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„Zur politisch-operativen Sicherung der Geheimnisträger befehle ich“

Mielkebefehl vom Mai 1984 über die Absicherung der DDR-Rüstungsproduktion durch die Stasi - deklaiert als "Geheime Verschlusssache" (GVS). Repro: Heiko Wekcbrodt, Quelle: BStU/ MfS-BV Dresden

Mielkebefehl vom Mai 1984 über die Absicherung der DDR-Rüstungsproduktion durch die Stasi – deklaiert als „Geheime Verschlusssache“ (GVS). Repro: Heiko Wekcbrodt, Quelle: BStU/ MfS-BV Dresden

DDR-Rüstungsproduktion wurde von Stasi streng abgeschirmt

Dresden, 31. Oktober 2014: Die Rüstungssparten („Spezielle Produktion“) in DDR-VEBs unterlag strengster Geheimhaltung. Den äußeren Wachschutz übernahmen oft spezielle Volkspolizei-Betriebswachen, die innere Absicherung die Stasi-Bezirksverwaltung, die solche Betriebe massiv mit IM, GMS und anderen Zuträgern unterwanderte.

Stasi stieß nur extrem selten auf „echte“ Spione

Gelegentlich sind in den archivierten Stasi-Unterlagen auch Hinweise auf „echte“ Spione, die die ostdeutschen ausgemacht zu haben glaubten, zu finden – aber sehr, sehr selten. In den meisten dokumentierten „Operativen Vorgängen“ mussten die Stasi-Offiziere letztlich einräumen, keine stichhaltigen Spionage-Beweise gegen die Verdächtigen gefunden zu haben und konzentrierten sich daher – neben der Aussonderung mutmaßlicher Aussiedlungswilliger – oft auf vermeintliche „politische Diversion“, das „Vordringen pazifistischer Einstellungen“ und ähnliche ideologische „Aufweichungen“ der Belegschaft in diesen Spezialbetrieben. Belegt ist allerdings von Zeitzeugen wie in den Akten, das insbesondere die westalliierten Militärmissionen – die sich wegen alter Alliierten-Abkommen aus der Nachkriegszeit weitgehend frei in der DDR bewegen durften – wiederholt versuchten, An- und Abtransporte von Triebwerken, MiGs und anderen Rüstungsgütern in den Wartungs- und Fertigungs-Betrieben zu fotografieren, um Aufschlüsse zum Beispiel über Einsatzstärken und -Bereitschaft sowjetischer Kampfflieger-Staffeln ziehen zu können.

MfS siebte Kader für Rüstungsbetriebe vor

Angestellt werden durften in den Kernbereichen der speziellen Produktion nur Kader, die samt ihrer Ehepartner, engen Verwandten und Bekannten zuvor eine Sicherheitsprüfung durchlaufen und vom MfS bestätigt wurden. Sie durften zum Beispiel keine Westkontakte unterhalten, was den Personalnachschub immer schwieriger machte, wie es in einer internen Stasi-Einschätzung 1986 hieß – immer weniger waren bereit, für 50 bis 300 DDR-Mark Lohnzuschlag im Monat in die spezielle Produktion zu wechseln und dafür alle Kontakte mit der Westverwandtschaft aufzugeben. „Wir durften keinerlei Westkontakte haben und bekamen dafür 15 Pfennig Schweigegeld pro Stunde als Aufschlag“, erinnert sich André Kiesewalter, der damals als Instandhaltsmechaniker in der Dresdner Flugzeugwerft im Kombinat Spezialtechnik arbeitete. In vielen diese Betriebe waren 90 Prozent der Belegschaft als „Geheimnisträger“ eingestuft.

 

Er liebte uns alle: Erich Mielke, von 1957 bis 1989 Stasi-Minister. Abb.: R. Mittelstädt, BA, Wikipedia

Abb.: R. Mittelstädt, ADN, Bundesarchiv, Wikipedia, CC3-Lizenz

„Zur politisch-operativen Sicherung der Geheimnisträger … einschließlich ihrer Wohn- und Freizeitbereiche befehle ich …: In die Sicherheitsüberprüfung sind der Ehepartner, die im Haushalt lebenden Angehörigen sowie Verwandte und Bekannte, zu denen enge Beziehungen bestehen, einzubeziehen.“

(Aus: Mielke-Befehl 11/84, BStU)

 

Betriebe konkurrierten mit Wohnraum-Versprechen um Kader

Und da immer mehr VEBs zur Rüstungsproduktion verpflichtet wurden, konkurrierten diese immer heftiger um geeignetes und vom MfS zugelassenes Personal. In den MfS-Akten finden sich Beispiele, wie etwa die Kombinate Carl Zeiss und Spezialtechnik Dresden durch Wohnraum-Versprechungen gegenseitig die Kandidaten abspenstig zu machen suchten.

„Spezielle Produktion“ konnte in Mangelwirtschaft per „LVO“ bevorzugt Ressourcen anfordern

Für die Betriebe selbst hatten Rüstungsverpflichtungen Vor- wie Nachteile: Sie bekamen die „spezielle Produktion“ oft zusätzlich aufgebuckelt und mussten dennoch die zivilen Pläne erfüllen, was oft die Ressourcen-Probleme dramatisch verschärfte. Andererseits wurden sie bevorzugt mit Personal und Material beliefert, wenn sie Ressourcen nach der „Lieferverordnung für bewaffnete Organe“ (LVO) geltend machten. Da allerdings immer mehr VEBs mit diesen LVO-Anforderungen agierten, kam es erneut zum Ressourcen-Gerangel – immer stärker zu Lasten ziviler Projekte, was wiederum den wirtschaftlichen Niedergang der DDR weiter beschleunigte.

Rüstungsbetriebe auch vor lokalen SED-Funktionären abgeschottet

Einen klaren Vorteil hatten aber stark oder ganz auf Militärprojekte konzentrierte Betriebe wie das Kombinat Spezialtechnik Dresden: Sie waren nur nach „ganz oben“ rechenschaftspflichtig. Anders als anderen VEBs konnten bei ihnen die lokalen und regionalen Partei- und staatlichen Funktionäre nicht hineinreden und weitere Ressourcen für „ihre“ Lieblingsprojekte im Bezirk abziehen. Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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