Wirtschaft

Bloß kein Schweinchenrosa

Um ihre Licht-Installation zu einem Konzert der Jenaer Philharmonie genau auf ihre farblichen Vorstellungen abzustimmen, setzte die Künstlerin Rosalie auf die Echtfarb-Sensortechnik von MAZeT. Abb.: Uwe Germar/ MAZeT

Um ihre Licht-Installation zu einem Konzert der Jenaer Philharmonie genau auf ihre farblichen Vorstellungen abzustimmen, setzte die Künstlerin Rosalie auf die Echtfarb-Sensortechnik von MAZeT. Abb.: Uwe Germar/ MAZeT

Jenaer Sensor erkennt Farbnuancen wie ein Mensch – und hilft, Flugreisen angenehmer zu machen

Jena, 11. August 2015. Tiefdunkelblau ist nicht das Gleiche wie Bläulichschwarz – ist doch klar, oder? Frauen erkennen meist solche feinen Farbabstufungen, wissen, dass der Unterschied manchmal allesentscheidend ist. Männer und Computer haben da oft so ihre Schwierigkeiten – und holen sich deshalb jetzt hochtechnologische Schützenhilfe: Die Jenaer Hightech-Firma „MAZeT“ hat einen Sensor entwickelt, der Farben so fein wie das beste menschliche Auge unterscheidet und vielleicht sogar noch besser. Eingesetzt wird dieser neue künstliche Nuancen-Erkenner inzwischen von Künstlern, Innendesignern, Laboren, ja selbst von Obstbauern und anderen Anwendern, die sich 100pro darauf verlassen müssen, dass sie aus dem großen Kosmos der Farben genau die richtige Schattierung herauspicken.

Normale Handy-Kamera sieht Welt anders als der Mensch

„Das Problem ist, dass zum Beispiel die normale Handy-Kamera Farben anders sieht als der Mensch, das ist konstruktionsbedingt so“, erklärt Dr. Fred Grunert, der Geschäftsführer und Gründer von MAZeT. Denn die Photodioden in Smartphones basieren auf einer anorganischen Technologie, die Licht anders verarbeitet als die Rezeptoren im menschlichen Auge. Um diesen Nachteil auszugleichen, haben die Jenaer Ingenieure spezielle Interferenz-Filter entwickelt, die den Siliziumdioden vorgeschaltet werden. Diese sortieren die Wellenlängen aus, die das Farbbild verschieben würden. „Unser Sensor gleicht in seiner Arbeitsweise dem des Auges“, sagt Grunert. Erzeugt werden diese speziellen Filter aus der Abfolge von dünnen Titanoxid- und Siliziumdioxid-Schichten in einer Vakuumkammer – die genaue Technik ist ein Firmengeheimnis. „Wir sind die weltweit einzigen Anbieter für solche wirklich farbechten Sensoren.“

Video über das Farbprojekt der Künstlerin Rosalie (Uwe Germar):

Flugzeug-Kabinen werden auf Wohlfühl-Licht geeicht

Die Methode der kleinen Technologieschmiede aus Jena hat jedenfalls viele Anwender überzeugen können. In der Boeing 787 zum Beispiel wachen die MAZeT-Sensoren darüber, dass das LED-Kabinenlicht für die Passagiere genau den Wohlfühlwert behält, den die Fluggellschaft sich vorstellt. Ohne dieses Korrektiv nämlich würden die Temperaturunterschiede am Boden und in der Luft dafür sorgen, dass sich die Lichtfarbe ständig verschiebt – irgendwo zwischen Schweinchenrosa und Türkisgrau.

Auch für Laboranalysen sind Echtfarb-Sensoren nützlich. Dadurch können Chemikalien beziehungsweise Proben sehr schnell vorsortiert werden. Foto: MAZeT

Auch für Laboranalysen sind Echtfarb-Sensoren nützlich. Dadurch können Chemikalien beziehungsweise Proben sehr schnell vorsortiert werden. Foto: MAZeT

Die guten Beeren ins Töpfchen…

Druckereien wiederum verwenden die MAZeT-Sensoren, um zu kontrollieren, dass die Bilder im Buch durchgängig so aussehen, wie sie der Illustrator entworfen hat. In Obstsortieranlagen trennen die künstlichen Augen schlechte von guten Blaubeeren, in Industriebetrieben überwachen sie die Güte von Galvanik-Bädern. Und auch bei Multimediakonzerten schwören Künstler auf die Jenaer Technik, damit ihre Farbinstallationen genau die Anmutung haben, die sie sich vorher ausgedacht hatten.

So sieht der Farbsensor aus Jena aus, bevor er verbaut wird. Foto: MAZeT

So sieht der Farbsensor aus Jena aus, bevor er verbaut wird. Foto: MAZeT

Smartphone kann durch Echtfarb-Sensor zum Innenarchitekten mutieren

Und Fred Grunert ist überzeugt, dass seine Interferenzfilter-Technologie noch großes Marktpotenzial hat. Auch Smartphone-Hersteller wollen ihre Telefone gern mit MAZeT-Sensoren spicken, um ganz neue Apps für Endkunden zu ermöglichen. „Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie wollen für die Wandfarbe daheim eine farblich passende Couch aussuchen“, so Grunert: Einfach das entsprechend gerüstete Smartphone an die Wand halten und die App sucht die präzise passenden Farbtöne für das Mobiliar heraus. „Man sollte immer daran denken, welchen großen evolutionären Vorteil es dem Menschen verschafft hat, Farben zu erkennen“, sagt der Unternehmer. Technologisch verfeinert, sollte diese Fähigkeit, so ist er überzeugt, auch in der Heim- und Industrieelektronik viele neue Möglichkeiten eröffnen.

Autor: Heiko Weckbrodt

-> Mikrochip-Abc

Dieses Interview ist in Vorbereitung für das „Mikrochip-Abc“ entstanden. Das „Mikrochip-Abc“ ist ein Handbuch über moderne Mikroelektronik für Schüler ab Klasse 8. Es wird vom Dresdner Unternehmen „3D:it UG“ produziert und demnächst veröffentlicht. Weitere Informationen über dieses Schulbuch sind hier im Internet zu finden: mikrochip-abc.com

Zum Weiterlesen:

MAZeT im Kurzporträt

Blinder Dresdner programmiert Farb-App

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt