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„Die Analphabetin, die rechnen konnte“ und Schweden zur Atommacht machte

Die "Analphabetin" Nombeko ist in den Elendshütten von Soweto bei Johannesburg aufgewachsen - und macht plötzlich internationale Politik. Foto: Michael Toft Schmidt, Wikipedia, GNU-Lizenz

Die „Analphabetin“ Nombeko ist in den Elendshütten von Soweto bei Johannesburg aufgewachsen – und macht plötzlich internationale Politik. Foto: Michael Toft Schmidt, Wikipedia, GNU-Lizenz

Nombeko: „Du bist also nicht böse wegen dieser Geschichte mit der Atombombe?“

„Ach wo“, sagte Holger. „So was kann schon mal passieren.“

Jonas Jonassons verrückte Reise von Sowetos Scheißefabriken zum König von Schweden

Jonas Jonasson. Foto: Brandt

Jonas Jonasson. Foto: Brandt

Nombeko wird 1961 im „Südwestlichen Township“ von Johannesburg geboren, von weißen Rassisten dazu abgestempelt, ein Leben lang als Analphabetin in den Scheißefabriken von Soweto zu schuften. Doch nicht dieses Mädchen: Sie lernt heimlich rechnen, lesen und schreiben, landet in der Schulknechtschaft eines versoffenen Chefingenieurs, macht erst unfreiwillig den Apartheidstaat Südafrika, dann das kernwaffenfreie Schweden zur Atommacht, trickst den Mossad aus und bringt den König dazu, Hühner zu köpfen. Und erzählt wird diese achterbahnartige Geschichte von der „Analphabetin, die rechnen konnte“ von Jonas Jonasson, einem der ganz großen Fabulatoren unserer Zeit.

Schwarze Heldin umtänzelt die Fallstricke des Lebens

Für den schwedischen Autor ist alles und nichts selbstverständlich: Mit dem vorurteilsfreien Staunen eines Kindes begleitet er seine schwarze Heldin um den halben Globos, hüpft mit ihr elegant über die Fallstricke des Schicksals. Seine Nombeko ist ein weibliches Stehauf-Männchen, das vor nichts Respekt hat außer vor der Schönheit der Mathematik.

Nombeko berechnet ein Kissenlager. Abb.: hw, Foto: Jonasson

Nombeko berechnet ein Kissenlager. Abb.: hw, Foto: Jonasson

Kafkeske Bürokraten, verblendete Herrenmenschen und 10 Kilo Antilopenfleisch

Und das macht viel vom Charme und Humor dieser wundervollen Story aus, die so voller aberwitzigen Wendungen ist. Und ganz nebenbei knapp 50 Jahre Weltpolitik erzählt: von den schreienden Ungerechtigkeiten in einem Land, in dem Menschen wie Affen behandelt werden, von der Hybris und Katharsis einer „Herrenrasse“, zehn Kilogramm Antilopenfleisch, dem chinesischen Griff nach Afrika, dem Nahostkonflikt, aber auch von den Seltsamkeiten im Heimatland des Autors, in dem es – so mag es nach der Lektüre erscheinen – von bizarren Royalisten, selbstgerechten Anarchisten, Geizhälsen und kafkaesken Bürokraten nur so wimmelt.

Werbevideo (Randomhouse):

Fazit: Wundervoll-amüsanter Parcours-Ritt

„Die Analphabetin, die rechnen konnte“ ist eine sozialkritische und dabei sehr fluffig geschriebene Story, durch die sich der Leser nur so durchfressen möchte. Höchst amüsant, ja wundervoll.

Autor: Heiko Weckbrodt

Jonas Jonasson: „Die Analphabetin, die rechnen konnte“, Stockholm 2013, deutsche Übersetzung: Carls Books / Random House, München 2013, eBuch: 16 Euro, ISBN: 978-3-641-08308-3. Leseprobe hier:
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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