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Chance für zuckerkranke Kinder

Prof. Pauline Wimberger von der Klinik für Geburtshilfe am Uniklinikum Dresden informiert eine Mutter, wie ihr kleiner Frederik auf Diabetes-Risken getestet werden kann, wenn sie das wünscht. Bildschirmfotos aus: Video "Freder1k-Studie in Sachsen", Vimeo, Biermann-Jung

Prof. Pauline Wimberger von der Klinik für Geburtshilfe am Uniklinikum Dresden informiert eine Mutter, wie ihr kleiner Frederik auf Diabetes-Risken getestet werden kann, wenn sie das wünscht. Bildschirmfotos aus: Video „Freder1k-Studie in Sachsen“, Vimeo, Biermann-Jung

Sächsische Pilotstudie „Freder1k“ soll Therapien gegen frühkindliche Typ1-1-Diabetes ausloten

Dresden, 26. August 2016. Kein Kind in Sachsen soll mehr an „Typ-1-Diabetes“ sterben oder wegen dieser Immunsystem-Fehlfunktion auf die Intensivstation müssen. Dieses Nah-Ziel haben sich Mediziner aus Dresden, Leipzig, München und Hannover gesteckt. Im Zuge der weltweit einzigartigen Studie „Freder1k“ wollen sie in zahlreichen Kliniken möglichst allen Eltern im Freistaat neuartige Gen-Tests und Hilfen anbieten. „Typ 1 ist nicht heilbar, aber behandelbar“, betonte Professor Wieland Kiess vom Uniklinikum Leipzig am 26. August 2016  zum offiziellen „Freder1k“-Auftakt in Dresden.

Immunsystem wendet sich gegen Insulin-Fabriken des Körpers

Typ-1-Diabetes ist eine Variante der Zuckerkrankheit, die vor allem bei Babys und Kleinkindern auftritt. Dabei missversteht das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse als „Feinde“ und zerstört sie.

Erklär-Video zur Studie:

Freder1k-Studie in Sachsen from Biermann-Jung on Vimeo.

 

Zuckerkrankheit bleibt oft lange unerkannt

Diese Krankheit bleibt oft jahrelang unerkannt, weil Symptome erst spät erkennbar werden, um dann umso heftiger auszubrechen. In besonders schlimmen Fällen erleiden die kleinen Patienten plötzlich eine Blut-Übersäuerung beziehungsweise eine sogenannte „Stoffwechsel-Entgleisung“. Dann müssen sie sofort auf die Intensivstation. Andernfalls drohen ihnen irreparable Hirn- und andere Organschäden.

Inzwischen auch Kinder gestorben

In – sich nun leider häufenden – Extremfällen sind auch bereits Kinder an solchen Stoffwechsel-GAUs gestorben. Vor vier Monaten kam dadurch ein Kind in Leipzig zu Tode, nachdem mehrere Organe auf einmal versagt hatten.

3 % aller Kinder haben Risiko-Gene

Diabetes-1 ist, obwohl häufig nicht richtig oder erst zu spät diagnostiziert, alles andere als eine seltene Autoimmun-Krankheit: Etwa drei Prozent aller Kinder haben Risiko-Gene für Typ-1-Diabetes. In Sachsen werden etwa 250 neuerkrankte Kinder jedes Jahr verzeichnet, bundesweit zwischen 2000 und 3000 Kinder.

Prof. Reinhard Berner vom Uniklinikum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Reinhard Berner vom Uniklinikum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Reinhard Berner, Uniklinikum Dresden, Kindermediziner: „In Deutschland sterben immer noch Kinder (an Typ-1-Diabetes) … weil die  Entgleisung des Stoffwechsels so schwer verlaufen ist, dass es zu einer dann nicht mehr rückgängig zu machenden Hirnschädigung gekommen ist“.

 

Ursache für steigende Fallzahlen bisher unklar

Zudem breitet sich diese Krankheit seit einiger Zeit aus: Die Fallzahlen klettern derzeit jährlich um drei Prozent. „Die genauen Ursachen sind uns nicht bekannt“, sagte Professorin Anette Ziegler vom Helmholtz-Zentrum München, das die neuen Früherkennungs-Tests entwickelt hat. „Aber vieles deutet darauf hin, dass da mehrere Umweltfaktoren eine Rolle spielen, die nur im Alter bis zwei oder vier Jahren wirken.“

Ärzte wollen Therapie entwickeln

Die Studie soll nicht nur eben diese Ursachen für die rätselhafte Diabetes-Häufung unter Kleinkindern klären, sondern auch zu Therapien führen, die den Kampf des Immunsystems gegen die eigene Insulinproduktion im Kinderkörper stoppen. Ist diese erste Phase in Sachsen erfolgreich, soll das Programm auf andere Bundesländer und ab 2018 schrittweise auf ganz Europa ausgedehnt werden.

„Die Studie, für die die Experten der Medizinischen Fakultäten in Dresden und Leipzig eng kooperieren, wird auch wichtige Erkenntnisse für mögliche Präventionsmaßnahmen liefern“, hofft die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD). „Sie hat somit eine wichtige gesellschaftspolitische Dimension. Denn die Erkenntnisse können helfen, die zu erwartenden Behandlungskosten für das Gesundheitswesen zu beherrschen.“

Auch Liedermacher Gerhard Schöne unterstützt das Studienprojekt mit seiner Musiuk. Foto: Heiko Weckbrodt

Auch Liedermacher Gerhard Schöne unterstützt das Studienprojekt mit seiner Musik. Foto: Heiko Weckbrodt

US-Stiftung finanziert Startphase in Sachsen

Die Startphase in Dresden und Leipzig finanziert die US-amerikanische Helmsley-Stiftung mit einer Million Euro. Um „Freder1k“ europaweit auszurollen, wären etwa 50 Millionen Euro nötig, schätzt Studienleiter Prof. Ezio Bonifacio vom Zentrum für regenerative Therapien  Dresden (CRTD). Besonders Schwedne udn Großbritannien haben bereits konkretes Interesse angemeldet, im Erfolgsfall die sächsischen Konzepte zu adaptieren. Die Studie ist zudem ein wesentliches Kernstück für die weltweite Initiative „Globale Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes“ (GPPAD). Auch Prof. Ziegler setzt auf eine starke internationale Strahlkraft der Studie: „Die Welt schaut auf Sachsen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Die Mediziner wollen im Zuge ihrer Freder1k-Studie allen Eltern in Sachsen anbieten, ihr Kind auf Typ1-Diabetes-Risikogene untersuchen zu lassen. Notwenig sei dafür nur ein Blutstropfen, der von der Ferse der Babys entnommen wird. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Mediziner wollen im Zuge ihrer Freder1k-Studie allen Eltern in Sachsen anbieten, ihr Kind auf Typ1-Diabetes-Risikogene untersuchen zu lassen. Notwendig sei dafür nur ein Blutstropfen, der von der Ferse der Babys entnommen wird. Foto: Heiko Weckbrodt

So wird getestet:

Wenn die Eltern einverstanden sind, nehmen die „Freder1k“-Ärzte dem Baby einen Blutstropfen am Fuß ab. Stellt ein Labor in der Blut-Probe Diabetes-Risiko-Gene fest, folgt eine Betreuungs- und Beratungs-Phase für Eltern und Kind mit weiteren Früherkennungs-Tests und Hilfen bis hin zu Insulin-Spritzen, wenn dies notwendig werden sollte.

Anzeichen für Typ1-Diabetes :

  • Plötzliche Gewichtsabnahme
  • Müdigkeit und geringe Leistungsfähigkeit
  • Starker Durst
  • Ständiger Harndrang
  • Trockene Haut und Schleimhaut, rissige Lippen
    Mehr Infos: Eltern-Ratgeber„Freder1k“, crt-dresden.de

An der Studie beteiligte Institutionen:

DFG – Center for Regenerative Therapies, Cluster of Excellence, Technische Universität Dresden
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Universitätsklinikum Leipzig
Helmholtz Zentrum München
Medizinische Hochschule Hannover

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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