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Meine Meinung: Buchhandel muss sich bewegen

Es wird ja viel gebarmt: Das Lesen als Kulturtechnik gehe unter, das Internet mit seinen Infohäppchen und das Fernsehen mit seinen Verblödungssendungen ziehe eine Generation von De-facto-Analphabeten heran. Auch in Dresden – wo das Medium Buch eigentlich einen guten Stand hat – häufen sich Berichte von Sozialarbeitern und Kindergärtnerinnen aus sozialen Brennpunktvierteln, dass da immer mehr Kinder aus Prekariats-Familien daheim noch nie ein Buch in der Hand gehalten haben.

Doch nicht allein die Konkurrenz durch bunte Unterhaltung und Netzfülle macht dem Buch zu schaffen – das gedruckte Buch hat auch ein Preisproblem: Im Leseland DDR kosteten selbst gebundene Ausgaben meist nur acht bis zwölf Ostmark – heute blättert man nicht selten 20 bis 30 Euro pro Buch hin, selbst im „Groschenroman“-Segment. So eine Ausgabe überlegt sich ein Mindestlohn- oder Hartz-Empfänger zweimal.

Dass es auch anders geht, zeigt die eBook-Welle in den USA: Die Digitalisierung der Literatur war zwar für Verlage und Leser mit Startinvestitionen verbunden (Infrastruktur, Lesegeräte etc.), doch seitdem kennt der eBuch-Markt in Übersee nur einen Trend: steil aufwärts. Das hat mit Amazons Kampfpreisen zu tun, aber auch mit den vielen Vorteilen elektronischer Lesegeräte – man denke nur an den Literaturnachschub im Urlaub.

Nun muss sich eigentlich nur noch der deutsche Buchhandel bewegen und die überholte Preisbindung für eBücher aufheben, dann stirbt Lesen als Massenkulturtechnik auch nicht aus, wie das Beispiel USA zeigt. Bisher behilft sich Amazon auf dem deutschen Markt mit Kompromissen wie speziellen Kindle-Editionen gedruckter Bücher, die dann um die zehn Prozent billiger sind als die jeweilige Taschenbuchausgabe. Kein Vergleich freilich mit dem US-Kindle-Laden, wo ein Großteil der eBücher für weniger als zehn Dollar zu haben ist. Aber wenn sich die Branche über den Digitalisierungsweg von den vielbejammerten steigenden Papierkosten abkoppeln, Vertriebs- und Druckkosten sparen kann, dann ist es nur fair, einen Teil dieser Ersparnis an den Endkunden, den Leser weiterzugeben.

Alles andere wäre ohnehin nur Don-Quichotterie, wie das Beispiel Musikindustrie zeigt: Der ewige Kampf gegen MP3-Tauschbörsen fruchtete wenig – bis Niedrigpreis-Strategen legale Angebote wie iTunes & Co. etablierten. Und mit ein bisschen Googelei sieht jeder, wie groß das Angebot illegal digitalisierter Bücher auch im deutschen Netz schon heute ist. Wenn der Buchhandel nicht bald die Zeichen der Zeit erkennt, tritt wohl das Gorbatschow-Prinzip in Kraft: Wer zu spät kommt, den bestraft das Internet… Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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