-Volkes sind, nicht. Zu weit leben sie von der Zivilisation entfernt. In der Sierra Nevada de Santa Marta in Nordkolumbien sind sie zu Hause. Nur etwa 50 Kilometer entfernt von Santa Marta, der Geburtsstadt des Freiheitshelden Simon Bolivar, beginnt das Reich des Naturvolkes. Ein Volk mit vielen Traditionen, Geschichten und Ritualen. Ein Volk, was bis Mitte der 1970er Jahre das Geheimnis um eine der ältesten präkolumbianischen Städte der Welt gehütet hat. Die Ciudad Perdida. Die verlorene Stadt. The Lost City.

Blick auf den ehemaligen Tempelplatz der Tayrona-Stadt. Hier sollen die Hütten der Männer und Priester gestanden haben. Auf dem größeren Platz fanden heilige Zeremonien wie Hochzeiten statt. Foto: Johanna Kelch

Blick auf den ehemaligen Tempelplatz der Tayrona-Stadt. Hier sollen die Hütten der Männer und Priester gestanden haben. Auf dem größeren Platz fanden heilige Zeremonien wie Hochzeiten statt. Foto: Johanna Kelch

Plünderungen in großem Stil

Drei Tage und 1200 Stufen muss man laufen, bis man zu dem geheimnisvollen Ort der ehemaligen Tayrona-Stadt „Teyuna“ kommt. Es führt keine Straße dort hin. Nur zu Fuß erreicht man Ciudad Perdida. 1976 entdeckten Bauern aus der Umgebung die Überreste der Stadt. Doch die Mauern, Terrassen, Treppen, Wege und Plätze interessierten die Entdecker nicht. Der Fokus lag viel mehr auf den immensen Goldvorräten, die sie in den Bergen Nordkolumbiens entdeckt hatten. Plünderungen im großen Stil begannen und so fehlen heute wichtige Artefakte, die Aufschluss über das Leben der Tayrona hätten geben können.

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Den Göttern nahe gebaut

Tief im Dschungel und hoch in den Bergen haben im Jahr 700 n. Chr. die Tayrona angefangen, ihre Stadt zu bauen. Weit entfernt vom Buritaca-Fluss auf fast 1300 Metern Höhe gelegen. Sie wollten den Sternen nah sein und den Göttern. Als Gottheiten wurden die Sonne, der Mond, die Berge und das Meer, sowie der Jaguar und der Frosch verehrt. Eine Geschichte der Tayrona besagt, dass es Tag und Nacht gibt, weil der Fluss am Abend die Sonne nimmt und sie zum Meer trägt. Dort wandeln die Wellen die Sonne in Sterne um. Am Morgen werden diese wieder vom Meer in die Sonne gewandelt und vom Fluss zurück in die Berge getragen.

Die Hütten der Kogi-Indianer in Nordkolumbien sind aus Lehm und Stroh gebaut. Laut ihrem Glauben ist alles, was Leben gibt, rund: Sonne, Mond, Erde. Daher sind auch die Hütten ohne Ecken. Foto: Johanna Kelch

Die Hütten der Kogi-Indianer in Nordkolumbien sind aus Lehm und Stroh gebaut. Laut ihrem Glauben ist alles, was Leben gibt, rund: Sonne, Mond, Erde. Daher sind auch die Hütten ohne Ecken. Foto: Johanna Kelch

Was Leben gibt ist rund

Alle Häuser der Tayrona waren – und sind es heute bei den Kogis immer noch – rund. Nach dem Glauben des Naturvolkes ist alles rund, was Leben gibt. Die Sonne, der Mond, die Erde. Die Sonne symbolisiert den Mann. Der Mond die Frau. Das liegt daran, dass der Mann vollständig, makellos und lebenspendend ist. Die Frau hat ihren Zyklus, genau wie der Mond. Sie ist nur an wenigen Tagen perfekt. Genau wie nur wenige Tage Vollmond ist.

Jungen und Mädchen der Kogi-Indiander sind kaum zu unterscheiden für Außenstehende. Mädchen tragen Schmuck um Hals oder Handgelenke (links) und Jungen bekommen im Alter von 12 Jahren eine Kette mit einem Lederbeutel. Foto: Johanna Kelch

Jungen und Mädchen der Kogi-Indiander sind kaum zu unterscheiden für Außenstehende. Mädchen tragen Schmuck um Hals oder Handgelenke (links) und Jungen bekommen im Alter von 12 Jahren eine Kette mit einem Lederbeutel.
Foto: Johanna Kelch

Männer und Frauen lebten strikt getrennt

Im Laufe der Zeit entwickelten sich die Tayronas zu einer der höchsten indianischen Kulturen, die die spanischen Eroberer in Kolumbien vorfanden. Unter den wenig verbliebenen Goldschätzen waren wertvoller und fein gearbeiteter Schmuck. In den Ruinen fand man Mahlwerkzeug für Getreide und Werkzeuge, die auf Bienenzucht schließen lassen. Die Gesellschaft war hierarchisch geordnet. Männer und Frauen der Tayrona lebten in getrennten Hütten. Zur Vereinigung gingen sie in die Berge, um unter dem Segen der Götter Nachwuchs zu zeugen.

Rückzug in den Dschungel

Bis 1650 haben in den Bergen der Sierra Nevada de Santa Marta schätzungsweise 1300 bis 3000 Menschen des Naturvolkes gelebt. Nachdem die Spanier Kolumbien nach und nach eroberten, zogen sich die Tayrona tiefer in den Dschungel zurück. Dort leben die Nachfahren, die Kogis, bis heute. Es dürfen nur wenige Touristengruppen in das Gebiet. Die Führer der Trekkingtouren müssen jedes Mal erneut mit dem Anführer der Kogi verhandeln und um Einlass in das Gebiet der Ciudad Perdida bitten. Als Dank bekommen die Kogi-Kinder Süßes. Die Männer gehen wortlos in ihre Hütten zurück. Autorin: Johanna Kelch

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt